CNN-Online-Chefin Susan Grant hält User-generated Content für wichtig. Journalismus sei aber etwas anderes.

Foto: Turner Broadcasting Deutschland GmbH

Videos würden auf Nachrichtenportalen immer wichtiger, sagte Susan Grant im Gespräch mit Markus Peherstorfer am Rande des CNN Journalist Award 2008 in München. Ihre Firma profitiert davon durch vorgeschaltete Werbespots. Im US-Wahlkampf sei das Internet so wichtig wie noch nie, und auch für den Wahltag selbst habe sich ihre Redaktion Einiges einfallen lassen.

derStandard.at: Was ist für Sie guter Onlinejournalismus?

Grant: Das Online-Publikum besucht CNN.com, weil es eine verlässliche Informationsquelle sucht. Die Leute schätzen unsere Website, weil Sie dort eine redaktionelle Einordnung finden. Wenn wir eine Geschichte ganz groß mit einem Bild links oben auf der Seite haben, dann heißt das: Das ist die wichtigste oder interessanteste Geschichte im Moment. Die anderen Schlagzeilen sagen einem dann, dass die Welt noch in Ordnung ist oder auch nicht. Dann gibt es vielleicht noch ein sehenswertes Video, ein, zwei Neuigkeiten aus der Finanzwelt und das Neueste über Britney Spears. Nachrichten sind das, was für die Leute und für die Welt wichtig ist. Was wir liefern, muss stimmen, muss schnell online sein und muss relevant sein.

derStandard.at: Auch wenn CNN als gemeinsame Redaktion für Fernsehen und Online arbeitet - was kann CNN.com, das CNN im Fernsehen nicht kann?

Grant: Von Online aus haben wir die Möglichkeit, wichtige Nachrichten per SMS oder E-Mail zu versenden. Aber das ist nicht der Punkt: Wenn etwas Wichtiges passiert, denken wir nicht drüber nach, was jetzt das beste Medium ist, um diese Nachricht zu verbreiten. Wir werden das unseren Nutzern und Sehern natürlich auf allen Kanälen mitteilen. Wir wollen der Ort sein, der einem die Nachrichten liefert, ganz egal, wo man grade ist.

derStandard.at: Diese "breaking news", die CNN via SMS und E-Mail verschickt - ist es eigentlich leicht, da immer die richtigen auszusuchen?

Grant: Natürlich passieren da auch Fehler - wir haben manches versäumt. Zum Beispiel gab es bei Wimbledon dieses Jahr eines der längsten Finalspiele aller Zeiten - da haben wir nichts gebracht. Auch bei den US-Vorwahlen haben wir die eine oder andere Entscheidung nicht zu breaking news gemacht, sondern mehrere in eine Meldung verpackt - das hätten wir anders machen sollen.

derStandard.at: User-generated Content spielt bei CNN eine vergleichsweise große Rolle. Wollen Sie das in Zukunft noch stärker ausbauen?

Grant: Wir sehen User-generated Content zunächst einmal als ein Mittel, die Bindung zu unseren Nutzern zu verstärken. Als wir vor zwei Jahren erstmals die Marke "iReport" eingeführt haben, war das, weil wir gesehen haben, dass die Leute so ziemlich überall über Neuigkeiten reden und Neuigkeiten austauschen - nur nicht auf unserer Website. Dazu wollten wir die Leute ermutigen. Im Prinzip ist "iReport" ein soziales Netzwerk wie YouTube oder Facebook - der einzige Unterschied ist, dass Beiträge von iReport auch von CNN ausgewählt werden könnten.

derStandard.at: Auf iReport.com ist zu lesen, eines der wesentlichen Ziele des Projekts sei es, die Definition von "Nachrichten" zu ändern. Ist das schon passiert?

Grant: Es erscheint dort zumindest einmal das, wovon die Nutzer glauben, es handle sich um Nachrichten. Das ist etwas anderes als auf CNN.com. Wir nehmen liebend gerne aktuelle Videos etwa von einem Hurrikan, die dort landen - aber viele der Nachrichten, die sich auf iReport.com finden, sind auch nur für die Leute wichtig, die sie hochgeladen haben. Wir als Journalisten haben unsere eigenen Kriterien.

derStandard.at: Welchen Prozess muss ein Beitrag auf iReport.com durchlaufen, um auf CNN.com zu landen oder sogar im Fernsehen ausgestrahlt zu werden?

