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Wenn ein Hobbysportler krank war und trotzdem weiter für den Marathon trainieren will, sollte er Magnesium und Vitaminpräparate in Erwägung ziehen

Foto: APA/EPA/Lawrence Looi
derStandard.at: Hat ein Sportler einen höheren Nährstoffbedarf?

Smekal: Ja, allerdings ist dieser abhängig vom Umfang und der Intensität der Belastung. Das Körpergewicht spielt dabei ebenfalls eine entscheidende Rolle. Es gibt entsprechende Tabellen, die das Körpergewicht berücksichtigen und aus denen man diesen Mehrbedarf an Nährstoffen ablesen kann. Im September 2000 hat Barbara Ainsworth in dem amerikanischen Journal ‚Medicine and Science in Sports and Exercise’ zu diesem Thema einen sehr guten Artikel veröffentlicht: "The Compendium of Physical Activities".

derStandard.at: Lässt sich dieser erhöhte Bedarf ausschließlich durch entsprechende Lebensmittelauswahl decken?

Smekal: Man muss unterscheiden zwischen Hobbysport, gehobenem Hobbysport und Leistungssport. Für alle Hobbysportler gilt, dass ihr Mehrbedarf an Nährstoffen völlig über die Nahrung abdeckt werden kann. Vorrausgesetzt es treten keine erschwerenden Faktoren auf, wie grippale Infekte oder Stress im Beruf. Das heißt, wenn ein Hobbysportler krank war, sich abgeschlagen oder müde fühlt und er trotzdem weiter laufen will, weil er für den Marathon trainiert, sollte er Nahrungsergänzungsmittel ins Kalkül ziehen. Hier eignen sich vor allem Magnesium und Vitaminpräparate, die den Vitamin B-Komplex, Vitamin C und eventuell Vitamin E enthalten. Das ist aber keine Prävention, sondern eine Therapie.

derStandard.at: Das heißt Therapie im Sinne von Substitution und Prävention im Sinne von Supplementierung?

Smekal: Ja, wobei man Magnesium und Vitaminpräparate natürlich sowohl therapeutisch zum Ausgleich eines Defizits als auch präventiv im Sinne einer Supplementierung anwenden kann. Für besonders ehrgeizige Hobbyläufer, die sich vornehmen den Marathon unter drei Stunden zu laufen, ist die Einnahme dieser Zusatzpräparate sowohl Supplementierung als auch Substitution.

Wichtig ist immer, dass man sich überlegt, welche Wirkung man sich von einer Substanz erwartet. Im Wesentlichen sind das zwei Dinge: Entweder man will mit einem Präparat vorbeugend seine Gesundheit schützen, oder man erwartet sich durch Einnahme eines Präparates eine Leistungssteigerung.

derStandard.at: Würden Sie generell behaupten: Nahrungsergänzungsmittel sind sinnlos oder sinnvoll?

Smekal: Ich würde nicht generell behaupten, dass sie sinnlos sind. Es hängt davon ab, ob man mit der Nahrung ausreichend Eiweiß, Kohlenhydrate und Vitamine zu sich nimmt. Viele Sportler, auch Spitzensportler, wissen nicht wie viel Gramm Eiweiß beispielsweise sie täglich essen. Für diese Problematik muss man als sportlicher Mensch aber ein Verständnis entwickeln. Auch das Wissen über Entleerung und Wiederauffüllung der Kohlenhydratspeicher sollte jeder Sportler erwerben, damit er gesundheitliche Probleme verhindert. Betreibt man viel Sport und die Ernährungsgestaltung verläuft langfristig trotzdem nicht optimal, dann macht es schon Sinn ein Multivitaminpräparat einzunehmen.

derStandard.at: Das heißt, hier wird ein bestehendes Defizit behoben. Erreicht man damit auch eine Leistungssteigerung?

Smekal: Nein. In Wahrheit ist es so, dass man von den meisten Substanzen keine Leistungssteigerung erwarten kann, solange mit der Nahrung ausreichend Spurenelemente und Vitamine zugeführt werden. Nur wenn ein Defizit da ist, kann man auch eine Leistungssteigerung erwarten. Aber nicht deshalb, weil die Substanz per se leistungssteigernd ist, sondern weil man bedingt durch den Nährstoffmangel einen Leistungsabfall erwarten kann.

derStandard.at: Wann würden Sie zur Einnahme von Nahrungsergänzungen raten?

Smekal: In Phasen mit extremen Trainingsumfängen und besonders hohen Belastungsintensitäten, nach grippalen Infekten und bei hohen psychischen Anforderungen empfehle ich die Einnahme.

derStandard.at: Welche Vitamine braucht und verbraucht der Sportler im besonderen Maße?

