Gourmeträtselrallye durch Frankreich.

Foto: ARTE / zero film

Metzger Gilbert Schluraff weiß, wie Elsässer Sauerkraut mögen. Kriegt es die Gourmetreisende so hin? Zu sehen in "Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener", 20.15 auf Arte.

Foto: ARTE / zero film

Sarah Wiener bei Christine Ferber. Mehr Fotos in der Ansichtssache "Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener".

Foto: ARTE / zero film
Doris Priesching sprach mit Sarah Wiener über verbrannte Butter, tote Perlhühner und spezielle Aspekte der Konfektionsgröße 38.

***

STANDARD: Zum Auftakt Ihrer Gourmeträtselrallye müssen Sie ein Perlhuhn töten. Iher erste Schlachtung?

Wiener: Ich habe bereits Hühner als Mamsell in der ARD-Serie "Gutshof" getötet. Damals hatten wir solchen Hunger, so dass es mir weniger ausmachte. Ich habe sie mit dem Messer abgestochen. Jetzt das Perlhuhn mit Strom zu töten, fand ich fast schlimmer.

STANDARD: Hatten Sie nach der Zeit als strenge Mamsell weniger Gäste in Ihren Restaurants?

Wiener: Sie werden sich wundern: Die Leute haben mich geliebt. Ich war ja nie wirklich böse, sondern nur streng. Vielleicht mochten die Zuseher die Klarheit und den Mut, jemanden vor der Kamera zur Sau zu machen und dafür in Kauf zu nehmen, Sympathiewerte zu verlieren.

STANDARD: Der Vorschlag für diese Serie kam von Ihnen?

Wiener: Ich wollte mit Bedacht keine weitere Kochshow produzieren. Ich wollte reisen und mit Laien auf hohem Niveau kochen, ich wollte mich überraschen lassen, Abenteuer erleben, und ich wollte etwas mit Arte machen. Die Idee das so zu verpacken, kam von den Produzenten und vom Regisseur. Mir war wichtig, dass es auch um Produkte geht.

STANDARD: Die zubereiteten Speisen schauen verlockend aus. Sind wirklich alle frisch zubereitet?

Wiener: Bis auf ein paar Wege, die ich schon ein paar Mal wiederholt habe, ist alles echt! Die Kameraleute haben immer gehofft, dass ich versage. In einer Folge frage ich den "Tonmann", wie es den Leuten schmeckt. Er verzieht den Mund und sagt: Beschissen. Ich dachte, die schneiden das raus, natürlich haben sie es gelassen. Ein anderes Mal verbrennt mir natürlich die Butter, auch das ist zu sehen. Es ist sehr lustig.

STANDARD: Laut eines aktuellen Lebensmittelberichts ernähren sich die Österreicher immer gesünder. Im Billa-Wagerl halten sich aber hartnäckig Leberkässemmel und Fertigprodukte. Ist das die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit?

Wiener: Es gibt eine Kluft, aber das ist jene zwischen einer Elite, die immer ausgefeilter kocht und vielleicht auch qualitätsbewusst einkauft und einer Masse, die einfach Mist isst. Nicht immer ist das eine Frage des Geldes. Ob Sie jetzt für ein Kilo Reis ein Euro oder für dieselbe Menge Vollkornreis zwei zahlen, kann nicht wirklich die Frage sein. Es muss nicht immer Filet und Rücken sein, es geht auch mit roten Rüben und Pastinaken. Es wird auch immer schlimmer, denn die Elterngeneration kocht nicht mehr, und so essen schon die Kinder nur noch Mist und werden immer fetter und unglücklicher. Das ist eine Verantwortung, die der Staat zu übernehmen hat. Es bräuchte mehr Kochkurse in Schulen.

STANDARD: Oder mehr Kochshows. Haben Sie ein Sendungsbewusstsein?

Wiener: Auf jeden Fall. Abgesehen von meiner Eitelkeit ist das das einzige, das mir die Berechtigung gibt, überhaupt vor der Nation rumzuturnen.

STANDARD: Bestimmt sind Sie dann auch "politisch korrekte Esserin" – Stichwort Gänseleber?

Wiener: Ich bin Schirmherrin vom Tierzuchtfond für artgerechte Tierhaltung. Sie können sich vorstellen, wie ich dazu stehe. In der Serie habe ich Gänseleber gegessen, weil ich klar machen wollte, dass man alles probieren muss.

STANDARD: Wirklich alles?

Wiener: Nein. Einen Affen, dem bei lebendigem Leib der Schädel eingeschlagen wird – das muss ich nicht probieren.

