Foto: Anita Zielina

Der österreichische EU-Wähler, das unbekannte Wesen: Ihn an die Urne zu bringen, lässt Parteistrategen grübeln.

Foto: Anita Zielina

Die Europa-Wahl am 7. Juni zeitigt nicht nur interne Kämpfe um zugkräftige Spitzenkandidaten. Die Parteien feilen auch schon an den Strategien für den Wahlkampf. Während sich SPÖ und ÖVP die Favoritenrolle gegenseitig zuschieben, gibt sich die Opposition demonstrativ optimistisch. Eines haben die Parteistrategen verinnerlicht: Im EU-kritischen Österreich braucht es reichlich Fingerspitzengefühl. Ein derStandard.at-Überblick zu den Kampagnen der Parteien.

SPÖ: Gegengewicht zum "Neoliberalismus"

Grundsätzlich pro EU, aber mehr soziale Wärme gefordert: So lässt sich die Wahlkampflinie der SPÖ zusammenfassen. Die Unterschiede zur ÖVP seien da "schon gewaltig", gibt der für den SPÖ-Wahlkampf zuständige Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter die sozialpolitisch kritische Linie vor. SPÖ oder ÖVP, diese Frage sei auf EU-Ebene "eine Richtungsentscheidung", sagt Kräuter zu derStandard.at. Kritik an der EU übt er etwa bei den Finanzmärkten, die eine Neuordnung bräuchten. Auch die Einkommen müssten künftig gerechter verteilt werden.

Im roten Wahlkampf sollen diesmal die zahlreichen Vorfeldorganisationen stark eingebunden werden. Vor allem Jungwähler und Senioren will die SPÖ so mobilisieren, berichtete die "Presse". Diese Strategie will Kräuter nicht direkt bestätigen, es würden alle möglichen Organisationen mitarbeiten, von den "Kinderfreunden" bis zum Pensionistenverband.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es auch, die SPÖ fokussiere den Wahlkampf auf die Steiermark, Oberösterreich und Niederösterreich. Ein starkes Engagement in den drei bevölkerungsreichen Bundesländern bestreitet Kräuter zwar nicht, die SPÖ werde aber in allen Bundesländern „möglichst in jeder Stadt und jedem Ort präsent sein". Dass die SPÖ einen populistischen Kurs fahre, sieht er freilich nicht so. Bei der EU sei die SPÖ grundsätzlich "leidenschaftlich dabei", in der Sozialpolitik aber mit vielem nicht einverstanden.

ÖVP: "Letzte pro-europäische Partei"

Die ÖVP hebt aus diesem Grund ihre Rolle "als einzige und letzte pro-europäische Partei" hervor. Kompetenz, Verlässlichkeit und Erfahrung will die ÖVP im Wahlkampf ausstrahlen. "In den letzten 15 Jahren war es immer die ÖVP, die auf europäischer Ebene für die Menschen in Österreich etwas herausgeholt hat", heißt es aus dem Büro von Generalsekretär Fritz Kaltenegger zu derStandard.at.

Als Favorit sehe man sich diesmal jedenfalls nicht, nur als erster Herausforderer der SPÖ. Als klarer Fürsprecher der Union mache sich die ÖVP keine Sorgen, dass diese Botschaft vom Wähler nicht verstanden werde. "Die anderen Parteien haben da viel größere Probleme, sich zu unterscheiden", sagt ein ÖVP-Sprecher.  Zum "Pool der 'Ja aber'-Sager" seien mit der Kandidatur von Ulrike Lunacek mittlerweile auch die Grünen zu zählen.

Grüne fordern "radikalen Kurswechsel"

Spitzenkandidatin Lunacek sieht das naturgemäß anders. "Die ÖVP hat sich mein politisches Profil halt noch nicht angeschaut", sagt sie zu derStandard.at. Natürlich trete sie für ein starkes Europa ein, nicht umsonst sei sie seit drei Jahren Vorsitzende der Europäischen Grünen. Aber: Die kommende Wahl werde entscheiden, ob die EU in wesentlichen Fragen "neoliberal und konservativ bleibt. Dafür steht die ÖVP." Die Volkspartei zähle mit ihrer Politik sogar zu den Verursachern der Krise, kritisiert Lunacek und fordert "einen radikalen Kurswechsel im Wirtschaftsbereich". Dafür brauche es aber neue Mehrheiten im europäischen Parlament.

