Fekter ihrem Job: "Ich bin die Sicherheits- und Polizeiministerin. Außerdem Gemeindeministerin, Blaulichtministerin sowie Integrations- und Asylministerin."

Foto: CREMER

"Ich betrachte Sicherheit als Grundrecht, im Sinne von Grundbedürfnis der Menschen. Wenn es das nicht gibt, kann sich auch nicht alles andere darauf aufbauen."

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Ihre Aufgabe sei es, Probleme zu lösen. "Wenn man immer nur von einer rosaroten Wolke spricht und lächelnd durch die Lande zieht, wird das nicht gelingen", sagt Innenministerin Maria Fekter im Gespräch mit derStandard.at. Da wäre es nicht überraschend, wenn manche sie als "resch" empfänden, erzählt sie Saskia Jungnikl und Lukas Kapeller.

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derStandard.at: Frau Minister, wir haben uns im Vorfeld mit Aussagen von Ihnen beschäftigt, und abschnittsweise klingt das so: "Österreich soll das sicherste Land der Welt werden", "Es gibt Herkunftstäter"...

Fekter: Herkunftsländer! Habe ich das gesagt oder ist das falsch zitiert worden?

derStandard.at: Sie haben das gesagt.

Fekter: Dann war es ein Versprecher! Es geht um Täter aus bestimmten Herkunftsländern.

derStandard.at: Jedenfalls: Ihre Aussagen erzeugen ein spannungsgeladenes, negatives Klima, oder?

Fekter: Meine Aufgabe ist es, Probleme zu lösen. Und dazu gehört, diese beim Namen zu nennen. Wenn man immer nur von einer rosaroten Wolke spricht und lächelnd durch die Lande zieht, wird das nicht gelingen. Die Kompetenzpalette in meinem Ressort reicht von Mord und Totschlag, Kriminalität bis illegaler Zuwanderung, und die ist nun einmal spannungsgeladen. Deshalb werde ich öfter als direkt oder resch empfunden.

derStandard.at: Asyl-Anwälte sagen, dass Menschen, die den Schutz des Asyls brauchen, gegen Misstrauen und Vorurteile zu kämpfen haben. Eine Stimmung, die Sie miterzeugen.

Fekter: Flüchtlinge - also jene, die verfolgt werden - sind schutzbedürftige Menschen. Aber: Nicht alle Asylwerber sind sind das. Wir haben bedauerlicherweise das Phänomen, dass der überwiegende Anteil der Asylwerber keinen Schutz im Sinne des Asyls benötigt. Das klar zu trennen ist meine Aufgabe. Es gibt jene etwa 23 Prozent, die Hilfe brauchen und jene 77 Prozent, die sich hinein schwindeln und unser System gezielt missbrauchen.

derStandard.at: Aber verstehen Sie, dass Ihre negative Wortwahl eine Stimmung schafft, die sich auf die Menschen überträgt?

Fekter: Ich will an die Schlepperorganisationen die richtigen Worte schicken. Menschenhandel ist weltweit die größte Cash-Cow, noch vor dem Drogenhandel. Für diese Banden dürfen wir nicht länger der attraktivste Markt sein.

derStandard.at: Sie wollen in der Steiermark ein Schubhaftzentrum errichten. In Leoben gab es dazu einen positiven Gemeinderatsbeschluss, nach einer Kampagne des BZÖ einen negativen. Sind Sie da Leidtragende einer Stimmung geworden, die Sie selbst erzeugen?

Fekter: Nein, denn die Leobener haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie diesen mittelständischen Betrieb mit einer Fülle von Arbeitsplätzen nicht in ihrem Stadtgebiet bekommen. Jetzt bin ich zuversichtlich, dass er in Vordernberg stehen wird.

derStandard.at: In Wien hat der Wahlkampf begonnen, das Thema Kriminalität wird eines der wahlentscheidenden sein. Da sind Sie ja die Galionsfigur der ÖVP.

