Im Asylwerber-Streit fährt Innenministerin Fekter schwere Geschütze gegen Jörg Haider auf: Es bestehe Verdacht auf Freiheitsentzug, Nötigung und Täuschung. Am Abend sprach Haider wiederum von "Annäherung".

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Klagenfurt/Wien - Ist der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) mit seinen "Ausweisungen" von Asylwerbern aus Kärnten in einen strafrechtlichen Fettnapf gestiegen? Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) äußerte diesen Verdacht Donnerstag am Rande des EU-Ministerrats in Brüssel. Für sie sind Haiders umstrittene Aktionen ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Fekter brachte die Delikte Nötigung, Freiheitsentzug und Täuschung ins Spiel. Letzteres deswegen, weil zuletzt drei Asylbewerbern aus Armenien und Tschetschenien Unterschriften ohne Beiziehung eines Dolmetschers abverlangt worden seien, bevor sie per Bus nach Niederösterreich geschickt wurden. Auch der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk teilt die Meinung, dass Haiders Vorgehen ein Offizialdelikt sein könnte. "Für das Verhalten des Landeshauptmannes sehe ich keine Rechtsgrundlage. Hier wird, ohne die Befugnis dazu zu haben, polizeiliche Zwangsgewalt ausgeübt. Und das Ganze noch mit dem Anschein der Freiwilligkeit getarnt" , erklärte Funk im Standard-Gespräch.

Wie berichtet, behauptet Haider, dass die betroffenen Asylwerber in strafrechtliche Delikte involviert seien. Ein rechtskräftiges Urteil liegt aber nicht vor, rechtlich gilt also die Unschuldsvermutung.

Dass Haider seiner Meinung nach kriminelle Asylwerber aus Kärnten wegschickt und damit die Bundespolitik zwingt, zu reagieren, ist freilich nichts Neues. Schon Anfang des Jahres hatte er 18 in der Mehrheit jugendliche tschetschenische Flüchtlinge in einen Bus Richtung Traiskirchen gesetzt - mit der Begründung, dass sie in eine Silvesterrauferei verwickelt gewesen seien. Haider hatte sich damals ausdrücklich auf einen internen Bericht der Sicherheitsdirektion Kärnten berufen, obwohl der Villacher Kripo-Chef Markus Plazer darauf hingewiesen hatte, dass gegen die meisten Betroffenen nichts vorliege. Tatsächlich vor Gericht stand Monate später nur einer der 18 Tschetschenen.

Im Jänner konnten sich das Land und der damalige Innenminister Günther Platter (ÖVP) noch einigen, Kärnten bekam 18 neue Asylwerber zugeteilt. Die jüngsten Aktionen wollte sich Platters Nachfolgerin Fekter aber nicht mehr gefallen lassen, sie schickte die Asylwerber nach Kärnten zurück. Worauf der orange Landeschef gestern ankündigte, die verfassungsrechtliche 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Unterbringung von Asylwerbern aufzukündigen. Kärnten und Tirol erfüllen die Quote derzeit bei weitem nicht, Wien und Oberösterreich liegen deutlich darüber.

Strafzahlung angedacht

Im Justizministerium wollte man sich in den offenen Konflikt zwischen Fekter und Haider "nicht einmischen" . Ob noch ein politischer Kompromiss möglich ist, soll nun der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Herbert Sausgruber (ÖVP) aus Vorarlberg, ausloten. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) schlägt laut Österreich die Einführung einer Strafzahlung bei Unterschreiten der Betreuungsquote vor. Die Strafe solle eine Höhe haben, "in der es auch dem Landesbudget von Kärnten wehtut" . Die Grünen planen, wie berichtet, eine Anzeige gegen den Kärntner Landeshauptmann.

Möglicherweise zog Haider selbst am späten Donnerstagnachmittag noch die Notbremse. In einer Aussendung behauptete er, es habe "auf Beamtenebene" eine "weitgehende Annäherung" mit dem Innenministerium gegeben. Die Ministeriumsbeamten hätten zugesagt, zahlreiche Forderungen Kärntens zu erfüllen. Weiters kündigte Haider für die kommende Woche Direktverhandlungen mit Innenministerin Fekter an und stellte in Aussicht, den 15a-Vertrag doch nicht zu kündigen.

Fekter reagierte prompt - und kühl. Keineswegs hätten ihre Beamten Haiders Wünsche erfüllt. Es habe lediglich "Sondierungsgespräche" gegeben, wo die Ministeriumsexperten Haiders "Wünsch-dir-was" -Liste entgegen genommen hätten. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2008)