"Ich habe mich ein halbes Jahr lang bemüht, dass alle Partner bereit sind, daran zu arbeiten. Dann lass ich mir das nicht von einem Zahlenfuchser zerstören", antwortet Gesundheitsminister Stöger dem Vizekanzler, Josef Pröll.

Foto: derStandard.at/Rosa Winkler-Hermaden

"Das ist der blanke Populismus, weil die oberösterreichische Gebietskrankenkasse durch die Maßnahmen massiv entlastet worden ist", entgegnet Stöger den möglichen Verfassungsklagen von Vorarlberg und Oberösterreich, bei denen er siegessicher ist.

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Die Spannungen innerhalb der Koalition gehören für Stöger dazu: "In der Politik herrscht immer ein rauer Wind. Es geht ums ringen, was ist für die Bevölkerung gut. Wir ringen hier durchaus engagiert und versuchen gute Lösungen zu erarbeiten und das ist ja gut so."

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"Wir können das Kassenpaket finanzieren, wenn wir wollen", sagt Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) im Interview mit derStandard.at. Er kritisiert Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), der die vorgeschlagenen Einsparmaßnahmen als zu wenig konkret bezeichnet und damit das Kassenpaket gestoppt hat.

Stöger jedoch findet das Paket "ambitioniert" und verteidigt Hauptverband und Ärztekammer: "Das ist nicht aus Jux und Tollerei gemacht worden." Er glaubt auch an eine Realisierung des Projektes, allerdings werde sich der Beschluss nicht mehr vor dem Sommer ausgehen: "Es wird Herbst werden." Die Fragen stellten Sebastian Pumberger und Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Herr Minister, Sie kommen gerade vom Treffen mit Bundeskanzler Faymann und Vertretern von Ärztekammer und Sozialversicherung. Ist man einer Einigung beim Kassenpaket einen Schritt näher gekommen?

Stöger: Grundsätzlich ist heute vom Bundeskanzler sehr deutlich gemacht worden, dass es das Interesse der gesamten Bundesregierung ist, dieses Gesundheitskonzept auch umzusetzen. Er hat sehr deutlich gesagt, dass das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Ärztekammer und Hauptverband ein gutes ist.

derStandard.at: Haben Sie sich auf einen konkreten Zeitplan einigen können? Das Paket sollte ja eigentlich beim Ministerrat noch im Juli abgesegnet werden. Geht sich das noch aus?

Stöger: Es werden Verhandlungen zwischen dem Wirtschaftsminister und mir stattfinden, wo wir die Vorlage für die Abnahme des Konzeptes vereinbaren.

derStandard.at: Der Bundeskanzler hat heute nach dem Treffen gesagt, es wird Herbst werden.

Stöger: Da geht es um die Gesamtmaßnahme. Es gibt noch einige gesetzliche Begleitmaßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Es ist logisch, dass es Herbst werden wird.

derStandard.at: Sie haben das Konzept zur Kassensanierung in einer ersten Reaktion als großen Schritt gelobt. Finanzminister Josef Pröll zeigte sich weniger begeistert. Für ihn sind die Einsparungen nicht hoch genug und einzelne Punkte im Paket verursachen Mehrkosten. Wie schätzen sie die Berechnungen des Hauptverbandes ein? Sind diese realistisch?

Stöger: Das entscheidende sind nicht die Kosten, sondern was man getan hat: Ärztekammer und Sozialversicherung sind bereit gewesen, in einen Prozess einzusteigen und gemeinsame Verantwortung für Folgekosten zu übernehmen. Das ist viel bedeutsamer als die Frage, ob es 50 Cent oder 100 Cent ausmacht. Das ist den Menschen egal. Die richtige Versorgung zu organisieren - soweit waren wir noch nie. Insofern ist das Paket ein gutes.

derStandard.at: Können Sie mit Mehrkosten leben?

Stöger: Nocheinmal: Es geht um Gesundheit und nicht um Zahlenfuchserei. Mir ist wichtig, dass die Menschen Gesundheitsleistungen bekommen und zwar hochqualitative. Die werden in den Arztordinationen bei den Menschen erbracht. Es ist entscheidend, zu Einsparungspotenzialen zu kommen und die richtige Qualität einzubringen. Das brauchen die Leute.

derStandard.at: Aber irgendwo muss man ja eine Grenze ziehen. Man kann ja nicht unendlich viel Geld ausgeben. Wenn Pröll sagt, so und so viel Geld ist da ...

