Wien - Das Thema Gesundheitsreform lässt wieder einmal die Wogen hochgehen. Wie DER STANDARD berichtete, wollen Ärztekammer und Krankenkassen in Zukunft Pharmawerbung eindämmen. Hintergrund für die Überlegungen ist, dass in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe aufgetaucht sind, die Ärzte würden sich durch Werbung oder finanzielle Zuwendungen (etwa Einladungen) bei der Auswahl der Medikamente beeinflussen lassen.

Deshalb wird nun angeregt, die steuerliche Absetzbarkeit von Marketingausgaben einzuschränken. Die Hersteller von Medikamenten sollen auch verpflichtet werden, ihre Zuwendungen an Ärzte, Krankenhäuser oder Apotheken im Internet offenzulegen. Auch bestehende Werbemöglichkeiten bei der Ärztesoftware sollen eingeschränkt werden.

Reform zu Lasten Dritter

Für die Interessenvertretung Pharmig sind die Vorschläge ein "Affront". Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber spricht gar von "postkommunistischem Gedankengut". "In Nordkorea gibt's auch kein Marketing und keinen Vertrieb. Wir leben aber in einer sozialen Marktwirtschaft" , sagte Huber zum STANDARD. Er verweist darauf, dass es für rezeptpflichtige Medikamente in Österreich ohnehin keine Werbung gebe. Und Informationen an Ärzte und Apotheker sind für ihn "keine Werbung" . Huber kritisierte auch, dass Ärzte und Kassen "zu Lasten Dritter Vorschläge machen". Er fordert daher die Einbindung der Pharmaindustrie in die Verhandlungen.

Nicht wirklich überzeugt von den Überlegungen ist auch der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Der Versuch, Werbeausgaben einschränken zu wollen, sei in Zeiten der Globalisierung "Wunschdenken" , sagte er im STANDARD-Gespräch. Ein internationaler Konzern - und Pharmafirmen sind in der Regel international tätig - habe zahlreiche Möglichkeiten, das zu umgehen. "Wenn er in Wien eine Veranstaltung macht, rechnet er sie halt in München ab." Aber auch die Forschungsausgaben, an die die steuerliche Absetzbarkeit geknüpft werden soll, könnten zwischen den Ländern verschoben werden, sagt Pichlbauer. Er glaubt daher nicht, dass man den Vorschlag "auf den Boden bringen wird". "Ich sehe da mehr Kontrollwahn und Planwirtschaft dahinter."

Keinen großen Effekt erwartet der Ökonom auch vom Vorschlag, bei Generika-Medikamenten eine geringere Rezeptgebühr zu verrechnen. Generika sind billigere, wirkstoffgleiche Medikamenten-Kopien. Im letzten Jahr waren rund ein Fünftel aller verschriebenen Arzneien Generika. Ihr Anteil hat sich somit in den letzten Jahren deutlich erhöht, ist aber im internationalen Vergleich noch immer recht bescheiden.

Grundsätzlich sei ein weiterer Ausbau auch zu begrüßen, meint Pichlbauer. Allerdings: Da Originalmedikamente in Österreich verhältnismäßig billig und Generika verhältnismäßig teuer seien, sei der Unterschied nicht mehr sehr groß. Er glaubt daher nicht, dass man ein allzu großes Sparpotenzial erreichen kann. Vor allem, weil die Krankenkassen gleichzeitig weniger Geld durch die Rezeptgebühr einnehmen würden. Pharmig-Generalsekretär Huber glaubt ebenfalls, dass eine differenzierte Rezeptgebühr nur zu einer weiteren Einnahmensenkung der Krankenkassen führen würde.

Im Vorjahr haben die Kassen durch die Rezeptgebühren (4,90 Euro pro Medikament) 381 Millionen Euro lukriert. Die Verhandler von Ärztekammer und Sozialversicherung erwarten sich aber sehr wohl einen positiven Effekt, konkrete Zahlen wurden im Verhandlungspapier aber nicht genannt.

Minister abwartend

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), der das Papier in Auftrag gegeben hat, wollte sich am Mittwoch nicht äußern. Er wartet die offizielle Übergabe kommende Woche ab. In der Vergangenheit hatte der Minister aber ebenfalls Präferenzen für ein gestaffeltes Rezeptgebühr-Modell erkennen lassen. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger hält sich bei der Einschätzung konkreter Vorschläge zwar ebenfalls noch zurück, bezeichnet es aber als "sehr positiv" , dass erstmals ein wirklicher Diskussionsprozess zwischen Ärzten und Krankenkassen stattgefunden habe. Im Vorjahr waren die Reformpläne der Sozialpartner für das Gesundheitswesen ja noch auf erbitterten Widerstand der Ärzteschaft gestoßen. Sogar Protestveranstaltungen wurden abgehalten.

Dieses Mal dürften die Ärzte nicht zu den großen Verlierern der Reform zählen. Offenbar sollen auch neue Kooperationsmodelle und Gesellschaftsformen für Ärzte geschaffen werden. Am Mittwoch wurde dem Vernehmen nach über die letzten diesbezüglichen Details verhandelt. Auch die Gesundheitsreferenten der Bundesländer haben ihre Unterstützung für die Schaffung von "bedarfsgerechten Ärztegesellschaften" angekündigt.

Darüber hinaus haben die Ärzte eine "interessenunabhängige Fortbildung" zugesagt. Die Umsetzung soll ebenso bis Ende 2009 erfolgen wie die Planung von neuen Ärzte-Stellenplänen. Gearbeitet wird auch an einem "Strukturtopf" , über den "Stilllegungsprämien" an Ärzte, die ihre Praxis zusperren, bezahlt werden sollen. Bereits bekannt war, dass die Sozialversicherung bei der Qualitätsprüfung der Ärzte stärker eingebunden wird.

Für Ärzte mit Hausapotheke interessant: Da sie durch die geplante Senkung der Spannen im Großhandel und für Apotheken finanziell unter Druck geraten würden, wird eine gesetzliche Regelung für die Einkaufsbedingungen der ärztlichen Hausapotheken" auf dem Niveau der öffentlichen Apotheken" vorgeschlagen. (Günther Oswald/DER STANDARD-Printausgabe, 18. Juni 2009)