Konrad Becker von der Netzkultur-Initiative Netbase übt Kritik an der Filesharing-Entscheidung des US-Höchstgerichts.

Bild: Konrad Becker

Die jüngste Entscheidung des Oberster US-Gerichtshof lässt in der Filesharing-Welt keinen Stein auf den anderen: Betreiber von Online-Tauschbörsen wie Grokster oder Morpheus können demnach haftbar gemacht werden, wenn ihre Nutzer gegen das Urheberrecht verstoßen (Der WebStandard berichtete).

Kritische Töne

Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) sieht die Entscheidung wie berichtete als "Meilenstein", kritische Töne schlägt Konrad Becker von Netbase an.

Netbase

Public Netbase wurde 1995 von Konrad Becker und Francisco de Sousa Webber im Wiener Museumsquartier gegründet und bietet eine Plattform für die partizipative Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien und veranstaltet Ausstellungen, Events, Symposien und Workshops. Die Netzkultur-Initiative – die sich seit vergangenem Mai nur noch Netbase nennt - beschäftigt sich auch kritisch mit Fragen der technologischen Kontrollgesellschaft, semiotischer Demokratie, geistigem Eigentum und dem freien Zugang zu Information und Bildung.

Schlechte Nachrichten

"Das sind schlechte Nachrichten für Konsumenten, Künstler, Innovation und eine nachhaltige Entwicklung der Informationslandschaft", so Becker über die Gerichtsentscheidung.

Lobbyismus

Zu der Tatsache, dass Online-Tauschbörsen nun für das Verhalten ihrer Nutzer haften, auch wenn Sie dieses teilweise nicht kontrollieren können, sagt Becker: "Dies ist ein Beispiel wie sich der Lobbyismus milliardenschwererer Medienkonzerne gegen das öffentliche Interesse und die Rechte der Konsumenten durchsetzt. In den USA werden die entsprechenden Gesetze ja schon nach den Firmen benannt die als Sponsoren einer solchen Gesetzgebung auftreten (z.B. "Mickey Mouse Copyright Act", der u.a. Disney's Copyright um weitere 20 Jahre verlängerte). Nicht nur über den Druck auf politische Repräsentanten sondern auch durch Veranlassung "unabhängiger" Studien und Finanzierung von tendenziösen Expertisen wird eine breitflächige Beeinflussung der Rechtsauffassung angestrebt. Gleichzeitig wird die Debatte über zahlreiche mögliche Alternativen, die eine faire Kompensation der Autoren selbst gewährleisten soll, unterdrückt".

Zahn ziehen

Die P2P-Technologie sieht Becker als "eines der wichtigsten Protokolle neuer Kulturtechnologien", dem aber nun "der Zahn gezogen werden soll".

Download kein Verbrechen

Auch die Kampagnen der Musikindustrie, in Österreich die "Aktion Scharf", sieht er kritisch: "Es ist das Ergebnis einer mit großen finanziellen Aufwand betriebene Kampagne um freien Austausch im Internet zu Kriminalisieren. Nach Rechtsauffassung führender Juristen ist der Download nach österreichischer Gesetzeslage nach wie vor legal und keineswegs ein "Verbrechen" – dennoch schalten die PR Agenturen der Industrie Anzeigen wo File-Sharing sogar mit Terrorismus gleichgestellt wird. Die Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher", eine von den Konsumenten bezahlte psychologische Kriegsführung gegen die Bevölkerung, versucht mittels mobiler Gefängniszellen in deutschen Großstädten zu Unrecht zu suggerieren dass für private Kopien 5 Jahre Haft drohen".

Blick in die Zukunft

Laut Becker gehe es um "den Kampf um die Kontrolle des Wissens und des freien Zugangs zu Ideen". Für die Zukunft enwtirft Becker düsterer Szenarien: "Der nächste Schritt nach DRM (Digital Restrictions Management) ist "Trusted Computing", wo die Kontrolle des PC's den Besitzern und Nutzern entzogen und Großkonzernen und anonymen Regierungsstellen überantwortet wird. Der übernächste Schritt sind Implantate- wo dann schon unsere Erinnerung, z.B. an TV Serien unserer Jugend, kostenpflichtig sein wird. Kunst und Kultur von heute ist das Rohmaterial für das kulturelle Erbe der Zukunft- das wegsperren hinter elektronische Gefängnismauern ist Diebstahl an der Menschheit". (kk)