Die Negativ-Stimmung in Österreich wolle sie konstruktiv nützen und auf konkrete Probleme münzen. Als Zielpublikum nennt Lunacek "kritische, aber engagierte Bürger". Am Wahlziel von zumindest 13 Prozent und zwei Mandaten wird nicht mehr gerüttelt. Die EU-Wahl gilt auch als Bewährungsprobe für den eben angelobten Kommunikationschef Oliver Korschil.

FPÖ mit "Sonderstellung"

Die FPÖ wird der EU auch in diesem Wahlkampf ein herzhaftes "Nein danke" entgegenschleudern. "Wir unterscheiden uns in wesentlichen Punkten von allen Parteien", sieht Wahlkampfleiter Herbert Kickl eine "Sonderstellung im positiven Sinne". Diesmal werde auch die Wirtschaftspolitik eine zentrale Rolle im Wahlkampf spielen. Da sei "die EU Teil des Problems und nicht Schutzschirm", sagt Kickl.

Andreas Mölzer wurde als Spitzenmann schon früh präsentiert, die anderen Kandidaten kämen bis Ostern dazu, sagt Kickl. Er habe "ein ganz eigenes Wahlkampfkonzept", das er nicht verrate. Die Strategie sei jedenfalls 2005 "am Modellfall Wien erprobt" und werde seither von Wahl zu Wahl nachgeschärft. Keine Angst hat er vor den anderen EU-Opponenten: Das BZÖ und Libertas - jene irisch geprägte Partei, die den EU-Vertrag ablehnt - seien für ihn "politische Obskuranten". Während Parteichef Heinz-Christian Strache 15 bis 30 Prozent als Wahlziel nannte, gibt sich Kickl bescheiden: Hauptsache zweistellig.

Petzner "verrät Rezepte nicht"

Im BZÖ konzentriert man sich auf die Konfrontation mit der FPÖ. Der schon in Kärnten erfolgreiche Kampagnenleiter Stefan Petzner muss den Freiheitlichen als Anti-EU-Partei Terrain nehmen. Der Einzug ins EU-Parlament mit "mindestens einem Mandat" sei "absolut realistisch", sagt Petzner zu derStandard.at. Über Wahlkampfthemen wie auch über einen möglichen Spitzenkandidaten Ewald Stadler schweigt er. Gegen die Dominanz der FPÖ als EU-Bekämpfer habe er jedenfalls ein Rezept - das er aber noch nicht preisgeben will. Seine Kampagne sei weitgehend ausgearbeitet. Aber: "Ein guter Koch verrät seine Rezepte nicht."

Wahlkämpfen werden die Orangen jedenfalls in allen neun Bundesländern. Petzner: "Wir sind ja eine Bundespartei." Persönliches Detail: Beim Wahlkampfleiter des Hauptgegners FPÖ, Generalsekretär Kickl, hat Petzner das Fach Kampagnentechnik gelernt. Das Duell mit dem früheren Lehrmeister nimmt Petzner gelassen: "Er ist ein sehr guter Wahlkämpfer, aber das bin ich auch."

Der Erfolg der beiden Rechtsparteien wird aber auch vom Antreten des bekannten EU-Gegners und (nur von der "Kronen Zeitung" unterstützten) Einzelkämpfers Hans-Peter Martin abhängen. Der hüllt sich zu einer neuerlichen Kandidatur bis heute in Schweigen.

Wie die verbalen Stellungskriege beim Wahlvolk tatsächlich ankommen, bleibt abzuwarten. 2004 lag die Wahlbeteiligung bei 42,4 Prozent. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 24.3.2009)