"Es ist viel leichter, jemanden aus dem Auto raus zu ziehen, wenn ich mir sage 'das kann ich', als wenn ich sage 'boah, der schaut aber schwer aus, das geht nie'", weiß Frido Schrott.

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"Wenn vor mir auf der Mariahilfer Straße jemand umkippt, falle auch ich kurz in einen Schreckzustand, obwohl ich in Erster Hilfe ausgebildet bin und viel Erfahrung habe", erzählt Frido Schrott, Sanitäter und Lehrbeauftragter im Ausbildungszentrum des Wiener Roten Kreuzes. "Es gibt nur wenige Personen, die in so einer Situation nicht erschrecken würden, beispielsweise James Bond. Ihm ist egal, was passiert, er ist immer cool. Auch Batman ist ganz gut in diesem Bereich. Die Realität ist eine andere."

"In einen Schreckzustand fallen wir dann, wenn unser Gehirn kurzfristig von der Situation überfordert ist. Das passiert viel öfter als man denkt. Es reicht manchmal schon, wenn man einen Berg Arbeit bekommt und nicht weiß, wie man ihn bewältigen soll. Folgende drei Reaktionen sind im Schreckzustand wahrscheinlich: Der Fluchtreflex. Man kommt an einem Unfallort vorbei und sagt: 'Boah, da liegt ein Motorradfahrer. Ist das viel Blut.' Man geht nach Hause und erzählt: 'Ich habe einen Motorradunfall gesehen und keiner hat geholfen. Nicht einmal die Rettung haben sie gerufen.'

Dann gibt es die Leute, die erstarren. Das sind die Schaulustigen, die ihr kennt. Die können meistens nichts für ihr Verhalten, die sind einfach bewegungsunfähig. Die stehen da, schauen hin und sagen: 'Sollen wir die Rettung rufen? Oarg, dass da keiner die Rettung ruft!' Überlegt einmal, ob ihr nicht selbst schon einmal in irgendeiner Situation Schaulustige wart", fordert Frido Schrott die Teilnehmer der Erste Hilfe-Kurse zum Nachdenken auf.

'Angriff' in Form von Helfen

"Dann gibt es die Menschen, die 'angreifen' und handeln, im Sinne von Helfen. Und gerade das ist für viele am Schwierigsten, weil Ängste aufkommen. Diese sind manchmal berechtigt, meistens aber sind sie nicht berechtigt, so wie ich schon von den gebrochenen Rippen oder vom Helm vom Kopf-Ziehen erzählt habe. Vorsicht ist allerdings angeraten, wenn man sich in eine Gefahrensituation begibt.

Es gibt auch die Angst, zu versagen – etwas falsch zu machen, oder nicht zu können. So höre ich regelmäßig in meinen Kursen: 'Ich könnte niemanden aus einem Autowrack heraus ziehen, ich bin nicht so stark.' Redet euch das nicht ein!" warnt Frido Schrott, der neben seiner Tätigkeit beim Wiener Roten Kreuz auch mit Sportlern im Bereich des mentalen Trainings arbeitet.

"Ich rufe in so einem Augenblick zu einem inneren Monolog auf. Überlegt einmal: Alles, was ihr in eurem Leben erreicht habt, habt ihr erreicht, weil ihr Ja gesagt habt. Es ist viel leichter, jemanden aus dem Auto raus zu ziehen, wenn ich mir sage 'das kann ich', als wenn ich sage 'boah, der schaut aber schwer aus, das geht nie.' Ich habe junge Frauen mit unter 50 Kilo gesehen, die 130 Kilo-Männer raus gezogen haben. Jemanden aus einem Auto zu ziehen, in Sicherheit zu bringen und Erste Hilfe zu leisten, bis die Rettung da ist, das schaffe ich bei jedem. Ihn wegzutragen vielleicht nicht, aber das ist alleine auch nicht notwendig", schließt der Wiener Rotkreuz-Sanitäter seinen achten Teil der Mythen der Lebensrettung. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 23.08.2011)

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