Fekter: Ich bin die Sicherheits- und Polizeiministerin. Außerdem Gemeindeministerin, Blaulichtministerin sowie Integrations- und Asylministerin.

derStandard.at: Stichwort Integration: Es gibt auch bei Migranten, die alles richtig machen, Verschlechterungen. Bei Familien-Nachzug musste ein Ehepaar bisher 1.200 Euro Einkommen nachweisen, jetzt müssen sie dieselbe Summe vorweisen - nach abgezogener Miete. Damit erschwert man doch Integration, ohne die Sicherheit zu verbessern.

Fekter: Wir wollen keinen Zuzug in die Armut zulassen. Wenn wir ganz großzügig eine Zuwanderung zulassen und die Selbstversorgung nicht gewährleistet ist, dann lassen wir Zuwanderung in Armut zu. Und das halte ich nicht für gerechtfertigt.

derStandard.at: Aber dass es einer Familie hilft, wenn Ihre Angehörigen auch da sind, bestreiten Sie nicht, oder?

Fekter: Es ist halt die Aufnahmefähigkeit Österreichs zu prüfen, wenn wir einen Familienzuzug von mehreren Personen haben, die sich nicht selbst erhalten können und wo das Sozialhilfesystem dafür aufkommen muss. Wenn beispielsweise ein Mann über die Fremdarbeitsquote nach Österreich kommt - okay. Dann die Kinder - okay. Dann die Frau - okay. Dann ihre Eltern, dann seine Eltern, dann... Im Rahmen der Familienquote gibt es eine Menge an Mitgliedern, die sich nicht selbst erhalten können. Das in einen Kontext zu bringen, um nicht eine neue Armut einwandern zu lassen, halte ich volkswirtschaftlich für gerechtfertigt.

derStandard.at: Mitte September regte EU-Kommissar Jacques Barrot ein einheitliches Programm zur Neuansiedelung von politischen Flüchtlingen an. Eine Mehrheit der Innenminister macht mit, Österreich nicht. Wo bleibt die europäische Solidarität, die die ÖVP sonst propagiert?

Fekter: Zur europäischen Solidarität bekennt sich Österreich dadurch, dass wir beim Asyl zu den Big-Five in der EU zählen. Deswegen nehmen wir an den jetzigen gezielten Resettlement-Programmen (des Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, Anm.) nicht teil, solange der Asylgerichtshof nicht diesen Rucksack abgebaut hat und wir dieses Miss-Verhältnis haben zwischen Asylwerbern, die einen positiven Bescheid erwarten können und jenen, die unser System ausnützen. Durch das neue Fremdenrecht schließen wir die Hintertür für Missbrauch. Dadurch können wir die Vordertür für Schutzbedürftige und wirklich Verfolgte offen halten.

derStandard.at: Viele Beobachter der europäischen Asylpolitik und auch der zuständige EU-Kommissar Barrot argumentieren, der Migrationsdruck würde durch einheitliche Gesetze letztlich abnehmen, Schlepperbanden würde das Handwerk gelegt werden.

Fekter: Ganz im Gegenteil! Dann kennen Sie die Vorschläge des Herrn Barrot nicht! Er will Asylwerber auf das gleiche Sozialniveau wie Inländer anheben, und zwar vom ersten Tag an. Gleichzeitig sollen sie sofortigen Arbeitsmarkt-Zugang bekommen. Wer ist dann das attraktivste Land in Europa? Wo würden alle Schlepper ihre Leute hinschleppen? Wer hat denn das höchste Sozialniveau?

derStandard.at: Die skandinavischen Staaten.

