Über das erste und einzige Lastenrad-Unternehmen in Wien, die Heavy Pedals, wurde schon oft berichtet, und das ist gut so. Transporte mit dem Lastenrad durch die Wiener City sind nicht nur umweltfreundlich, sondern oft auch schneller als mit einem Kfz ...

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... abgesehen davon, dass ein Teil des Lkw-Laderaums meist leer bleibt. Das Bullitt kann auch zur Schneeräumung dienen.

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Das Telefon klingelt, Florian Weber hebt ab: Ein Transport von der Seidengasse in die Grundsteingasse. "Bis 15.30 Uhr? Ja, das geht sich aus."

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Wolfgang Höfler zieht sich warm an.

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Das Transportgut kommt in wasserdichte Alu-Boxen.

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Höfler: "Bei einem Hundert-Kilo-Transport hat man so viel Endorphin und Freude in sich, so ein Gewicht ohne Stau durch die Gegend zu führen, dass man die Anstrengung kaum bemerkt."

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Der Winter in Wien war bis Ende Jänner mild und jetzt kehrt der Frühling ein, doch Lastenräder scheinen weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden zu sein. Wir haben uns gefragt: Wie geht es den Unternehmern Florian Weber und Wolfgang Höfler von den Heavy Pedals - Wiens erstem und bislang einzigem Lastenrad-Unternehmen - in der kalten Jahreszeit?

Immerhin handelt es sich schon um den dritten Winter, den man im kleinen Geschäftslokal am Mittersteig 11 im vierten Bezirk Pionierarbeit leistet. "'Winter passt mit Radfahren nicht zusammen', lautet ein gängiges Argument", sagt Höfler. "In Wirklichkeit ist die Auslieferung von Waren mit dem Lastenrad total saisonunabhängig." Vor allem am Vormittag sei man mit Aufträgen von Stammkunden eingedeckt.

35.000 Lastenräder in Kopenhagen

Heavy Pedals - das sind derzeit die beiden Gesellschafter Florian Weber und Wolfgang Höfler. Das dritte Gründungsmitglied Peter Pilsl macht seit Herbst 2011 eine Auszeit. Fahrradbotin Kaja ist für 20 Stunden angestellt, die übrige Zeit fährt sie für Hermes. Höfler und Kaja liefern aus, Weber hält die Stellung im Office.

Ohne Schulden oder Förderungen haben die drei das Kleinunternehmen im Jahr 2009 begründet, "und daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern", sind sich die Gesellschafter einig. Am Anfang hat man vom Home-Office aus gearbeitet, im Februar 2010 wurde das Geschäftslokal am Mittersteig angemietet. Jeder der beiden hat noch einen zweiten Beruf, so sind sie nicht darauf angewiesen, vom Lastenrad leben zu müssen.

Die Jungunternehmer widmen sich dem Botendienst per Lastenrad und dem Verkauf von Lastenrädern. Derzeit boomen vor allem Kindertransporträder, mit denen sich Jungfamilien eindecken. "Richtige Lastenräder gehen in Wien aber noch nicht weg wie die warmen Semmeln", berichtet Höfler und zieht einen Vergleich mit Kopenhagen: "Dort sind derzeit 35.000 Lastenräder unterwegs. Schon jedes zweite Rad ein Lastenrad." Der österreichische Transportbereich setze dagegen noch konservativ auf den motorisierten Verkehr, das Bewusstsein für Alternativen etabliere sich jedoch langsam, aber beständig, beobachten die Heavy-Pedals-Gründer.

Mundpropaganda

"Der Bäcker, für den wir ausliefern, hat Verbindungen zu einer Suppenküche, die sich dann bei uns meldet ..." Am Beginn stand Mundpropaganda, und das hat sich bis heute kaum geändert. Von Werbung und Marketing halten die beiden nicht viel: "Unsere Werbung ist, dass Lastenräder auf der Straße fahren. Aber eigentlich sind wir unsere eigenen Konkurrenten, denn wir verkaufen auch Lastenräder an Unternehmen, die dann selbst damit ausliefern."

Was die Heavy Pedals so alles durch die Gegend führen? "Nachdem wir einmal mit einer Couch am Fahrrad in einem Medium abgebildet waren, gab es plötzlich 20 Couches, die durch Wien transportiert werden mussten. Auf einen anderen Artikel meldete sich ein Ehepaar, das seinen Fernsehapparat nicht mit dem Auto entsorgen wollte." Letzte Woche brachte man eine Stereoanlage zur Reparatur, demnächst soll sie wieder abgeholt werden.

Laufend werden Waschmaschinen und Kühlschränke von Geschäften abgeholt und an die neuen Besitzer ausgeliefert. Trinkbecher, die bei Großveranstaltungen zum Einsatz kommen, rollen mit dem Lastenrad zum Waschen und weiter zur nächsten Veranstaltung. Hin und wieder lehnt man auch Aufträge ab: "Wenn klar ist, dass jemand nicht zu uns passt, dass wir einen Auftrag nicht verantworten können, dann sagen wir Nein."

