Wien - Badeteichsiedlung, Jettsdorf: Die Adresse klingt nicht gerade nach großer, weiter Wirtschaftswelt. Doch von diesem Firmensitz aus spannt sich ein weit verzweigtes Netz an Unternehmensbeteiligungen. Geknüpft hat es ein prominenter Politiker: Ernst Strasser.

Der ÖVP-Spitzenkandidat für die Europawahlen spricht ungern über sein Unternehmerleben, das im Jahr 2005, nach seinem Abgang als Innenminister, begonnen hat. "Er will den Job klar von der Politik trennen" , sagt der Anwalt Werner Suppan, auf den Strassers Büro für Auskünfte verweist: "Er wird auch jede operative Tätigkeit einstellen." Ergo: Strasser werde weder Geschäfte führen, den Berater spielen noch sonstige Aktivitäten entwickeln.

Nicht aufgeben wird er aber seine vielen Beteiligungen. Diese muss Strasser als Europaabgeordneter im Internet offenlegen, damit sich jeder Bürger ein Bild machen kann, ob der Volksvertreter nur seinen Wählern oder auch anderen Interessen verpflichtet sein könnte. Der Standard bietet schon jetzt einen Überblick über Strassers geheimnisvolle Aktivitäten.

  • Coaching & Consulting "Kern seiner unternehmerischen Tätigkeit" (Suppan) ist die Consulting, Coaching & Educating-GesmbH, kurz CCE. Über dieses im Juli 2005 gegründete Ein-Mann-Unternehmen hält Strasser seine Beteiligungen. Für die ersten zwei Jahre verbucht die CCE einen Bilanzgewinn von rund 380.000 Euro, jüngere Daten fehlen im Firmenbuch.
  • Liberale Liaison Als Innenminister war Strasser Lieblingsgegner liberaler Politiker - nach seinem Rücktritt blieb von den Feindseligkeiten nichts über. Seit Februar 2007 ist Strassers CCE zu 49 Prozent an der ZSA Strategy Consultants GmbH, vormals Eurocontact Consulting GmbH, beteiligt. 24 Prozent an der ZSA hält Ex-Liberalen-Chef Alexander Zach, 49 Prozent eine AZH Beteiligungs GmbH, vormals Eurocontact Holding. Deren Geschäftsführer ist Zoltan Aczel, ehemals rechte Hand Zachs bei den Liberalen. ZSA und AZH verfügen über dieselbe Adresse in der Wiener Porzellangasse. So weit, so gut für Strasser - und nicht weiter erwähnenswert bei einem "Lobbyisten für eh fast alles" (profil).

Wäre da nicht ein gewisses Image-Problem, verbunden mit dem Namen Eurocontact. Die Staatsanwälte in Wien und Budapest ermitteln wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen an ungarische Politiker, mit dem Ziel, Autobahn-Bauaufträge für den Strabag-Konzern des Liberalen-Doyens Hans Peter Haselsteiner zu ergattern. Die Ermittlungen betreffen die Autobahn M5 sowie die Budapester Stadtautobahn in den Jahren vor 2005 - als Strasser mit der Eurocontact-Gruppe nichts (Offizielles) zu tun hatte.

Allerdings: Zum Jahreswechsel 2006/2007 wurde das zweite Teilstück der Autobahn M6 ausgeschrieben. Strassers ZSA-Geschäftspartner Aczel war beim ungarischen Wirtschaftsminister vorstellig - und die Strabag erhielt im November 2007 den Auftrag. Ob auch hier der Verdacht auf Schmiergeld bestehe? Walter Geyer, Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft, zum Standard: "Wir prüfen gerade, ob es hier zu Ermittlungen kommen wird." Es gilt die Unschuldsvermutung. Strassers Rechtsvertreter Suppan versichert: "Die ZSA hat nichts mit Strabag-Geschäften in Ungarn zu tun."

  • Türöffner Persönlich eingestiegen ist Strasser 2007 bei der CIN Consult, die - so Geschäftsführer Thomas Havranek - auf "Risikomanagement" spezialisiert ist: Die CIN durchleuchtet für Klienten potentielle Geschäftspartner, versucht Fallen aufzuspüren und Betriebsspionage auszuschalten. Der Beitrag des Gesellschafters Strasser? "Sein Netzwerk" , sagt Havranek: "Er eröffnet uns Zugang zu Kunden, den wir so nicht hätten." Künftig auch als Europaabgeordneter? Anwalt Suppan: "Strasser wird kein Lobbying betreiben."
  • Ölgeschäft Mit Partnern wie Starkoch Toni Mörwald partizipiert Strassers CCE an der Business Consulting & Development GmbH, die Leckereien aus dem Nahen Osten, etwa syrisches Olivenöl, importieren wollte. Was daraus geworden ist? "Gar nix" , sagt Mörwald.
  • Russland-Connection Anteile hält die CCE auch an den Firmen Advisory Partners (Innsbruck), Konti Holding und Expert Management Beratung Russia (beide Wien). Über deren Wirken schweigt sich Suppan aus, das Firmenbuch legt Verbindungen nach Russland nahe. Passend: Strasser sitzt der russisch-österreichischen Freundschaftsgesellschaft vor.
  • Aufpasser Platz fand Strasser in den Aufsichtsräten des Sicherheitsdienstes G4S und der Rail-Holding AG, hinter der Baulöwe Haselsteiner (Strabag) und Ex-ÖBB-Manager Stefan Wehinger stehen. Ziel ist eine private Zuglinie auf der Westbahnstrecke.
  • Medienmix Strasser ist an der Wiener Dependance der PR-Agentur hofherr.communications beteiligt, die seinen Wahlkampf-Betreuer Jürgen Beilein als "Volunteer" (Strasser) stellt. Außerdem berät er die Moser-Holding, der etwa die Tiroler Tageszeitung gehört. Sollte Strasser im EU-Parlament mit dem Thema Medien zu tun haben, will er diesen Job aber aufgeben.
  • Investmentideen Von 2005 bis November 2008 stand Strasser in Diensten von Vienna Capital Partners (VCP), um Investitionen in osteuropäische Kraftwerke einzufädeln. Man munkelt von einem Jahresfixum von 200.000 Euro. Verlässliche Quellen versichern dem Standard freilich: Seine Arbeit habe bei VCP keine bleibenden Spuren hinterlassen. (Gerald John, Petra Stuiber/ DER STANDARD-Printausgabe, 30./31.5./1.6. 2009)