Tabubrechen und über den Suizid reden: Der Niederländer Viktor Staudt engagiert sich für Prävention.

Bestürzung, Fassungslosigkeit und die Frage, ob man einen Selbstmord hätte verhindern können: So reagieren Menschen, deren Familienmitglieder, Bekannte oder Freunde sich umgebracht haben. Suizid ist die radikalste Form von Lebensverneinung, der Holländer Viktor Staudt gewährt Einblick in eine Lebensphase, in der er nicht mehr weiter wusste.

Er hat ein Buch über sein Leben vor 1999 geschrieben. Viktor Staudt leidet an Panikattacken, er hält Menschen nicht aus, flüchtet vor sozialen Ereignissen. Heute weiß er, was er damals nicht wusste. Er leidet an einem Borderline-Syndrom und ist seinen Stimmungen ausgeliefert. Wie sich das anfühlt, lässt sich bei der Lektüre dieses Psychogramms erahnen. Der Autor hat versucht, seinen Lesern die Rastlosigkeit von damals vor Augen zu führen. Er macht es dialogisch, inszeniert Gespräche, versucht Situationen von damals wieder aufleben zu lassen.

Gut mit Depression

Staudt ist kein Schriftsteller, doch es gelingt ihm ganz gut, seinen Lesern die eigenen Ängste, enttäuschten Hoffnungen, aber auch seine Sprunghaftigkeit vor Augen zu führen. Jeder, der dieses Buch liest, muss sich auf dieses Psychogramm aber auch einlassen wollen.

Angetrieben vom Wunsch, seine Motivationen für einen Suizid zu verstehen, ist die Lektüre auch tatsächlich recht spannend. Staudt hält sich wenig an Chronologien, er springt und kann das, weil er sich selbst zum Protagonisten gemacht hat. Eine gewisse Portion Egozentrik muss man da aushalten können, neben den dramatischen Ereignissen bleibt immer auch die Neugierde aufrecht, wie diese Geschichte zu einem Happy End finden kann.

Obwohl Staudt bei seinem Suizidversucht beide Beine verloren hat, bezeichnet er sich heute nämlich als durchaus zufrieden. Hätten Ärzte seine Grunderkrankung erkannt, hätte es unter Umständen gar nicht zu diesem Akt der Verzweiflung kommen müssen, lässt er in diesem Buch immer wieder anklingen und kritisiert damit auch medizinische Einrichtungen in Holland, die seinen Zustand nicht richtig eingeschätzt haben - und das auch nach seinem Suizidversuch.

Schluss mit Tabu

Solche Einsichten sind durchaus erstaunlich sowie seine Betrachtungen über den Zustand von Depression an sich und die Probleme, die sich damit im sozialen Umfeld ergeben. Die Frage, wie man Suizidgefährdeten helfen könnte, bzw. auf welche Art man sie ganz und gar nicht unterstützt, wird auf jeden Fall beantwortet.

Für Staudt haben Medikamente eine entscheidende Verbesserung gebracht, auch damit geht er ganz offen um. Insgesamt ist Staudts Buch also ein Beitrag zur Aufklärung über psychische Erkrankungen. Gut, dass er Tabus bricht. (Karin Pollack, 10.9.2014)