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Modern Warfare 2 (PC, PS3, Xbox 360) gefolgt von Hype und Kontroverse.

Foto: REUTERS/Ina FAssbender
Foto: Activision Blizzard
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"Es ist ein unvergleichbares Action-Spektakel", sagen die einen. "Es ist nur ein weiteres Ballerspiel", sagen die anderen. Es ist in jedem Fall ein Investment, wie es sich Robert Kotick vorstellt.

Der Boss des größten Videospielherausgebers Activision Blizzard fährt ein striktes Konzept, das auf Gewinnmaximierung getrimmt ist. Während andere Branchengrößen immer wieder Risiken eingehen, setzt Kotick auf eine Hand voll bewährter Zugpferde. Die Musikspiel-Marke "Guitar Hero" stellte seit dem Marktstart 2005 nicht weniger als 12 einzelne Werke und mit "Band Hero" und "DJ Hero" dieses Jahr gleich zwei neue Serien-Auskoppelungen. Activision schuf, eigenen Aussagen nach, damit in nur 4 Jahren das umsatzstärkste Gaming-Franchise nach Mario und Madden NFL und lukrierte in Summe über 2 Milliarden US-Dollar.

Rekordverdächtig

Auf dem anderen Ende des Spektrums erscheint am Dienstag, dem 10. November 2009, eine weitere gewichtige Fortsetzung. "Modern Warfare 2" (MW2) von Infinity Ward ist der sechste große Sprössling (insgesamt 10 Auskoppelungen) der Kriegsspielserie "Call of Duty" und versetzt Spieler in die Rolle von Soldaten in einem fiktiven, obgleich besonders real dargestellten, Konflikt zwischen den USA und russischen Terroristen. Darf man den ersten Schätzungen Glauben schenken, wird es der größte Marktstart, den die gesamte Unterhaltungsindustrie je gesehen hat. Die Marktforscher von VG Chartz berichteten am Montagabend, dass weltweit 4,5 Millionen Exemplare des Titels für PC, PS3 und Xbox 360 vorbestellt wurden und in der ersten Woche in Summe 6 bis 7 Millionen Stück über den Ladentisch wandern dürften. Der Vorgänger verkaufte sich bis heute rund 12 Millionen Mal.

Damit würde MW2 sogar Rockstar Games Meilenstein "Grand Theft Auto IV" übertrumpfen, dass sich in der ersten Woche 5,92 Millionen Mal verkaufte. Weltweit soll MW2 in der ersten Woche satte 500 Millionen US-Dollar erwirtschaften - mehr als jedes Spiel, jeder Film, jedes Album oder jedes Buch zum Verkaufsstart jemals generieren konnte.

(Video: Trailer zum Start von Modern Warfare 2)

Zwischen Hype und Boykott

Ohne Frage ist daher auch das mediale und kommerzielle Interesse gewaltig. Während das führende US-Entertainment-Portal IGN sogar das offizielle Launch-Event live übertrug, durchbrachen gleich mehrere Einzelhandelsketten im Vorfeld das Verkaufsembargo. Die Katze aus dem Sack ließen bereits am vergangenen Wochenende einige Filialen des Fachhändlers GameStop - auf Befehl der Unternehmensführung. Wall-Mart zögerte nicht eine Gegenmaßnahme zu setzen und schließlich folgten auch Retailer in UK den Regelbrechern. Keiner will sich das Geschäft entgehen lassen. Zubehörhersteller Mad Catz lanciert extra ein eigenes MW2-Sortiment aus gebrandeten Controllern und Headsets, Microsoft liefert die Xbox 360 im passenden Design aus.

Den absoluten Gegentrend setzen indes Fans der Serie selbst. Nach der Bekanntgabe, dass PC-Spieler auf einige grundlegende Funktionen des Multiplayer-Parts verzichten müssen, wurde in Foren von Fachportalen kurzer Hand zum Boykott aufgerufen, fasst der US-Blog Kotaku zusammen. Für Aufruhr sorgt insbesondere der Verzicht auf Server-gestützte Mehrspielerpartien, was wettbewerbsmäßiges Gaming erschweren würde. 

Lob, Kritik...

Die ersten Kritiken sprechen den Entwicklern indes ein großes Lob aus. MW2 biete eine "unvergleichliche Shooter-Erfahrung, eine spannende Geschichte, ein gutes Paket aus Mini-Missionen und einen Multiplayer, der in Sachen Tiefgang seinesgleichen sucht", urteilt etwa der britische Daily Telegraph. Das deutsche Fachblatt Gamepro.de resümiert, die Entwickler wüssten, "wie man spannende Momente inszeniert". Einzig die repetitiven "Schießbuden-Passagen" zwischendurch würden das Erlebnis etwas trüben. "Als Gesamtwerk gehört Modern Warfare 2 mit an die Shooter-Spitze neben Killzone 2 und anderen", so das Fazit. IGN geht etwas mehr ins Detail: "Jene, die planen alles auszukosten, was Modern Warfare 2 zu bieten hat - Multiplayer, Co-op und Kampagne - müssen über die Anschaffung nicht zweimal nachdenken. Für strikte Einzelspieler jedoch, ist Modern Warfare überraschend kurz geraten und kommt nicht an die Standards heran, die frühere Call of Duty-Spiele gesetzt haben". Eurogamer schlägt in die selbe Kerbe und betont, dass MW2 auf den Erfolgen seiner Vorgänger aufbaut und "sehr wenig tut, um diese auszubauen oder neu zu definieren".

...und Tadel

Technisch und spielerisch stellen die Kritiker MW2 demnach kaum in Frage. Allerdings dürfte die bereits diskutierte Flughafen-Szene die Medienwelt noch länger beschäftigen. Darin lassen die Entwickler den Spieler an einem Terroranschlag teilhaben, bei dem Zivilisten reihenweise abgeschlachtet werden. Selbst die "Entschärfung" der Szene für den deutschen Markt, stimmt die Gemüter nicht friedlich. Hier kann man zwar im Gegensatz zum Original als Spieler keine Zivilisten erschießen, das Spiel toleriert allerdings weiterhin die Tötung von Polizisten. Kotaku moniert, dass das Spiel einen in eine "sehr unangenehme" und "verstörende Lage" bringt. "Obwohl das Level im Kontext betrachtet die Ereignisse im Spiel rechtfertigt, macht dies (das Level) nicht unterhaltsam".

Die Chefredakteure der deutschen Spielemagazine Gamestar und Gamepro widmeten der Thematik einen eigenen Kommentar und gingen mit den Entwicklern dabei hart ins Gericht. "So nachvollziehbar die 'wir zeigen euch das wahre Gesicht des Terrors'-Absicht sein mag, für uns ist sie nur ein Vorwand. Die Flughafen-Sequenz ist eine kalkulierte Provokation - ein PR-Gag, wenn man so will. Spielerischen Nährwert hat sie ohnehin nicht."

Gut kalkuliert

Interessant dabei ist, dass der ansonsten äußerst strenge Jugendschutz Deutschlands, die USK, sonst keine Zensurmaßnahmen verschrieb und dem Spiel dennoch eine Jugendfreigabe von 18 Jahren erteilte. 

Ob kalkulierte Provokation oder einfach nur schockierender Realismus, Modern Warfare 2 wird wohl die wenigsten Spieler kalt lassen. Einen ausführlichen WebStandard-Test lesen sie in den kommenden Tagen.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at. 10.11.2009)