Martín Varsavsky (48), gebürtiger Argentinier, gründete als Student Urban Capital, die Wohnlofts in New York bauten. Es folgte Medicorp Sciences, das den Aids-Test mitentwickelte, Viatel, Jazztel und Ya.com (alle Spanien) und Einstein.net (Deutschland). Die Finca des Netzwerkers auf Mallorca gilt als Treffpunkt der Vordenker des Webs der Zukunft. Er ist Hauptinvestor von Windparks in Spanien, unterhält die Modemarken Sybilla und Jocomomola und ist Gründer der Safe Democracy Foundation. Privat ist er passionierter Segler, Pilot und Mountainbiker. Varsavsky ist geschieden und hat  vier Kinder.

Standard: Wie entstand die FON-Idee, Internetzugänge über Wi-Fi drahtlos mit anderen zu teilen?

Varsavsky: Ich war in Paris auf Geschäftsreise, klappte den Laptop auf und fand stets mindestens fünf drahtlose Netzzugänge vor. Das Problem war: Sie waren alle gesichert. Das ist ja Schwachsinn, dachte ich. Da gibt es eine Infrastruktur, die viel potenter als 3G-Mobilfunk (schnelle, dritte Generation, Anm.) ist, die aber brachliegt. Die Frage war, wie motiviert man Internetnutzer, ihr Wi-Fi mit einer Gemeinschaft zu teilen. Die Quid-pro-quo-Idee war dann: ‚Share at home, roam the world‘ (Teile zu Hause, surfe weltweit).

Standard: Stockt die „FON-Revolution" durch die 3G-Ausbreitung?

Varsavsky: Ja und nein. 3G ist praktisch. Auch ich verwende es - im Auto, wenn man unterwegs ist und wenn keine Wi-Fi-Netze in Reichweite sind. Beide Standards koexistieren, aber 3G ist zu teuer.

Standard: Wie wird Wi-Fi-Nutzung in fünf Jahren aussehen?

Varsavsky: Wi-Fi durchschreitet eine sehr schnelle Evolution. Wir werden im kommenden Jahr den jüngsten Standard, 802.11n, einsetzen, damit werden Reichweite und Übertragungstempo verdreifacht. Auch jetzt, der Wirtschaftskrise zum Trotz, muss man sich vor Augen halten, dass im Vorjahr erst 200 Millionen Wi-Fi-Chips produziert wurden, heuer werden es mehr als eine Milliarde sein. Es ist ein unglaublicher Wachstumsmarkt.

Standard: Im Bereich der mobilen Videospiele steigt die Vernetzung. Sind Gamer eine Chance für FON?

Varsavsky: Die Sony PSP, die Nintendo DS, sie haben beide Wi-Fi und nur diese Verbindungsart integriert. Videospieler suchen verstärkt reale Gegner anstelle der virtuellen. Das ist ein interessanter und wachsender Markt, der der Vernetzung bedarf.

Standard: Wie sieht es mit den Zuwachsraten der FON-Nutzer aus?

Varsavsky: Wir halten bei knapp 400.000 Hotspots weltweit und knapp einer Million User. Bis Ende 2010 wollen wir die Millionengrenze bei FON-Hotspots brechen. Wir wollen Fon zu einem großen Unternehmen in der Kommunikationsgesellschaft machen. Noch sind wir ja nicht profitabel.

Standard: Werden Sie FON verkaufen, sobald es erfolgreich ist?

Varsavsky: Ich bin kein „Big-Company-Guy". Mir gefallen kleine Unternehmen. Ich habe Ideen, die ich umsetze. Wenn eine Idee rentabel wird, verkaufe ich. Bei FON ist mein Ziel, die Millionengrenze an Hotspots zu durchbrechen, dann widme ich mich Neuem. Ich kenne alle 60 Mitarbeiter von FON weltweit, und ich schätze das an den kleinen Unternehmen. Als ich Jazztel (Anm. spanischer Internet-anbieter) verkaufte, waren es mehr als 1000. Ich widme mich meinen Firmen zwischen zwei und acht Jahren, das reicht.

Standard: Hatten Sie als Google-Partner schon Gespräche mit Microsoft?

Varsavsky: Microsoft gefällt die FON-Idee, und sie unterstützen unser Projekt. Es bringt ihren Portalen mehr Zugriffe, wenn Menschen weltweit surfen können. Ich selbst verwende kaum Microsoft-Produkte, weil sie langsam und unzuverlässig sind. Google hat mein Leben maßgeblich beeinflusst, auch Linux, OpenOffice und Apple.

Standard: Wird die Konkurrenz von Google und Microsoft eskalieren?

Varsavsky: Google zählt zu meinen Partnern, doch nicht nur deshalb hege ich mehr Sympathie mit ihnen. Wir haben quasi gleichzeitig angefangen, um 2000. In 90 Prozent ihres Marktes stoßen die beiden Giganten nicht aufeinander. Microsoft will einen Teil des Werbemarktes von Google, und die greifen wiederum nach Teilen des zu 95 Prozent von Microsoft dominierten Software-Marktes. Keiner wird den anderen verheerend angreifen.

Standard: Sie schreiben in ihrem Blog von „digitaler Armut". Wie kann man dieser entgegenwirken?

Varsavsky: Ich versuche mit meiner Fundación Varsavsky zu helfen. In meiner Heimat Argentinien und Chile investierte ich elf Mio. US-Dollar in die Projekte www.educ.ar und www.educarChile.cl, für mehr als acht Millionen Kinder bis hin zu Studenten der öffentlichen Universitäten. Wir stellen Lerninhalte online, dann schulen wir Lehrer im Umgang mit dem Internet und schließen die Schulen an das Datennetz an. Da man in den Ländern noch weit mehr Menschen über das Fernsehen erreicht, betreiben wir auch einen Bildungskanal. Wichtig ist, die digitale Alphabetisierung voranzutreiben. Die Bildung ist einer der Bereiche des Webs, in die am wenigsten investiert wird. (Das Gespräch führte Jan Maro, DER STANDARD Printausgabe, 14. Oktober 2008)