Barroso erklärte die Sache in Brüssel indes so: „Wir wollen Österreich mehr Zeit geben, um Daten über die Lage an den Universitäten zur Verfügung zu stellen.“ Auf die Frage, ob das Verfahren gegen Österreich auch eingestellt werden könnte, sagte Barroso: „Ja natürlich, wenn wir die Daten haben. Bisher haben wir die Daten noch nicht.“ Dies sei eine juristische Frage, die von der Kommission nicht einfach politisch entschieden werden könne. Er habe es für „nicht angemessen“ gehalten, dieses Thema mit dem EU-Reformvertrag zu verknüpfen, sagte Barroso. Von österreichischer Seite gebe es aber nun keine Absicht mehr, den Uni-Zugang in einem Protokoll des Vertrages zu regeln.
In Kommissionskreisen war zu hören, dass der Brief_Barrosos „ein Kraftakt“ des Präsidenten gewesen sei, der auch viel Kritik in der EU-Behörde ausgelöst habe. Vor allem der zuständige Bildungskommissar Ján Figel’ hätte gesagt, dass Österreichs Argumentation, derzufolge ein offener Zugang zum Medizinstudium einen Ärztemangel zur Folge hätte, schon gescheitert sei. „Warum sollen wir dann die Frist verlängern?“, wird er in der Kommission zitiert. Barrosos Alleingang sei dem Umstand geschuldet, dass er die Diskussion vom Gipfel fernhalten wollte.
Gute Chancen, das Verfahren trotz des Briefs Barrosos doch vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, hätte Rechtsexperten der Kommission zufolge jeder deutsche Student, der Klage vor einem österreichischen Gericht einbringt. Die österreichischen Gerichte müssten dann dem EuGH die Sache zur Entscheidung vorlegen. „Und der EuGH hat sich nur an geltendes Recht zu halten, der Brief Barrosos ist dann nichts wert“, heißt es in der Kommission. Wissenschaftsminister Johannes Hahn ließ offiziell wissen, dass er mit der Lösung leben könne. Der Kanzler müsse diese in Lissabon aber „noch nachschärfen“. Im Bundeskanzleramt löste dies „Verwunderung“ aus.