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Ein ungarischer Rechtsextremist steht vor brennenden Barrikaden in Budapest.

Foto: AP/Bela Szandelszky
Budapest - Der ungarische Nationalfeiertag am 15. März hat in Budapest mit einem Polizeieinsatz gegen Anti-Regierungs-Demonstranten geendet. Die Sicherheitskräfte schossen mit Tränengas-Granaten und Wasserwerfern, während die Demonstranten Barrikaden bauten und sie anzündeten sowie die Polizisten mit Gegenständen bewarfen. Oppositionschef Viktor Orban drohte indes bei einer Massenkundgebung mit der "Vertreibung" der Regierung.

In den Abendstunden des Donnerstag versammelten sich zunächst einige Hundert Menschen bei der Prachtstraße Andrassy ut, angeblich um den am Donnerstag festgenommenen, zuvor seit Monaten polizeilich gesuchten Anti-Regierungs-Demonstranten György Budahazy zu befreien. Sie wurden mit Wasserwerfern und Tränengas auseinandergetrieben. Budahazy wird vorgeworfen, bei Ausschreitungen im September unter anderem das sowjetische Denkmal vor dem Fernsehgebäude schwer beschädigt zu haben.

36 Personen festgenommen

Nach der Krawallnacht herrscht in der ungarischen Hauptstadt Ruhe. Laut einem Polizeibericht wurden im Zuge der Anti-Regierungs-Proteste in den vergangenen 24 Stunden 36 Personen festgenommen. Sie hätten am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag, der Nacht des Nationalfeiertags im Gedenken an die Revolution von 1848, nachweislich an Ausschreitungen und Angriffen auf die Ordnungskräfte teilgenommen, hieß es.

Der Sprecher des oppositionellen rechtskonservativen FIDESZ-Ungarischer Bürgerverbands, Peter Szijjarto, fordert eine Untersuchung, ob nicht "polizeiliche Fehler zu der bedauernswerten Situation" geführt hätten, nachdem es erneut zu Randalen und dem Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas kam. Auch müsse untersucht werden, inwieweit die Verhaftung von György Budahazy für die Krawalle eine Rolle gespielt habe.

Budahazy wurde seit Monaten wegen Beteiligung an Ausschreitungen bei Anti-Regierungsprotesten im Herbst 2006 polizeilich gesucht. Er soll unter anderem das Denkmal der sowjetischen Soldaten in Budapest schwer beschädigt haben.

György Szilvasy, Kanzleiminister der sozial-liberalen Regierung, wies diese Darstellung zurück, die Verhaftung Budahazys sei eine Provokation der Polizei gewesen. Die gewaltbereiten Demonstranten, die "sehr gut auf die Randale vorbereitet waren", hätten auch ohne die Verhaftung einen Grund für ihre Krawalle am Nationalfeiertag gefunden.

Hunderte Demonstranten

Gruppen aus hunderten Demonstranten hatten sich am Donnerstagabend auf den Hauptstraßen der Innenstadt immer wieder neu formiert. Nach Medienberichten errichteten die Demonstranten Barrikaden aus Bauelementen, sie bewarfen und beschossen die Polizisten mit Steinen, Flaschen, Glaskugeln und Ähnlichem. Mülltonnen und Barrikaden wurden angezündet und Autos zerschlagen. Zahlreiche Protestteilnehmer waren vermummt.

Die Ereignisse erinnerten an ähnliche Geschehnisse am Abend des 23. Oktober vergangenen Jahres, des 50. Jahrestags der Revolution 1956, sowie an die Anti-Regierungs-Ausschreitungen im vergangenen September. Wegen der Gefahr von Auseinandersetzungen war die Polizei am 15. März, dem Feiertag der Revolution 1848, in Alarmbereitschaft versetzt worden.

Mit Eiern und Tomaten beworfen

Zuvor hatte es nur bei der Gedenkveranstaltung der Budapester Stadtverwaltung einen ernsthaften Zwischenfall gegeben. Der liberale Bürgermeister Gabor Demszky, dessen Partei SZDSZ (Freidemokraten) Koalitionspartner in der Regierung ist, war bei seiner Rede vor der Statue des Nationaldichters Sandor Petöfi mit Eiern und Tomaten beworfen worden. Während der gesamten Zeremonie bei dem Denkmal ertönten Sprechchöre und Pfeifkonzerte. Auch das Kulturprogramm vor dem Nationalmuseum wurde, offenbar wegen der Anwesenheit von Regierungschef Ferenc Gyurcsany und zahlreicher hoher Würdenträger, von Hunderten Demonstranten mit Pfiffen und Beschimpfungen gestört.

Die Massenkundgebung der größten Oppositionspartei Fidesz - Ungarischer Bürgerverband am Nachmittag verlief hingegen friedlich. Fidesz-Chef und Ex-Premier Orban drohte in seiner Rede indes mit der "Vertreibung" der Regierung. Eine Regierung kann "auch in einer Demokratie vertrieben werden", betonte er. Die jetzige Macht in Ungarn führe "Krieg gegen die eigene Nation", sagte er mit Verweis auf die kürzlich vom sozialliberalen Kabinett eingeführten Sparmaßnahmen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur MTI waren rund 200.000 Menschen bei der Fidesz-Kundgebung anwesend.

"Die Heimat sind wir alle"

Premier Gyurcsany beschwor in seiner Rede im hermetisch abgeriegelten "Palais der Künste" am Abend hingegen die "Zusammengehörigkeit" der Nation, diesseits und jenseits der Grenze, über alle sozialen, politischen, religiösen und kulturellen Trennlinien hinweg. Er erinnerte daran, dass in der Zeit der Revolution 1848 noch klar gewesen sei: "Die Heimat bin nicht ich, die Heimat sind wir alle."

Auch mehrere andere Gruppen und Parteien veranstalteten Anti-Regierungs-Demonstrationen im Laufe des Tages. Bei der Kundgebung der rechtsextremen Partei der ungarischen Wahrheit und des Lebens (MIEP) des Schriftstellers Istvan Csurka trat auch der Brite David Irving auf, der in Österreich wegen Holocaust-Leugnung im Gefängnis gesessen war.

Die Anti-Regierungs-Proteste hatten im vergangenen September begonnen, nachdem eine interne Rede von Premier Gyurcsany an die Öffentlichkeit gelangt war, in der er vor sozialistischen Parteikollegen zugegeben hatte, das Volk nicht wahrheitsgemäß über die Lage im Land informiert und damit "belogen" zu haben. (APA/Red)