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Heute wird, wenn es um den Einsatz von unsichtbaren RFID-Chips in Textilien geht, immer wieder Kritik laut.

Foto: AP/John Raoux

Im neuen Burberry Shop auf der Londoner Regent Street prasselt mehrmals täglich ein Regenschauer nieder. Nasse Füße bekommt trotzdem niemand: Verantwortlich für das digitale Regenspiel zwischen Trenchcoats und Sofa-Sitzgruppen sind 500 Lautsprecher, die für ordentlich Akustik sorgen. Ein 100 Geräte umfassender Bildschirmpark und ein 38 Quadratmeter großer Screen wiederholen den Regenfilm regelmäßig inmitten gediegener Behaglichkeit: der Flagshipstore als digitale Wunderkammer.

Von der Website der Firma ist man solche Spielereien schon seit längerem gewöhnt. Jetzt sollen sie auch im neuen Vorzeigeshop die Kunden begeistern: Spiegel verwandeln sich hier in Bildschirme, in Kleidung und Accessoires sind unsichtbare Funkchips eingewebt, die über mehrere Meter von Geräten gelesen werden können. Sie werden einerseits im Hintergrund zur Verbesserung der Logistik genutzt, dienen andererseits als Grundlage vieler technischer Spielereien. Der Einkauf im schicken Flagshipstore soll zum Markenwelterlebnis werden. Bei Burberry erscheinen zum Beispiel auf den "Magic Mirrors" Laufstegbilder oder Imagefilme zu den Produkten, die man gerade anprobiert.

Die Aufregung um den Einsatz neuester Technologie in der Londoner Regent Street 121 erinnert an die Euphorie um das Epicenter von Prada vor mehr als zehn Jahren. 2001 ließ Architekt Rem Koolhaas den New Yorker Flagshipstore mit interaktiven Anproberäumen und dem Einsatz von Radio-Frequenz-Identifikationstechnologie (RFID) zu einer futuristischen Wunderkammer im Loftformat aufrüsten. Doch all die Technik, die ein Viertel des 40-Millionen-Budgets verschlungen haben soll, ließ die Kundschaft damals relativ kalt.

Interaktives Shopkonzept

Heute wird, wenn es um den Einsatz von unsichtbaren RFID-Chips in Textilien geht, immer wieder Kritik laut. "Die Verknüpfung der Daten des RFID-Chips mit beispielsweise Kunden- oder Kreditkarten ist nicht auszuschließen und kann ohne Wissen und Einverständnis des Kunden erfolgen", gibt Paul Srna, Experte im Bereich Neue Medien beim Verein für Konsumenteninformation (VKI), zu bedenken. Er plädiert für eine verbindliche Kennzeichnung bei jenen Produkten, die mit RFID-Chips ausgestattet sind. Außerdem solle der Kunde im Geschäft deutlich auf eine Deaktivierungsmöglichkeit hingewiesen werden. Das mag insbesondere für Shops gelten, die sich an junge Kunden wenden.

Adidas Neo soll bei Adidas das künftige Einstiegssegment für eine junge Zielgruppe zwischen 14 und 20 heißen. Auch hier wird mit RFID gearbeitet, die neue Linie testet seit einem Jahr in zehn deutschen Städten mit einem interaktiven Shopkonzept seine Wirkung auf Teenager. Mit dem Social Mirror, einem lebensgroßen Flachbildschirm, können diese dort nebenbei Outfits fotografieren und filmen und direkt auf Facebook posten und twittern. Eine cleverere Verbindung mit den jungen Kunden kann ein Unternehmen wohl kaum eingehen.

Burberry will dagegen im Shop auf der Regent Street in diesem Frühjahr mit dem Programm "Customer 360" seine Kunden davon überzeugen, ein digitales Kundenprofil anzulegen - Konsumentendaten sind ein echtes Kapital für Unternehmen. "In der Zukunft kann es möglich sein, dass wir die RFID-Etiketten mit unserer Kundendatenbank verlinken", heißt es auf der Website - versehen mit dem Nachsatz, dass in diesem Fall das Einverständnis der Kunden eingeholt werde.

Burberryal digitaler Leitwolf

Burberry inszeniert seine Onlineaktivität schon seit einigen Jahren als zeitgemäßes Accessoire. Dazu gehört, dass das Unternehmen seine Modenschauen seit 2009 als Livestream im Internet überträgt. Der Clou: Seitdem können die Kleidungsstücke "from Runway to Reality" geordert werden. Es verwundert nicht, dass Scott Galloway, Mitbegründer des Thinktanks LuxuryLab 2012 in seinem alljährlichen "Digital IQ Index" Burberry auf Platz eins ansiedelte; es folgen Ralph Lauren und das US-Modeunternehmen Kate Spade.

Prada hingegen wurde als digitale Enttäuschung eingestuft. Ungebremstes Vertrauen ins Internet haben eben längst nicht alle. Pradas Geschäftsführer Patrizio Bertelli äußerte erst vor wenigen Monaten seine Vorbehalte gegenüber dem Onlineverkauf von High Fashion. Gegenüber der Harvard Business Review zeigte er sich besorgt, dass das Unternehmensimage beeinträchtigt werde, wenn High Fashion genauso wie Gebrauchtwagen und Bücher verkauft würde.

Kühle Köpfe wie ihn gibt es heute nur mehr wenige. Den meisten haben die neuen technischen Möglichkeiten schon längst den Kopf verdreht. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 15.2.2013)