Ich laufe schon mein halbes Leben lang. Leider merkt man mir das nicht an. Die meiste Zeit bin ich einfach drauflosgelaufen. Fünf, sechs Kilometer reichten mir. Ich verstand die anderen Läufer nicht, die mich nach meiner Pace fragten, auf welche Schuhe ich schwöre und ob wir uns nicht auf Strava folgen wollen. Aber dann kam der Vienna City Marathon 2023. Ich lief gemeinsam mit Kolleginnen die Staffel, es war mein erstes großes Laufevent.

Laufen erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Auch viele Hobbyläufer suchen professionelle Trainingsunterstützung.
© Christian Fischer

Die Atmosphäre haute mich um. Entgegen meiner Vorstellung kämpften sich hier nicht nur sehnige Midlife-Crisis-Verdränger und supersportliche Fitnessmodels die Prater-Hauptallee hinunter. Das Laufevent war bunt, laut, lustig – und von motivierten Studentenstaffeln bis hin zu Genussläuferinnen jenseits der 70 war im Startfeld scheinbar fast jede Gruppe vertreten. Beneidenswert viele hatten danach die sternförmigen Medaillen umhängen. Sie hatten den Marathon beziehungsweise den Halbmarathon geschafft. Ab dem Moment war klar: Das will ich auch!

Halbmarathon – aber wie?

Anfang des Jahres saß ich also vor meiner Liste an Jahresvorsätzen, und der Halbmarathon stand ganz oben auf der Agenda. Doch als ich im Februar mit dem Training loslegen wollte, war plötzlich gähnende Leere in meinem Kopf. Natürlich wusste ich, dass es zahllose Trainingspläne im Internet gibt – oder ich mir einen Personal Trainer organisieren könnte. Aber Ersteres erschien mir nicht an meine Bedürfnisse angepasst. Und die zweite Sache – dafür, dass ich bisher wenig ambitionierte Hobbyläuferin war – irgendwie übertrieben.

Zum Glück trat ein neuer Helfer in mein Leben: ChatGPT. Langsam lernte ich die Vorteile der Chatbots, der auf Künstlicher Intelligenz basiert, kennen. Er unterstützt mich bei Geschenkideen, Gartentipps und sogar in der Küche. Als ich wieder einmal Rezepte für die Arbeitswoche zusammenstellen ließ, kam mir der Gedanke: Vielleicht kann mich die KI ja auch durch den Halbmarathon bringen?

Ich fragte meinen neuen Helfer also direkt nach einem Trainingsplan: In zwölf Wochen zum Halbmarathon in unter zwei Stunden – ist das möglich? Klar doch, sagte die KI. Und spuckte einen Trainingsplan aus.

Der Trainingsplan, der die Autorin ins Ziel bringen sollte.

Die Vorteile gegenüber den zahlreichen Onlinetrainingsplänen: Ich konnte in wenigen Sätzen meine Ziele formulieren und bekam einen wirklich personalisierten Plan ausgespuckt. Ich musste mich für keine Fitnessseite registrieren, keinen Newsletter abonnieren und wurde auch nicht am Ende einer gefühlt stundenlangen Eingabe meiner Ziele und Zeiten dann doch aufgefordert, für den Premiumplan zu bezahlen, um "das ideale Trainingsergebnis" zu erzielen.

Mir ging es ja nicht um den perfekten Lauf oder eine persönliche Bestzeit – ich wollte einfach in einer halbwegs vernünftigen Zeit ins Ziel und dabei den Spaß am Laufen nicht verlieren. Der Plan lieferte mir genau das, zumindest in meiner laienhaften Betrachtung. Doch KI muss man bekanntermaßen mit Vorsicht genießen. ChatGPT hat den Auftrag, Antworten zu liefern – und erfindet im Zweifel auch Dinge. Was, wenn mein Plan am Ende nur heiße Luft wäre?

Der digitale Trainer ist immer verfügbar – aber bringt er Läuferinnen auch wirklich ans Ziel?
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Passabel, aber unpersönlich

Ich suche deshalb doch Rat beim Experten. "Mir fällt bei dem Plan spontan auf, dass er für eine Hobbyläuferin zu unkonkret ist", sagt Bernd Heidegger-Haber. Er ist Sportwissenschafter, Gründer und berät als Head Coach bei B-Fast-Trainingsplanung seit Jahren Sportler. Stimmt. So wirklich weiß ich nicht, was "moderates" oder "schnelles" Tempo sein soll. Laut Heidegger-Haber ein weitverbreitetes Problem: "Die meisten Leute neigen meiner Erfahrung nach dazu, langsame Läufe zu schnell und schnelle Läufe zu langsam anzugehen." Er rät deshalb dazu, über eine professionelle Leistungsdiagnostik die eigene Belastbarkeit auszutesten. "Wir können dann eine genaue Pace und Herzfrequenzbereiche empfehlen, was mehr aussagt als 'schnell' oder 'langsam'."

Meinen Trainingsplan findet der Profi trotzdem nicht schlecht: "Laufen ist in jedem Fall besser als nicht laufen." Allerdings gebe es nicht-KI-generierte Trainingspläne im Netz, die mein ChatGPT-Ergebnis in der Qualität auf jeden Fall schlagen. Die mir also zum Beispiel genauere Tempobereiche vorschlagen würden. Allerdings können auch diese Pläne nicht liefern, was laut Heidegger-Haber für viele entscheidend ist – eine persönliche Beziehung zum Trainer. "Es kommt immer wieder vor, dass Sportlerinnen und Sportler Motivationsprobleme und Durchhänger haben. Oder umgekehrt, dass sie es mit dem Training übertreiben. Da kann ein Mensch besser helfen als ein Chatbot."

KI-Unterstützung kann beim Lauftraining helfen – aber wohl keinen menschlichen Trainer ersetzen.
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Trotzdem glaubt der Coach, dass Künstliche Intelligenz im Training noch viele Einsatzmöglichkeiten bietet: "In Zukunft werden KI-Tools bestimmt hilfreich sein, um etwa Erholung und Belastung individuell besser zu analysieren. Manche Fitnesstracker tun das ja schon jetzt." Bedroht fühlt er sich von der KI im Personal Training nicht: "Sie wird uns eher helfen, noch bessere Trainingspläne auszuarbeiten."

KI wirkt keine Wunder

Was leider weder KI noch ein "echter" Coach verhindern können: dass der menschliche Körper nun einmal nur bedingt berechenbar ist. Mich hat wenige Wochen vor dem Vienna City Marathon eine böse Angina erwischt – und danach gleich noch ein zweiter Infekt aus der Trainingsroutine geworfen. Der ärztliche Rat lautete: Laufen ist erst einmal tabu. Sie werden mich also am Sonntag leider nur als Anfeuerin beim VCM treffen. Die größte Herausforderung bei Laufwettkämpfen bleibt nun einmal, es an die Startlinie zu schaffen. Und das kann auch ChatGPT nicht garantieren. Na ja – neuer Lauf, neues Glück! (Antonia Rauth, 17.4.2024)