Grant: Jeder in unserer Redaktion kann einen Blick auf iReport werfen und sich zu einem Thema, an dem er gerade arbeitet, interessante Beiträge heraussuchen. Dann gibt es da für unsere Redakteure ein Tool, mit dem sie an die Kontaktdaten der Leute kommen, die das hochgeladen haben - sie rufen an, stellen ein paar Fragen zu dem Material. Auch die Leute, die iReport betreuen, schauen regelmäßig das Material auf interessante Beiträge durch. Die wissen auch ungefähr, wonach die Kollegen vom Fernsehen oder von CNN.com gerade suchen, und schlagen Beiträge vor.

derStandard.at: Welche Rolle spielen Videos generell auf CNN.com? Nimmt die Zahl der Nutzer zu, die sich Videos ansehen?

Grant: Ja, das werden eigentlich täglich mehr, aus einer Reihe von Gründen. Wir haben auf CNN.com ungefähr 38,8 Millionen Unique Clients im Monat, davon sehen sich 18 Prozent unsere Videoseite an, wo es nicht nur Video on demand gibt, man kann dort das CNN-Fernsehprogramm auch live verfolgen.

derStandard.at: CNN-Videos können auch in andere Websites eingebunden werden. Wie viele Leute machen davon Gebrauch und warum bieten Sie das an?

Grant: Das gibt es erst seit einem Monat, also kann ich noch nicht genau sagen, wie oft es genutzt wird. Wir bieten das an, weil das die Art und Weise ist, wie das Onlinepublikum Videos nutzen möchte. Wir liefern dabei unseren eigenen CNN-gebrandeten Player mit, der vor den Videos auch kurze Werbespots schaltet.

derStandard.at: Wie viel verdienen Sie mit den Werbespots, die vor Ihren Videos eingeblendet werden?

Grant: Das darf ich Ihnen nicht sagen. Die Vorgangsweise ist die: Wir verkaufen die 15 Sekunden vor dem eigentlich CNN-Video an eine Werbefirma, und die sucht dann Kunden, die in diesem Umfeld gerne Werbung machen würden. Die Nutzer verstehen das auch, dass es die Werbung erst möglich macht, solche Angebote zu finanzieren. Je kreativer die Spots sind, desto besser kommen sie natürlich auch an. Es gibt zum Glück in der Zwischenzeit eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten, im Internet Werbung zu machen, das kommt sowohl den Werbekunden als auch unseren Nutzern zugute.

derStandard.at: Welche Rolle spielt eigentlich das Internet heute in den USA im Wahlkampf?

Grant: Soviel Wahlwerbung und Fundraising im Internet wie dieses Mal gab es noch nie. Das Internet scheint für die Parteien ein guter Multiplikator zu sein und auch ein perfektes Werkzeug, um die Wähler einzubinden.

derStandard.at: Dazu hat ja auch CNN beigetragen: Gemeinsam mit YouTube haben Sie während der Vorwahlen ein neues Format kreiert, bei dem die Kandidaten auf Fragen antworten, die von Internetnutzern auf Video aufgezeichnet wurden. Kritiker sagen, CNN habe beim Auswählen der Fragen mehr auf den Unterhaltungs- als auf den Informationswert geachtet. Was sagen Sie dazu?

Grant: Die Fragen sind direkt von den Usern gekommen. Aber natürlich gab es eine redaktionelle Auswahl, um sicherzustellen, dass keine missbräuchlichen oder beleidigenden Fragen auf Sendung gehen. Klarerweise wurden viel mehr Fragen eingeschickt, als der Moderator in der Sendung stellen konnte. Aber auch nach dem Auswahlprozess haben die Fragen die große Vielfalt der Einsendungen ganz gut widergespiegelt.

derStandard.at: Was lässt sich CNN.com für den Tag der US-Wahl einfallen?

Grant: Abgesehen vom Livestream unseres Fernsehprogramms werden wir die nötigen Hintergrundinfos bereitstellen. Ein besonderer Schwerpunkt werden die animierten Landkarten mit den wahlentscheidenden Bundesstaaten sein, es wird laufende Umfragen und Liveticker geben. Aber alles verraten wir noch nicht. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 30.09.2008)