STANDARD: Bruckfleisch, Suppe aus Aalinnereien?

Wiener: Wenn Sie mir sagen, dass es wichtig ist, daran objektiv und unbefangen heranzugehen, meinetwegen, dann probiere ist es. Ich habe in Marrakesch Stierpenis gegessen, und das ist auch etwas, was ich nicht jeden Tag haben muss. Ich denke, dass wahre Demokraten und Feinschmecker auch offene Geschmacks- und Gehirnnerven haben sollten. Aber ich bin natürlich in gewisser Weise determiniert, in meinen intellektuellen Fähigkeiten, was Geschmack betrifft.

STANDARD: Sie haben angeblich noch nie in Ihrem Leben Coca-Cola getrunken?

Wiener: Das stimmt. Ich habe es zwar gekostet, aber noch nie ein ganzes Glas getrunken.

STANDARD: Hamburger?

Wiener: Ganz viele. Gegen einen Hamburger ist doch überhaupt nichts zu sagen. Würde man die künstliche Sauce und die Pappbrote weglassen, ist das doch eh gut. Grundsätzlich ist es nur eine Frage, wie viel, wann und in welchen Mengen jemand isst. Schweinsbraten ist köstlich, aber jeden Tag, oder im Hochsommer oder zum Frühstück muss ich den nicht haben. Die Leute sollten essen, was ihnen Spaß macht und auf ihren Körper hören.

STANDARD: Es fällt aber doch auf, dass das Essen gewisse Probleme macht: Die Einen müssen es ästhetisieren und vergeistigen, andere verweigern sich bis zur Magersucht?

Wiener: Essstörungen sind eher ein Problem des Hirns als des Darmes. Ich glaube, dass die meisten Menschen die Kontrolle über ihren Körper wieder erlangen wollen, weil sie fürchten, dass sie die Kontrolle über die Welt verloren haben. Ich halte es überdies für kontraproduktiv, wenn überall Magersüchtige als Schönheitsideal propagiert werden. Ich verstehe nicht, warum die Industrie, Werbung, Medien eine Größe von 36 oder 38 für den normalen Mitteleuropäer idealisieren. Das ist schlicht eine Zumutung.

STANDARD: Welche Größe haben Sie?

Wiener: 38, aber jetzt kommen Sie mir nicht damit: "Sie haben gut reden!" Ich würde das als Diskriminierung auslegen! Umgekehrt bin ich froh, denn hätte ich 45, hieße es schnell: "Na eh klar, die blade Sau sagt das nur, weil sie frustriert und fett ist." Ich bin ganz sicher nicht essgestört, ich könnte natürlich wie jede Frau zwei Kilo weniger ...

STANDARD: Bei Größe 38? Ich bitte Sie!

Wiener: Ja gut, oben habe ich 38, mein kleiner dicker Hintern und die Schenkel vertragen dann schon auch einmal 40 oder 42. Aber darum geht es nicht. Wir werden schon so erzogen, dass wir glauben, wir müssten noch dünner und kränker sein. Früher haben wir gehungert, weil uns die Männer nicht an die Fleischtöpfe herangelassen haben. Heute hungern wir uns auch für die Männer. Ich frage mich, warum. Vielleicht, weil die Männer vor Kraft strotzenden und gesunden Frauen Angst haben? Oder haben wir selber vor unserer Kraft Angst?

STANDARD: Alice Schwarzer sagt, weil Frauen sich "dünne machen" sollen.

Wiener: Und das alles vor dem Hintergrund, dass wir von der Lebensmittelindustrie manipuliert werden. Wir haben keine Ahnung, was diese künstlichen Aromastoffe und Emulgatoren auslösen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt so viele Leute depressiv sind und Probleme mit ihrem Körperbewusstsein haben. Aber wir reißen hier Sachen an, die man eigens einmal besprechen müsste, außerdem wartet meine Mutter ...

STANDARD: Kurze Abschlussfrage: Der ORF bastelt am neuen Programm. Gab es schon Anfragen?

Wiener: Noch nicht. Leider, denn ich kann nicht verleugnen, dass ich eine große Affinität zu meinem Heimatland habe. Ich bin stolz, dass der Biomarkt in Österreich größer ist als sonstwo. Trotzdem gibt es noch so viel zu tun, so viel Aufklärung ...

STANDARD: ... dass das österreichische Fernsehen Sarah Wiener gut vertragen würde ...

Wiener: Dazu werde ich nichts sagen, denn das wäre doch ein wenig sehr arg präpotent. (DER STANDARD, Printausgabe, 5./6./7.1.2007)