Smekal: Besonders gerne verabreicht man das Antioxidans Vitamin C bei Infektanfälligkeit. Antioxidantien neutralisieren freie Radikale. Diese bilden sich unter Belastung vermehrt, weshalb Leute daraus geschlossen haben, dass Sport vielleicht schädlich ist und zu Krebs führt. Beweis gibt es dafür keinen. Vitamin E ist ebenfalls ein Antioxidans, das gerne eingenommen wird und auch der Vitamin-B-Komplex kann hilfreich sein.

derStandard.at: Was ist mit Mineralstoffen?

Smekal: Magnesiummangel und Übertraining besitzen ein ähnliches Beschwerdebild. Wenn also die Leistungsentwicklung nicht gut verläuft, man sich oft müde und nervös fühlt und zusätzlich auch noch Schlafstörungen auftreten, dann ist es ratsam Magnesium einzunehmen.

derStandard.at: Der Mangel an Magnesium lässt sich aber nur schwer beweisen.

Smekal: Das ist richtig, denn ein normaler Magnesiumspiegel im Blut, schließt einen Magnesiummangel nicht aus. Ich rate einem Sportler, der viel trainiert und der sich ohne nachvollziehbaren Grund nicht gut fühlt Magnesium einzunehmen.

derStandard.at: Beim Laufen verliert man angeblich besonders viel Eisen. Wodurch kommt dieser hohe Verlust zustande?

Smekal: Menschen, die sehr viel laufen, zertrümmern ihre roten Blutkörperchen förmlich mit den Fußsohlen und verlieren auf diese Weise Eisen. Weibliche Athletinnen müssen besonders aufpassen, weil sie zusätzlich über die Regelblutung Eisen verlieren. Vegetarier haben auch oft einen Eisenmangel, da Fleisch viel Eisen enthält. Bei Sportarten, wo viel geschwitzt wird, wie Fechten oder Judo kann Eisenmangel ebenfalls zum Problem werden. Sämtliche Spurenelemente gehen hier vermehrt verloren.

derStandard.at: Kann Eisenmangel gefährlich sein?

Smekal: Nein, aber unangenehm, weil man eine Anämie entwickelt. Anämische Menschen fühlen sich schlapp, sind blass im Gesicht und nicht leistungsfähig. Der Grund der Leistungsminderung ist, dass es zu wenig rote Blutkörperchen gibt und daher zu wenig Sauerstoff im Blut transportiert wird. Eisenmangel sollte man aber immer, egal ob man Sportler ist oder nicht, ausgleichen.

derStandard.at: Wann macht Calciumeinnahme Sinn?

Smekal: Hier müssen vor allem ausdauertrainierende Athletinnen aufpassen, wenn sie unregelmäßige oder ausbleibende Regelblutungen haben. Die hormonelle Störung hängt mit dem Calciumstoffwechsel zusammen. Calciummangel kann zu Überlastungsbrüchen führen, bei Läuferinnen vor allem im Mittelfußbereich.

Langfristig kann sich eine Osteoporose entwickeln. Frauen die leistungsfähig bleiben und kein Risiko eingehen wollen, müssen sich bei Zyklusproblemen vom Gynäkologen behandeln lassen. Calcium lässt sich mit der Nahrung, in Form von Milch oder mit entsprechenden Präparaten ergänzen.

derStandard.at: Wie effizient ist die Einnahme von L-Carnitin?

Smekal: L-Carnitin ist umstritten. Man weiß heute, dass man umso länger leistungsfähig ist, je länger der Kohlenhydratspeicher aufrecht erhalten bleibt. Man ist davon ausgegangen, dass L-Carnitin den Fettstoffwechsel bei Ausdauerbelastungen fördert und auf diese Weise die Kohlenhydratspeicher geschont werden. Aufgrund der vorliegenden Studien, scheint eine akut leistungssteigernde Wirkung von L-Carnitin aber unwahrscheinlich.

derStandard.at: Inwieweit ist die Wirkung von Nahrungsergänzungen generell in Studien wissenschaftlich untersucht?

Smekal: Wissenschaftliche Untersuchungen gibt es viele. Das Problem sind aber die häufig sehr gegensätzlichen Ergebnisse. Angenommen mehrere Studien zeigen nur negative Ergebnisse und dann gibt es plötzlich ein paar wenige Studien, die zum selben Thema positive Ergebnisse zeigen. Es ist schon als Mediziner mühsam abzuwägen, was stimmt und was nicht. Für Laien ist es natürlich noch schwieriger.

derStandard.at: Die Wirkung von Kreatin im Krafttraining wurde aber in vielen Studien bewiesen?

