Alle Lehrer der Sekundarstufe bekommen künftig nur mehr eine Ausbildung. Für das pädagogische Großprojekt braucht es neue Kooperationen – Pädagogische Hochschulen müssen in Zukunft mit Universitäten kooperieren.

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Der Lehrberuf ist vielseitig und anspruchsvoll – und er soll attraktiver werden. Die neue Lehrerbildung für die Sekundarstufe kommt ab 1. Oktober 2016. Alle Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn bis neunzehn Jahren werden in Zukunft von einheitlich ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet. Die neuen Studienabschlüsse (Bachelor und Master) sind Basis für ein Lehramt an Neuen Mittelschulen (NMS), an Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS), Berufsbildenden Mittleren oder Höheren Schulen (HAK, HAS, HLW, HTL) und an Polytechnischen Schulen (PTS). Das Studium soll praxisbezogen und wissenschaftsbasiert sein.

Neue Kooperationen, neue "Herrschaftsordnung"

Mit dem Gesetzesbeschluss aus dem Jahr 2013, eine neue Lehrerbildung in Österreich zu etablieren, setzt nun diese neue tiefgreifende Dynamik in der Hochschullandschaft ein. Die Konzeption verlangt nämlich in ihrer Komplexität nach Kooperationsformen, die neu und anders sind: interdisziplinär und organisationsübergreifend. Eine Zusammenarbeit, die wissenschaftlich unter dem "Claim" der Educational Governance einzuordnen ist. Soll heißen: veränderte Strukturen, veränderte Prozesse, veränderte Hierarchien, veränderte Entscheidungen. Weniger zentrale Steuerung durch bürokratische Mechanismen. Verstärkte Kooperationen der Bildungsanbieter Universität und Hochschule im Sinne des Netzwerkgedankens. Österreich steht im pädagogischen Bildungsdiskurs vor einer neuen "Herrschaftsordnung".

Es entstehen "regionale Kooperationsverbünde" oder Cluster für Lehrerbildung, wie immer man Zusammenschlüsse bezeichnen mag. Demnach müssen Pädagogische Hochschulen in Zukunft mit Universitäten kooperieren. So besteht der Kooperationsverbund Österreich Mitte beispielsweise aus neun Hochschulen und Universitäten aus den Bundesländern Oberösterreich, Salzburg und Tirol. Die Aufgabenstellungen für die Kooperationsverbünde sind transparent und komplex gleichermaßen: Es geht um einen paradigmatischen Schritt in der Entwicklung und Einrichtung neuer gemeinsamer Studien für die Lehrerbildung der Zukunft.

Neue Diskurse, neue Perspektiven

Das Studium rückt die "Säulen" der pädagogischen Professionen ins Zentrum: Fachwissenschaften und Künste, Fachdidaktiken, bildungswissenschaftliche Grundlagen, pädagogisch-praktische Studien und persönliche Erkenntnisräume. Ein eingesetzter Qualitätssicherungsrat gibt Empfehlungen ab, die zur Weiterentwicklung dienen sollen. Insgesamt eine optimierte hybride Struktur, die sich somit der Lehrerbildung zur Verfügung stellt. Einmal mehr, lohnt es sich darauf hinzuweisen, dass strukturelle Voraussetzungen einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieser Aufgabenstellung leisten werden. Der entscheidende Punkt, der sich parallel zur inhaltlichen Diskussion über die neuen Curricula zeigt, ist, dass die Reform der Lehrerbildung eine gänzlich andere Zusammenarbeit zulässt und notwendig macht.

Erforderlich für die Zukunft wird ein eigenständiger Modus der horizontalen Kooperationen zwischen Wissenschaft, pädagogischer Praxis und dem dafür notwendigen Bildungsmanagement. Die netzwerkartigen nationalen Diskurse zwischen den Universitäten und den Pädagogischen Hochschulen werden neue Perspektiven eröffnen. Aber nur dann, wenn sie (selbst-)kritisch und reflexiv geführt werden. Nichts darf der Beliebigkeit überlassen werden.

Die Traditionen der Universitäten prallen auf die jungen Identitäten der Pädagogischen Hochschulen: Zwischen streng formalen universitären Qualifikationen und professionsorientierten (non-)formalen und informeller Kompetenzen. Zwischen bildungsbürgerlichen Idealvorstellungen und radikaler Öffnung zum Arbeitsmarkt. Zwischen fachwissenschaftlichen Erkenntnissen und Fähigkeiten, diese zu vermitteln. Der Entwicklungsprozess ist absehbar: Die Transformation der beiden "Bildungskulturen" gelingt nur deshalb, weil es so unterschiedliche Ausgangspunkte gibt. Alles soll so bleiben, wie es nie war!

Jetzt ist Handeln angesagt!

Die neue Lehrerbildung setzt ein desorientierendes Dilemma der beiden Bildungsorganisationen Universität und Hochschule voraus. Das Dilemma leitet sich aus einem zeitlichen Gefälle ab: zwischen tatsächlichen Handlungen und strategischer Zielsetzung der Lehrerbildung. Das Projekt "Lehrerbildung neu" in Österreich muss zuerst einmal handeln, um sich dann (selbst) beobachten zu können.

Kurz: die Handlungsfähigkeit setzt zwingend Blindheit voraus. Beide Organisationen können ja noch nicht wissen, was für die neue Lehrerbildung zu tun sein wird, sie können nur mögliche Realitäten in Szenarien antizipieren. Organisationssoziologen würden den Zustand mit einem "Acting first and thinking later" beschreiben. Keinesfalls soll damit ein aktionistisches Management beschrieben werden. Die Botschaft ist vielmehr: Jetzt ist Handeln angesagt!

Wenn es also den beteiligten Akteuren der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten mit all ihren notwendigen und spezifischen Eigenlogiken und Profilen gelingt, die Idee des Handelns und der netzwerkförmigen horizontalen Kooperationen langfristig zu etablieren, wird das Gesamtsystem Bildung in Österreich einen großen Nutzen ziehen können. (Josef Oberneder, 10.1.2016)