Nach fast zwei Jahren Wahlkampf wurde Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten angelobt. Sein Wahlkampf war von herausragenden Reden geprägt, die Erwartungen an seine Rede am 20.1. waren entsprechend hoch.

Doch so wie Barack Obama als Kandidat überraschte, so überraschte seine Rede. In Struktur und Form unterschied sie sich deutlich von seinen großen Wahlkampfreden. Diese zeichneten sich aus durch wohlgeformte und, oft mit unterschiedlichen rhetorischen Methoden, wiederholte Botschaften. Seine Angelobungsrede dagegen hatte kurze, prägnante und zum Teil harte Botschaften und sogar unverhohlene Kritik.

Obama sparte auch diesmal nicht mit rhetorischen Kunstgriffen und bildhafter Sprache. Im klaren Gegensatz zu früheren Reden, griff der neue Präsident erst gegen Ende zu einer großen Metapher.

Ein Land in der Krise

Das Land sei in einer Krise verursacht durch Gier einiger weniger doch mehr noch durch das gemeinsame Versagen, harte Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Das Gesundheitswesen sei zu teuer, das Schulwesen ineffektiv und die Energiepolitik stärke die Feinde Amerikas.

Diese Krise betont Obama nicht nur mit klaren sondern auch mit kurzen Worten. Er macht klar: es ist keine Zeit für Schönfärberei, keine Zeit zu warten. Mit der rhetorischen Kurzform der Brevitas steigert Obama die Eindringlichkeit seiner Botschaft. Es gelte, Selbstvertrauen zurück zu gewinnen. Denn die Herausforderungen wären ernst und nicht einfach zu lösen.

Harte Kritik an Bush

Unerwartet die kaum versteckte Kritik an der Politik seines Vorgängers. Zwischen den Werten der Verfassung und Sicherheit zu entscheiden sei grundsätzlich falsch: „As for our common defense, we reject as false the choice between our safety and our ideals." Die Werte der Verfassung dürften für keinen Zweck aufgegeben werden. Das steht in klarem Widerspruch zu der Politik der Regierung George W. Bushs, die für den Zweck der Sicherheit sowohl Guantanamo als auch Foltermethoden zuließ.

Obama zeichnet einen Weg für die Zukunft. Innenpolitisch, auf seinem Wahlkampfthema „Unity" aufbauend und mit rhetorischer Finesse, stellt er seine Präsidentschaft dar als den Beginn einer neuen Generation. Frühere Generationen hätten Opfer gebracht und hart gearbeitet. Sie sahen in Amerika mehr als die Summe individueller Wünsche und Ambitionen. Amerikas Produktivität, Fähigkeit und Innovationskraft sei weiterhin ungebrochen, doch die Zeit, Einzelinteressen zu schützen und Entscheidungen aufzuschieben, sei vorbei. Eine Zeit harter Arbeit und harter Entscheidungen sei angebrochen.

Mit der für ihn gewohnt bildhaften Sprache stellt Obama klar, welche Maßnahmen der Neuanfang für sein Amerika sein werden: Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Wissenschaft und alternative Energieformen sollen dem Land den ersten Platz in der Welt garantieren. „All this we can do. All this wie will do."

Vertraut ist Obamas klarer Umgang mit kritischen Stimmen: sie hätten vergessen, was Amerika in der Vergangenheit schaffte. Mit wenigen Worten verwandelt Obama die Kritiker in Zyniker, die die falschen Fragen stellten. Ein rhetorisches Reframing, welches sitzt. Die richtige Frage wäre laut Obama: werden Arbeitsplätze, das Gesundheitswesen oder die Pensionen gesichert oder gefördert? Für Projekte, die das nicht schaffen sei in seiner Regierung kein Platz.

Die Faust und die ausgestreckte Hand

Auch außenpolitisch findet Obama deutliche Worte: alte Alliierte und ehemalige Feinde würden zusammen arbeiten - doch die U.S.A. werde sich weder für ihren Lebensstil entschuldigen noch ihre Haltung gegenüber Terroristen und Diktatoren aufgeben: „we will defeat you." Und Barack Obama kündigt in seiner Rede auch Änderungen in der Außenpolitik an: gegenüber der muslimischen Welt sei Aufgeschlossenheit und Respekt der neue Weg. Wer bereit sei, die Faust zu öffnen, würde in den U.S.A. einen Verbündeten finden.

Eine harte, klare Rede

Barack Obamas Angelobungsrede kann als hart bezeichnet werden. Sie überrascht in ihrer Deutlichkeit. Wer Obamas bisherige Reden verfolgt hat, hätte eher eine rhetorisch gut abgerundete Rede erwartet. Seine großen Wahlkampfreden, wie zum Beispiel die Reden „We the People" oder „Great Need of the Hour" sind diesen Mustern gefolgt. Obamas Rhetorik ist für ihn bezeichnend, ihre Wirkung auf die Menschen bekannt.

Auch diesmal hat Barack Obama rhetorisch eine beeindruckende Rede gehalten. Anders als von ihm gewohnt: klarer und härter als im Wahlkampf. Selbst die große Metapher - ungewohnt für Obama am Ende der Rede - zeichnet ein unübliches Bild: als in der Kälte des Winters und vor herannahenden Feinden stehend beschreibt Obama die Gründungsväter in einem völlig anderen Licht als in seinen früheren Reden. Vertraut ist dann aber die Methode der Analogie: die USA befänden sich heute auch in eisigen Zeiten und in teils feindlicher Umgebung. Doch so wie die Gründungsväter nicht wankten und zu einander standen, so dürften auch die Amerikaner nicht wanken.

Wie in seinen anderen Reden hat Barack Obama also auch in seiner Antrittsrede großes rhetorisches Geschick bewiesen. Seine Kernbotschaften hat er klar formuliert und durch die abschließende Metapher die wichtigsten Botschaften nochmals verstärkt. Er sieht sich den Werten der Verfassung verpflichtet und ist bereit, notwendige Reformen in Angriff zu nehmen, um diese Werte zu erfüllen. Seine Präsidentschaft werde eine der harter Entscheidungen und harter Arbeit.