Fekter: Nein. Im Hinblick auf die Kindergelder, die Gesundheit, die Pensionsvorsorge ist Österreich das Paradies schlechthin. Alle würden nur mehr zu uns strömen, weil Barrot ja auch vorschlägt, dass man nicht mehr im Erst-Land bleiben muss, in das man seinen Fuß setzt, sondern dass man Asyl-Shopping betreiben kann. Ich lehne Barrots Vorschläge mit Vehemenz ab. Da würde niemand in die Slowakei, nach Ungarn, nach Bulgarien wollen, wenige nach Spanien. Und bis hinauf nach Skandinavien werden sie nicht kommen.

derStandard.at: Frankreich hat versprochen, rund 90 Personen aufzunehmen. Es gibt Asyl-Anwälte, die sagen, Sie wagen es nicht einmal, hundert politische Flüchtlinge aufzunehmen, weil Sie Angst hätten, dass Strache Sie "in der Luft zerreißt".

Fekter: Wir fahren da eine ganz klare, mittelfristige Linie, von der ich nicht abweiche. Wir müssen jetzt unseren Rucksack an Asyl-Fällen abbauen. Wir sind jenes Land, wohin die meisten Flüchtlinge aus dem Osten geschleppt werden. Wir müssen bei dieser Problematik unsere Hausaufgabe machen, bevor wir gezielt Flüchtlinge aus Syrien, Somalia, Jordanien oder aus dem Irak aufnehmen würden.

derStandard.at: Sie sagten in Brüssel, ein österreichisches Engagement in der Mittelmeer-Region hätte keine Priorität. Sollen Italien und Griechenland die Flut an Bootsflüchtlingen alleine bewältigen?

Fekter: Spanien verlässt sich darauf, dass wir die Länder im Osten betreuen. Es hat sich bewährt, dass die einzelnen Regionen ihren Nachbarn helfen. Zu glauben, mit der Gießkanne kann man überall flattern, ist ineffizient.

derStandard.at: Der besagte "Rucksack" der alten Asyl-Fälle sollte laut Ankündigung des Asylgerichtshofes bis Ende 2010 abgebaut sein. Beim Treffen der EU-Innenminister sagten Sie, es dauere noch drei Jahre. Haben Sie die Frist aufgegeben?

Fekter: Wir sehen in der Statistik, dass etwa 7000 Fälle pro Jahr abgebaut werden können. Wenn man sieht, dass wir jetzt noch 21.000 Fälle im Rucksack haben, dann kommen bei mir drei Jahre heraus. Ich bin froh, wenn es früher ist.

derStandard.at: Der frühere ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon meint sinngemäß, die Asylanwälte seien gar nicht unglücklich über ein schlechtes Fremdenrecht, weil sie dann mehr Aufträge bekämen. Sehen Sie das auch so?

Fekter: Es ist leider in der Vergangenheit schon so gewesen, dass die Rechtsberatung unabhängig davon finanziert wurde, was herauskommt. Jemand, der über drei Jahre - noch Folgeanträge, noch Folgeanträge, noch Folgeanträge - dieselbe Person beraten hat, verdiente als Beratungsanwalt am Meisten. Mehr als ein Anwalt, der den Menschen ehrlich gesagt hat, es geht oder es geht nicht. Da gab es schon welche, die sich selber vom Geld ein bisschen was abgeschnitten haben.

derStandard.at: Wie viele Einbußen an persönlicher Freiheit müssen Ihrer Meinung nach drinnen sein, wenn es um mehr Sicherheit geht?

Fekter: Ich betrachte Sicherheit als Grundrecht, im Sinne von Grundbedürfnis der Menschen. Wenn es das nicht gibt, kann sich alles andere auch nicht darauf aufbauen, unter anderem die Selbstverwirklichung.

derStandard.at: Eines Ihrer zentralen Projekte ist, dass bei Migranten ein "Wir-Gefühl" entsteht. Sind Sie da aufgrund Ihrer Rhetorik und Ihres Ressorts nicht die Falsche?

Fekter: Grundsätzlich nein, denn ich bin die Integrationsministerin. Aber es ist auch ein Irrtum zu glauben, dass Integration von einer ministeriellen Spitze ausgehen kann. Da verkennt man die Realität total. Integration kann nicht von oben verordnet werden, Integration muss von unten wachsen. (Saskia Jungnikl und Lukas Kapeller, derStandard.at, 1.10.2009)