Smekal: Kreatin ist Teil des Kreatinphosphats. Es gehört zum anaeroben alaktaziden Teil des Stoffwechsels. Das heißt es spielt eine wichtige Rolle für Sportarten, die eine kurze, hoch intensive Belastung mit sich bringen, wie Sprint, Kugelstoßen oder Gewichtheben. Ein großer Muskelquerschnitt ist für Sportarten mit hohem Krafteinsatz besonders wichtig und genau diesen Effekt scheint Kreatin zu haben. Bei Einnahme von Kreatin nimmt die Muskelmasse unter Krafttraining vermehrt zu. Nicht alle Sportler reagieren aber gleich darauf.

derStandard.at: Ulrich Haas, der Vorsitzende der deutschen Anti-Doping-Kommission, will Kreatin am liebsten auf die Dopingliste setzen lassen. Warum?

Smekal: Davon habe ich noch nichts gehört. Ich kann mir aber vorstellen, dass dieser Vorschlag auf der hohen Rate an Verunreinigungen mit anabolen Steroiden beruht. Auf Kreatinpräparate trifft das besonders of zu, vor allem Präparate die am freien Markt gekauft werden können.

derStandard.at: Das heißt es wäre besser man würde Kreatin verbieten?

Smekal: Das wäre Schwachsinn, denn Kreatin kommt in der Natur vor, vor allem in Fleisch. Das Problem ist die extreme Verunreinigung dieser Präparate. Geht man allerdings davon aus, dass die Mehrzahl der Leute die Kreatin einnehmen, mehr Muskeln haben wollen, so kann man auch annehmen, dass die zugefügten Anabolika leider oft auch erwünscht sind.

derStandard.at: Wie erkennt der Laie, ob die Produkte verunreinigt sind?

Smekal: Gar nicht. Es gibt aber im Dopingkontroll-Labor in Seibersdorf eine Liste von Präparaten, die laufend überprüft werden.

derStandard.at: Das heißt die Hersteller sind nicht verpflichtet zu deklarieren, was in den Nahrungsergänzungsmitteln enthalten ist?

Smekal: Doch. Das Problem ist nur, es steht zwar drauf, aber es wird de facto nur überprüft, wenn der Hersteller das auch selbst will und bezahlt.

derStandard.at: Sehr beliebt ist unter Sportlern BCAA. Was ist das?

Smekal: BCAA steht für Branched Chain Amino Acids. Das sind die verzweigtkettigen Aminosäuren: Leucin, Isoleucin und Valin. Sie werden als leistungssteigernde, sogenannte ergogene Substanzen diskutiert, weil der Organismus unter Belastung auf verzweigtkettige Aminosäuren zugreift und sie oxidiert. Mit der Zufuhr von BCAA hat man sich ebenfalls erhofft, dass man die Kohlenhydratspeicher schonen kann.

derStandard.at: Und hat sich die Hoffnung bestätigt?

Smekal: Nein, denn bei der Oxidation der verzweigtkettigen Aminosäuren entstehen Stoffwechselzwischenprodukte, die ihrerseits für den Abbau Substanzen aus dem aeroben Energiestoffwechsel benötigen. Kurz gesagt, man baut zwar an einer Stelle etwas ein, holt aber etwas anderes, was für die aerobe Energieversorgung genau so wichtig ist, wieder heraus. Das Nettoprodukt ist gleich null. Man kann also keine Leistungssteigerung erwarten. Es scheint jedoch zu stimmen, dass BCAA antikatabol ist. Das bedeutet, dass es Eiweißverluste bei extremen Belastungsumfängen reduziert. Der Körper verbraucht beim Training viel Eiweiß und greift bei hohen Trainingsumfängen auf das im Muskel gebundene Eiweiß zurück. Die Folge ist ein unerwünschter Muskelabbau. Mit BCAA versucht man den Muskelabbau geringer zu halten.

derStandard.at: Was raten sie den Hobbyläufern für den nächsten Marathon?

Smekal: Ich rate den Hobbysportlern vor dem Bewerb ihre Kohlenhydratspeicher in der Muskulatur und der Leber aufzuladen.

derStandard.at: Wie macht man das?

Smekal: Es gibt mehrere Methoden. Die einfachste ist, den Speicher vier Tage vor dem Marathon mit einer intensiven Trainingseinheit zu entleeren und danach reichlich Kohlenhydrate zu essen. Die Trainingsumfänge muss man in den letzten Tagen vor dem Wettkampf reduzieren, damit die Kohlenhydratspeicher auch voll bleiben.

Am Wettkampftag selbst, sollte man unmittelbar vor dem Marathon und während des Marathons laufend Kohlenhydrate über Getränke und feste Nahrungsmittel zuführen. Die Kohlenhydrate, die man während der Belastung zuführt und verbrennt schonen die Kohlenhydratspeicher im Organismus. Also: Nicht nichts und nicht Wasser während dem Marathon. (Das Interview führte Regina Philipp)