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Ex-Boxer Klitschko hofft, dass es nicht noch mehr Gewalt geben wird.

Foto: APA/EPA/Hase

Vitali Klitschko hängt in den Seilen. "Ich habe hohes Fieber und ich fühle mich wirklich lausig", sagt er vor dem Interview mit dem STANDARD. Dennoch gibt er es. Es gibt kein besseres Podium als die Sicherheitskonferenz in München, um Werbung für die Sache der ukrainischen Opposition zu machen. Dort ist an diesem Samstagabend die außenpolitische Aufmerksamkeit der Welt fokussiert.

Zuvor hat der ehemalige Profiboxer sich einen Kampf der Worte mit dem ukrainischen Außenminister Leonid Kozhara auf einem Panel der Konferenz geliefert. Er forderte, dass alle "politischen Gefangenen" (es sind mehr als 300 nach Klitschkos Angaben, dazu kämen 27 Vermisste) sofort freigelassen würden. Weiters müsse das Land umgehend zur Verfassung von 2004 zurückkehren und danach Wahlen, sowohl des Parlaments als auch des Präsidenten, abgehalten werden.

"Kein friedlicher Protest"

Kozhara konterte mit einer Beschreibung der Unterschiedlichkeit der Ukraine: Es gebe drei Landesteile, die zu drei verschiedenen Reichen (Russland, Österreich-Ungarn und den Osmanen) gehört hätten und auch heute noch wenig miteinander zu tun hätten. Neun Millionen ethnische Russen lebten im Land. Die Opposition spreche lange nicht für alle und schlage außerdem antisemitische Töne an. "Terroristengruppen" griffen mit Molotowcocktails Polizisten an und besetzten öffentliche Gebäude. Was in der Ukraine geschehe, sei "kein friedlicher Protest mehr". Die Opposition müsse endlich Verantwortung übernehmen.

Sowohl der Außenminister als auch Klitschko trafen bei der Konferenz mit EU-Außenministern und Außenbeauftragter Lady Ashton zusammen. Als Erfolg konnte vermeldet werden, dass die ukrainischen Behörden den offenbar schwer misshandelten Oppositionellen Dimitro Bulatow ausreisen lassen wollen. Debatten gab es EU-intern darüber, ob Sanktionen gegen ukrainische Führer wirksam seien oder nicht. Österreichs Chefdiplomat Sebastian Kurz lehnte diese ab: "Öl ins Feuer zu gießen, wäre schlecht."

Hinter den Kulissen der Sicherheitskonferenz liefen zudem intensive Verhandlungen der Amerikaner mit der Ukraine und den Russen. Aus amerikanischen Diplomatenkreisen war zu hören, dass ein Techniker-Kabinett ein Ausweg sein könnte. Die harte Position, die US-Außenminister John Kerry auf der Sicherheitskonferenz zugunsten der Opposition vertreten habe, sei auch als Signal an Moskau zu werten gewesen. Die USA, hieß es, seien nicht gewillt zuzusehen wie die Bewegung niederkartäscht werde.

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"Der Präsident muss Kompromisse mit den Menschen finden"

Viktor Janukowitsch bewege sich auf dünnem Eis. Er hoffe, dass es keine weitere Gewalt in der Ukraine gebe, sagt Oppositionsführer Vitali Klitschko im STANDARD-Interview. Sanktionen der EU könnten helfen.

STANDARD: Die EU und vor allem auch die USA haben, ganz wie Sie es fordern, den Druck auf die ukrainische Führung verstärkt. Ist in dieser Situation überhaupt noch ein Kompromiss mit der Regierung möglich oder wird es zwangsläufig zu noch mehr Gewalt kommen? 

Klitschko: Die ukrainische Regierung und der Präsident müssen einen Kompromiss mit dem Volk finden. Wenn sie das nicht schaffen, dann wird es gefährlich für die Macht. Wenn der Präsident sein eigenes Volk nicht hört, dann begibt er sich auf dünnes Eis.

STANDARD: Rechnen Sie mit noch mehr Gewalt in der Ukraine?

Klitschko: Ich hoffe nicht, dass es noch mehr Gewalt geben wird.

STANDARD: Es sind Sanktionen gegen bestimmte Exponenten der ukrainischen Führung im Gespräch, kann das helfen?

Klitschko: Ich fordere diese Sanktionen, vor allem gegen die Beamten, weil diese für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Es sind zig Beamte, die das machen, und die das treffen würde.

STANDARD: Wie lange kann die Opposition auf dem Majdan in Kiew noch durchhalten?

Klitschko: So lange, bis der Präsident Kompromisse für die Menschen findet und diese auch vorschlägt. Er muss keine Kompromisse mit der Opposition finden, er muss welche für die einfachen Menschen finden. Sie müssen wissen, dass sie eine sichere Zukunft und Perspektiven haben, dass sie sicher nach Hause kommen, dass sie die Polizei nicht angreift. Sie brauchen Jobs und eine Zukunft. Es gibt so viel, was man ändern muss in der Ukraine. (derStandard.at, 1.2.2014)

Vitali Klitschko (42) ist ehemaliger Profiboxer und einer der Oppositionsführer (seine Partei nennt sich Udar, Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen) in der Ukraine.