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Doch keine nassen Füße: Die europäischen Börsen zeigten sich zum Börsenschluss doch noch leicht erholt und schlossen überwiegend im - wenn auch nur kleinen - Plus.

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Die Verluste der Leitindizes seit 1.8.2011

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Börsenentwicklung seit 2008

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New York/Tokio/Wien – Die New Yorker Aktienbörsen haben am Dienstag nach einem extrem schwankenden Geschäft dank eines fulminanten Späthandels mit deutlich festeren Kursen geschlossen. Die mit Hochspannung erwarteten Aussagen der US-Notenbank Federal Reserve brachten mit einem unveränderten Leitzins von 0,0 bis 0,25 Prozent keine Überraschung mit sich.

Der Dow Jones Industrial Index übersprang wieder die Marke von 11.000 Punkten und kletterte um 429,92 Einheiten oder 3,98 Prozent auf 11.239,77 Zähler nach oben. Im Verlauf war der weltweit bekannteste Börsenindex kurz nach der Fed-Zinsentscheidung um bis zu 1,8 Prozent abgerutscht. Zu Wochenbeginn war der Dow noch um 5,55 Prozent auf 10.809,85 Einheiten abgestürzt.

Anleger in Europa pendelten am Dienstag bereits zwischen Hoffen und Bangen: Rezessionsängste und Spekulationen auf Konjunkturstützen der US-Notenbank Fed haben die Börsen auf Zickzack-Kurs geschickt. Die Wiener Börse rutschte zwischenzeitlich erstmals seit Juli 2009 wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 2.000 Punkten, konnte sich aber in ein kleines Plus zum Börseschluss retten. Auch andere europäische Börsen schlossen nach anfänglichen Verlusten im Plus, nachdem Hoffungen auf ein neues Staatsanleihen-Aufkaufprogramm der Fed für deutliche Kursgewinne an der Wall Street gesorgt hatten. Diesseits des Atlantiks sprang die Europäische Zentralbank (EZB) Händlern zufolge erneut Spanien und Italien mit Anleihe-Käufen am Rentenmarkt zur Seite. Börsianer schätzten, dass die Frankfurter Währungshüter seit Wochenbeginn Anleihen im Volumen von bis zu 9,5 Milliarden Euro aufgekauft haben, um die Renditen auf ein für die Schuldnerstaaten erträgliches Niveau zu drücken.

Neben den Nachwehen der Herabstufung der US-Bonität kommt bei Investoren zunehmend die Angst vor einer Rezession auf. Sie befürchten, dass der Sparkurs zahlreicher schuldengeplagter Staaten die Weltkonjunktur abwürgen wird. Vor diesem Hintergrund richteten sich alle Augen auf die bevorstehende Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank am Abend. Die große Frage dabei: Wird die Fed zur Ankurbelung der Konjunktur ein neues Anleihe-Ankaufprogramm (QE3) ankündigen?

OeNB-Gouverneur besorgt

Der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, zeigt sich im Ö1-Interview (siehe den Bericht dazu) besorgt über die Börsentalfahrt und fordert von der Politik, die beim Euro-Gipfel im Juli getroffenen Beschlüsse "wirklich rasch" umzusetzen. Der OeNB-Gouverneur will zwar Meinungen, dass die aktuelle Krise so tief sei wie die nach der Lehman-Pleite, nicht bestätigen. Es gebe aber gewisse Parallelen, nämlich, dass die Banken bei der Kreditvergabe wieder vorsichtig werden und zunehmend Geld bei der EZB parken.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Staaten aufgefordert, in der andauernden Schuldenkrise ihre Pflicht zu erfüllen. "Wir erwarten, dass die Regierungen das tun, was wir als ihre Arbeit betrachten, und dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden", sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet dem französischen Radiosender Europe 1. Die seit vier Jahren andauernden Turbulenzen auf den Finanzmärkten sind nach Einschätzung des EZB-Chefs ein historisches Ereignis. "In der Gesamtschau ist das die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – besonders seit (der Insolvenz der US-Investmentbank) Lehman Brothers."

Trichet hatte außerdem den Märkten ein weiteres aktives Engagement an den Anleihemärkten in der Schuldenkrise signalisiert: "Die EZB ist am Sekundärmarkt für Schuldtitel aktiv", die Notenbank plane, dieses Engagement auch fortzusetzen. (siehe dazu: EZB muss massiv Anleihen kaufen).

Griff in den Giftschrank

Der frühere IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff forderte angesichts der bedrohlichen Schuldenkrise in Europa und den USA den Abschied von den strengen Inflationszielen. "Um den Schuldenabbau zu unterstützen, bräuchte es über mehrere Jahre hinweg eine Inflation von vier oder sechs Prozent", sagte der Harvard-Wirtschaftsprofessor der französischen Tageszeitung "Libération": "Ich weiß, dass ich einen ungezogenen Vorschlag mache, aber wir erreichen einen Punkt, an dem die politischen Entscheidungsträger nur noch in den Giftschrank greifen können." Eine höhere Inflation sei in der derzeitigen Situation eine große Hilfe.

Asien macht Boden gut

Allen Bemühungen der Politik zum Trotz hatte sich die Talfahrt der Börsen am frühen Morgen rund um den Globus fortgesetzt. Nach den Kursstürzen der Wall Street am Montag (siehe Rückblick auf den montäglichen Börsentag) erlebten die Börsen im Asien-Pazifik-Raum gleich nach Handelsbeginn neue Verluste. Kurz zuvor hatte US-Präsident Barack Obama versucht, mit einer demonstrativ optimistischen Rede (siehe: "Wir werden immer ein AAA-Land sein") die Lage zu beruhigen.

Nachdem verunsicherte Investoren am Dienstag in Asien erneut Aktien im großen Stil über Bord warfen, haben die Börsen bei Handelsbeginn wieder Boden gut gemacht. Der chinesische Hang Seng-Index startete in der ersten halben Stunde mit einem Plus von zwei bis drei Prozent, während die chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzhen mehr als ein Prozent höher eröffneten.

Der Shanghai Composite Index begann den Handelstag mit einem Zuwachs von 1,44 Prozent auf 2562 Punkte. Der Shenzhen Component Index lag zu Beginn 1,8 Prozent höher bei 11 519 Punkten. Der Nikkei-Index der 225 führenden japanischen Werte legte am Vormittag um 1,6 Prozent auf 9085 Punkte zu. Auch der breiter gefasste Topix-Index erholte sich und gewann 1,3 Prozent auf 780 Zähler.

Doch trotz optimistischerer Zahlen, drückte in China noch die hohe Inflation die Stimmung. Wie das Statistikamt am Dienstag in Peking mitteilte, stiegen die Verbraucherpreise im Juli mit 6,5 Prozent auf ein Drei-Jahres-Hoch.

Schweizer Franken beinahe auf Allzeithoch

Von der anhaltenden Verunsicherung an den Devisenmärkten profitieren weiterhin "Hardware" wie Gold und Silber (siehe auch: Rekordjagd bei Gold ungebremst) und vor allem der Schweizer Franken. Sowohl gegen Euro wie gegen Dollar notierte die Schweizer Währung nahe eines Allzeithochs. Der Dollar geriet wegen der Herabstufung der US-Bonität durch die Ratingagentur S&P weiter unter Druck. Auch die Ölpreise sind weiter auf Talfahrt. "Die Märkte sind sehr besorgt, dass es zu einer globalen Rezession kommen kann", sagte Natalie Robertson, Analystin bei ANZ. (Reuters/rb, derStandard.at, 9.8.2011)