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Erste gemeinsame Schritte im "Bund fürs Leben": Was passiert, wenn dieser Bund das Stadium der Trennung erreicht hat und es um Existenz und Unterhalt geht, interessiert an diesem Tag trotz hoher Scheidungsraten meist nicht.

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Wien – Soll eine Nur-Hausfrau, die nach zwanzig Jahren Ehe einen Seitensprung begeht, im Fall einer Scheidung von ihrem Ex-Mann trotzdem Unterhalt bekommen? Nein, antwortete die große Mehrheit der derStandard.at-Poster auf diesen Vorschlag des neuen grünen Justizsprechers Albert Steinhauser bei seiner Antrittspressekonferenz.

Die Argumente der Online-Diskutanten waren teils deftig: "So, der Mann ist ihr im Bett nicht mehr genug, aber das Geld von ihm kann sie schon brauchen?", postete da einer von über 600 Usern. Doch Steinhauser bleibt im STANDARD-Gespräch dabei: "Unterhalt soll nicht als Strafe entzogen werden. Ich bin dafür, das geltende Verschuldensprinzip bei Scheidungen abzuschaffen und durch das Zerrüttungsprinzip zu ersetzen."

Damit würden bei jenen zehn Prozent aller Scheidungen, die in Österreich ohne Einvernehmen über die Bühne gehen, vom Familienrichter keine peinlichen Fragen nach ehelicher Treue oder Brechen derselben mehr gestellt. Sondern lediglich ermittelt werden, ob der einst fürs Leben eingegangene Bund tatsächlich das vorzeitige Stadium der Trennung erreicht hat.

Bei der anschließenden Frage des Unterhalts wiederum würde ausschließlich nach "sozialen Erwägungen" entschieden: Ob einer der Ex-Partner nach der Trennung finanzieller Unterstützung des anderen bedarf. Bei der untreu gewordenen langjährigen Nur-Hausfrau, die auf die Schnelle keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, sei dies "sicherlich der Fall", meint Steinhauser.

Die ablehnenden Reaktionen auf eine Scheidung ohne Schuld wundern den Juristen nicht: "Der Gedanke, dass vor einer Scheidung eine Verfehlung stattgefunden hat, die in irgendeiner Form bestraft werden muss, ist hierzulande noch tief in den Köpfen verankert", meint er. Der westeuropäischen Rechtsentwicklung hinke eine solche Einstellung jedoch hinterher: In Deutschland, der Schweiz, in ganz Skandinavien und in Spanien sei das Verschuldensprinzip bei Scheidungen bereits Vergangenheit.

Schon erledigt, sagt SPÖ

SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek beeindruckt dieses Argument keineswegs. Dem europäischen Trend sei im Rahmen der Eherechtsreform 1999 schon Rechnung getragen worden, erläutert sie: "Laut dem damals eingeführten Paragraf 68a kann Unterhalt auch unabhängig von der Schuldfrage zuerkannt werden." Die Regelung sei gerade für Fälle wie Steinhausers seitenspringender Langzeithausfrau geschaffen worden. Dieser würde nicht so viel Unterhalt wie einer schuldlos Geschiedene zugesprochen, aber immerhin "eine gewisse Summe".

Mit der Abkehr von Scheidungs-Schuld werde man "die Problemscheidungen nicht los", warnt auch die Vorsitzende des Frauen-Rechtsschutzvereins, Anna Sporrer. Die Streits vor Gericht würden sich dann nur"auf das Unterhaltsrecht verlagern". Sporrer fordert statt dessen "Unterhalt nach Trennungen nicht verheirateter Lebenspartner" ein. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 4. Juli 2007)