Die Einstellungen zu Fremden, Fremdem und generell Internationalem sind distanziert bis feindlich." Diese Beschreibung eines Trends, den die Autoren der Wertestudie im Laufe des vergangenen Jahrzehnts festgestellt haben, lässt keine Fragen offen: Die große Welt ist die Sache der Österreicher nicht, was für sie zählt, ist das, was nahe liegt und überschaubar ist. Anderen mag die Welt ein Dorf sein, ihnen ist das Dorf die Welt - Hoamatl statt Globalisierung, sozusagen.

Die durchgängige Skepsis gegenüber dem Anderen bedingt ein enormes Misstrauen gegenüber internationalen Organisationen: Uno, Nato und EU kommen bei den Österreichern schlecht weg, die Europäische Union wird dabei schlicht als Ausland wahrgenommen. Ferner heißt es in der Studie, lege ein hoher Prozentsatz von "Weiß nicht" -Angaben nahe, dass die Österreicher eine "ausgeprägte Beziehungslosigkeit und/oder Indifferenz gegenüber internationalen Organisationen" erkennen lassen.

Zwar wollen vier Fünftel der Österreicher nicht aus der EU austreten, für viele Probleme bevorzugen sie eine "Österreich-Lösung" statt einer gemeinschaftlichen Vorgehensweise in Brüssel. Bemerkenswert ist auch der mit "Binnenorientierung" nobel umschriebene Provinzialismus hierzulande: 61 Prozent der Befragten haben keinerlei persönliche Beziehungen zu Menschen aus den EU-Ländern, 86 Prozent pflegen keine beruflichen oder wirtschaftlichen Beziehungen und 89 Prozent haben nie in einem anderen EU-Land studiert oder gearbeitet - für ein Land, das sich als eine der ersten Tourismusnationen weltweit versteht, sind das bemerkenswerte Daten.

Umgekehrt sind 84 Prozent der Österreicher stolz auf ihre Staatszugehörigkeit. Im Vergleich mit anderen Ländern ist das ein deutlich höherer Wert. Und hier gibt es über die Jahre auch keine Veränderung. Was sich allerdings gewandelt hat, ist, dass es heute keinen Zusammenhang mehr zwischen Österreicherstolz, autoritärer Gesinnung und gleichzeitiger Zufriedenheit mit dem politischen System hierzulande gibt. Heute gilt eher: Je rechter und ausländerfeindlicher eine Person ist, desto patriotischer ist sie auch.

Ein neuer Trend in den vergangenen zehn Jahren ist auch, dass "der österreichische Nationalstolz in vermehrten Ausmaß am Heimatgefühl der Österreicher und Österreicherinnen hängt" . Ungeachtet der Altersgruppe, sozialen Schicht oder Bildung seien die Befragten "sehr regional orientiert" , heißt es in der Wertestudie.

Die Konsequenzen, die sich daraus für die Politik ergeben, sind sattsam bekannt: Ausländerfeindlichkeit und die Gegnerschaft zu allem Fremden prägen die hiesigen Verhältnisse - und zwar "nicht nur die alltagspolitische Polemik, sondern auch die grundsätzliche politische Haltung der Menschen massiver und nachhaltiger als bisher vermutet" . Alimentiert aus Misstrauen gegenüber der Politik, persönlichem Unbehagen gegenüber Fremdem, materialistischen und autoritären Motivationen sowie der Abwehr aller gesellschaftlichen Veränderungen wird Xenophobie quasi zu einer überschaubaren Konstante in einem sich immer schneller drehenden und verändernden Weltlauf.

Gegen diese Geisteshaltung fordern die Autoren der Wertestudie dringend, eine "emotionale Ent-Grenzung" , die "Autonomieillusionen" aufgibt und eine de facto bereits gelebte Internationalität auch zur Kenntnis nimmt. Als Ziel geben sie ein entspanntes nationales Selbstbewusstsein aus, das die Österreicher ins Vermögen setzt, die zukünftig transnationale Politik auch mitzugestalten. Bis das - nach dieser Datenlage zu schließen - allerdings soweit sein mag, sind die Forscher vermutlich doch noch gezwungen, für einige Dekaden in den Österreichern herumzustierln. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 15.6.2009)