Akzeptanz für ausgefallene Räder

Das Engagement der Heavy-Pedals-Gründer reicht über das eigene Unternehmen hinaus in die Zukunft des Radfahrens. Stau, Parkplatzmangel, teurer Sprit, CO2-Belastung und vieles mehr: "Die Problematik, mit dem Auto in der Stadt unterwegs zu sein, verstärkt sich", beobachtet Höfler. Bei Aufträgen für die Wiener Brötchenlegende Trzesniewski geht es oft nur um einen einzigen Karton, der von A nach B geführt werden soll. "Wenn du bedenkst, dass das sonst mit einem Taxi geführt wird, ist das ein Wahnsinn", meint Weber.

Wie reagieren die Wiener auf das Lastenrad? "Es kommt immer auf die Person an, die am Rad sitzt, aber ausgefallene Räder werden mehr akzeptiert als normale", beobachtet Höfler und setzt nach: "Radfahren in der Stadt ist nur dann gefährlich, wenn man zu weit rechts fährt." Drei Unfälle in knapp drei Jahren hat er erlebt - alle drei auf Radwegen, und jedes Mal wurde ihm der Vorrang genommen. "Bei Tempo 50 hat man bei einem Unfall 20 Prozent Überlebenschancen, bei einer Temporeduktion auf 30 km/h ganze 80 Prozent", weiß Höfler.

Nicht zuletzt deshalb ist eines der Anliegen der Heavy-Pedals-Gründer eine autofreie Stadt, die mehr Platz, weniger Lärm und Verkehrsopfer bringt. "In Kopenhagen ist das Fahrrad schon immer gefördert worden, auch während des Autobooms in den 1970er Jahren", wirft Weber einen Blick über den Tellerrand. Es wirke sich stark aus, ob politische Entscheidungsträger selbst mit dem Fahrrad unterwegs seien oder nicht. "Gerade die USA haben jetzt aufgeholt. Der Times Square wurde für den motorisierten Verkehr weitgehend gesperrt, das würde in Wien einer Sperre des Ringes entsprechen", gibt Höfler zu bedenken.

Maximal 100 Kilo

Zusammengefunden haben die Lastenrad-Unternehmer vor einigen Jahren über die Critical Mass und die BikeKitchen, "wenn man mit Fahrrädern zu tun hat, kennt man sich irgendwann". Als sie die ersten drei Bullitts für Wien bestellten, war das gar nicht so einfach, da die skandinavischen Produzenten anfangs kein großes Interesse am österreichischen Markt zeigten. Heute bietet der Fuhrpark für jede Ladung das passende Fahrrad - vom multifunktionalen Xtracycle über das sportliche Bullitt bis zum Truck für große Lasten. Auch verschiedene Anhänger stehen zur Verfügung. 100 Kilo darf die maximale Last betragen, der Großteil der Lieferungen bewegt sich im Rahmen bis zu 60 Kilo.

Wie fühlt es sich an, mit einer Waschmaschine auf dem Fahrrad die Stadt zu durchqueren? Dass Lastenfahrräder schwer zu fahren und zu treten sind, sei ein überkommenes Bild, so Höfler. "Sie haben einen größeren Wendekreis und man muss mit viel mehr Voraussicht fahren. Die Bremswirkung ist gewaltig. Bei hundert Kilo beginnt es schwer zu werden, aber bei so einem Transport hat man so viel Endorphin und Freude in sich, so ein Gewicht ohne Stau durch die Gegend zu führen, dass man die Anstrengung kaum bemerkt."

Ehrliche Preispolitik

Das Transportgut wird mit Gummizügen oder festen Gurten befestigt, bei Regen mit Planen wasserfest verpackt oder in wasserdichte Alu-Boxen geladen. Für größere Transporte kommen, je nach Bedarf, mehrere Räder und Fahrer zum Einsatz.

Was kostet ein Transport mit dem Lastenrad? Wer einen großen Drucker oder ein Sofa transportieren lassen möchte, muss etwa mit denselben Kosten wie für den Transport mit einem Lkw rechnen. Höfler: "Wir haben unsere Preise hoch angesetzt, weil wir unsere Angestellte Kaja fair und offiziell bezahlen wollen und unsere Preise der Kostenwahrheit entsprechen. Der Endpreis für eine Lieferung per Pkw entspricht nicht der Kostenwahrheit. Der motorisierte Verkehr wird von uns allen subventioniert." "Aber keine Sorge", ergänzt Weber, "bei jeder Anfrage stellen wir vorab ein Angebot, das der Botendienst-Gebührenliste entspricht." (derStandard.at, 26.2.2012)