Stöger: ... dann soll er sagen, wo er bei den Menschen die Grenze ziehen will. Ich sage das nicht. Ich glaube, dass die ÖsterreicherInnen ein Recht auf gute Versorgung haben. Ich habe mich ein halbes Jahr lang bemüht, dass alle Partner bereit sind, daran zu arbeiten. Dann lass ich mir das nicht von einem Zahlenfuchser zerstören. So einfach ist es.

Der Hauptverband und die Ärztekammer haben ein ambitioniertes Programm vorgelegt. Das ist nicht aus Jux und Tollerei gemacht worden. Ob das auf Punkt, Beistrich und Komma erreichbar sein wird, ist ein Nebenthema. Das sind Prognosezahlen. Das entscheidende ist, sie haben einen Prozess in Gang gesetzt und sind bereit, den Prozess zu tragen. Davon haben die Leute was.

derStandard.at: Sehen Sie das als Ihren Erfolg an, dass alle bereit sind, zu reden?

Stöger: Es ist ein Erfolg, weil ich die Partner ernst nehme. Wenn ich die Partner ernst nehme, dann glaub ich auch an ihre ernsthafte Arbeit. Und ich stelle sie auch nicht in Frage, das sind Experten, die das System in den letzten Jahren gut geführt haben. Ich habe keine Veranlassung, das schlecht zu reden.

derStandard.at: Es wurde gemutmaßt, dass die ÖVP Ihnen keinen Erfolg gönnen will. Ist da was dran?

Stöger: Mir geht es nicht um meinen Erfolg. Mein Auftrag ist es, eine gute Versorgung für das österreichische Gesundheitswesen zustande zu bringen. Dafür kämpfe ich. Wir können das finanzieren, wenn wir wollen.

derStandard.at: Weht ein rauer Wind in der Koalition?

Stöger: In der Politik herrscht immer ein rauer Wind. Es geht ums Ringen darüber, was für die Bevölkerung gut ist. Wir ringen hier durchaus engagiert und versuchen gute Lösungen zu erarbeiten und das ist ja gut so.

derStandard.at: Oberösterreich und Vorarlberg streben Verfassungsklagen an, weil sie sich gegenüber der Wiener Gebietskrankenkasse finanziell benachteiligt fühlen. Wie sehen Sie diesem Verfahren entgegen?

Stöger: Meine Juristen sagen mir, dass der Vorschlag, den der Nationalrat beschlossen hat, rechtskonform ist. Ich gehe davon aus, dass die Entscheidungen zu unseren Gunsten ausgehen werden. Ich glaube man muss deutlich sagen, wenn man entschuldet, können nur jene etwas bekommen, die auch noch Schulden haben. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat Schulden beim Katastrophenfonds gehabt und ist entschuldet worden. Das war der klare Auftrag. Die anderen Kassen, die entschuldet werden oder einen Beitrag zu ihrer Entschuldung bekommen, haben auch Schulden. Und diejenigen, die keine Schulden haben, bekommen nichts.

derStandard.at: Sehen sie die angekündigten Verfassungsklagen auch schon als Vorzeichen für die Landtagswahlen?

Stöger: Ganz sicher. Das begründet sich aus dem Wahlkampf heraus, die Entscheidung wird wahrscheinlich aber erst nach der Landtagswahl stattfinden.

derStandard.at: Es finden auch in ihrem Heimatbundesland Oberösterreich Landtagswahlen statt. Welche Chancen rechnen sie sich für die SPÖ aus?

Stöger: Gute, weil der Wähler diese populistische Art, den Verfassungsgerichtshof in Anspruch zu nehmen, durchschaut. Das ist der blanke Populismus, weil die oberösterreichische Gebietskrankenkasse durch die Maßnahmen massiv entlastet worden ist. Für die oberösterreichische Gebietskrankenkasse ist sicher gestellt worden, das sie zusätzliches Geld ins Gesamtsystem gibt. Das hat es bisher seit bestehen der Krankenversicherung nicht gegeben. Ich bin der erste Gesundheitsminister, der es schafft, dass auch direkt Geld durch den Kassenstrukturfonds in das System Krankenversicherung für Arbeiter und Angestellte kommt. (derStandard.at, 3.7.2009)