Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Herausgeber), Globale Armutsbekämpfung - ein Trojanisches Pferd?: Auswege aus der Armutsspirale oder westliche Kriegsstrategien? (Wien, Münster, 2008)

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Foto: Lit

"Ich fürchte die Danaer, selbst wenn sie Geschenke bringen", heißt es in der griechischen Mythologie. Laokoon, ein Priester des Apollon, warnte die Trojaner davor, das Geschenk der Danaer in die Stadt zu ziehen: das Geschenk ist bis heute bekannt: das trojanische Pferd.

Für viele NGOs, Entwicklungsexperten und -helfer ähnelt die globale Entwicklungszusammenarbeit diesem Holzross: Sie bringt Geschenke, Darlehen und Kredite; doch statt Armut in den Ländern des Südens zu beseitigen, bleibt sie, vergrößert sich oder lässt die Menschen des Südens weiter in der Armutsspirale. 

Fest steht, auch die globale Entwicklungszusammenarbeit kann Armut nicht beseitigen. Denn die Zwischenbilanzen der Milleniumsziele der Vereinten Nationen zeigen: das Ziel, die Zahl der Armen, die täglich von weniger als einem US-Dollar leben, bis 2015 zu halbieren, nach wie vor in weiter Ferne. Resultate dieser Misere sind unter anderem Kriege, gewalttätige Konflikte oder Flucht in den vermeintlichen goldenen Westen. 

Die Wechselseitigkeit von Krieg und Armut steht auch im Vordergrund der Buchreihe Globale Armutsbekämpfung - ein Trojanisches Pferd?, vom Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung herausgegeben. Im 2008 erschienenen Sammelband zeigen 23 AutorInnen Kriegsstrategien sowie Auswege aus der Armutsspirale auf. Die Themenpalette reicht dabei von globaler Ökonomie, gewaltsamer Grenzsicherung über Militärpakte sowie sicherheitspolitische Diskurse bis hin zum Lissabon Vertrag der Europäischen Union (EU). Hinterfragt werden auch die Rüstungsexporte der EU und die damit verbundenen „Kriege der Armen mit den Waffen der Reichen" (Elmar Altvater) sowie Entwicklungszusammenarbeit in „des Kaisers neuen Kleidern" - dabei besonders in Form so genannter „humanitären Interventionen".

Die Analysen werden auch an konkreten Fallbeispielen veranschaulicht. Die „failed states" (gescheiterte Staaten) Afrikas, gewalttätige Konflikte am Horn von Afrika, in der Demokratischen Republik Kongo oder der Zusammenhang von Armut und Krieg im Nahen Osten wurden als Beispielregionen ausgewählt. Alternative Ansätze zur Konfliktlösung und Entwicklungszusammenarbeit finden sich im letzten von insgesamt sechs Teilen. Hier werden durchaus unterschiedliche Ansätze diskutiert und debattiert - wie am Beispiel des Konzepts „Hegemonie" ersichtlich ist. Während der deutsche Politologe Ulrich Brand in Anlehnung an den italienischen Theoretiker Antonio Gramsci in einem solchen eine Alternative für alternatives Handeln sieht, geht der renommierte Entwicklungsforscher Franz Nuscheler hingegen von einem weltpolitisch geprägten Begriff Hegemonie aus.

Megacities und Slums

Aber auch Kritik an aktuellen Tendenzen in der Konflikt- und Friedensforschung kommen in dem Sammelband nicht zu kurz. Der Sozialwissenschaftler Peter Lock zum Beispiel betont, dass in der Analyse von Konflikten auch der Ausschluss großer Bevölkerungsteile von der Gesellschaft betrachtet werden muss. Er kritisiert, dass Konflikt- und Friedenforschung sich noch nicht auf damit zusammenhängende neue Parameter wie Megastädte oder Ausbreitung von Slums eingestellt habe.

In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik des Schweizer Soziologen Ueli Mäder. Für ihn sind viele aktuelle Tendenzen in der Sozialforschung kontraproduktiv, weil sie sich zu sehr dem Paradigma des Lebensgefühls und des erlebnisorientierten Denkens verschreiben. Die horizontale habe die vertikale Ebene als Analyseinstrument ersetzt, kritisiert er. Auch wenn diese Ansätze wichtige neue Erkenntnisse liefern, fordert eine Rückkehr zur Analyse von sozialen Schichten und Klassen. Denn soziale Gegensätze und Klassen sind nicht passé, betont Mäder. Auch in der Konflikt- und Friedensforschung nicht. 

Der 348 Seiten umfassende Sammelband des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung ist für Neulinge dieser Forschungsrichtung ebenso ínteressant wie für bereits mit dem Fach Vertraute. Durch den Mix von Theorie und Praxis bietet er nicht nur neue Einsichten in die Thematik, eine ausführliche Bibliographie gibt gute Anregungen für eine weiterführende Lektüre.  (red)

>>> Mit Beiträgen von Gerald Mader, Dieter Senghaas, Peter Lock, Andreas Zumach, Elmar Altvater, Ueli Mäder, Claudia Haydt, Werner Ruf, Peter Strutynski, Claudia Derichs, Rainer Tetzlaff, Carola Bielfeldt, Franz Küberl, Astrid Wein und Agnes Otzelberger, Gunther Hauser, Thomas Roithner, Volker Matthies, Mohssen Massarrat, Ulrich Brand, Franz Nuscheler, Hildegard Goss-Mayr, Pete Hämmerle, Martina Schloffer.

Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hrsg.), Projektleitung: Roithner Thomas: Globale Armutsbekämpfung - ein Trojanisches Pferd? Auswege aus der Armutsspirale oder westliche Kriegsstrategien?, Dialog 56 - Beiträge zur Friedensforschung, ISBN 9783825817626, Lit-Verlag, Münster - Hamburg - London - Berlin - Wien, 364 Seiten, € 9,80, Jänner 2009.

 

>>>> 2009 widmet sich die Sommerakademie des Friedenszentrums Schlaining dem Thema "Söldner, Schurken, Seepiraten - Von der Privatisierung der Sicherheit zum Chaos der „neuen" Kriege?" Mit Vortägen u.a. von Birgit Mahnkopf, Volker Matthies und Johannes M. Becker.

Link
Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung, Burg Schlaining, 26. Internationale Sommerakademie, vom Sonntag, 5. Juli - Freitag, 10. Juli 2009.