Mittal: "Bahnbrechendes Ereignis"
Der indische Konzernchef Lakshmi Mittal nannte die Fusion am Montag ein "bahnbrechendes Ereignis, das die Zukunft der Stahlindustrie prägen wird". Der Vorsitzende des Arcelor-Verwaltungsrats, Joseph Kinsch, zeigte sich zufrieden, weil Mittal sein Angebot erheblich nachgebessert habe. Mittal hatte seine Offerte für Arcelor um zehn Prozent auf insgesamt 25,6 Mrd. Euro erhöht. Das Bar-Angebot wurde auf maximal 8,5 Mrd. Euro angehoben.
Kinsch begründete das Einlenken von Arcelor aber nicht nur mit dem finanziell verbesserten Angebot. Mittal habe sich auch zu den Unternehmensgrundsätzen von Arcelor bekannt: Qualität und Ertrag seien wichtiger als die Produktion großer Mengen. Zudem werde am Umgang mit den insgesamt 330.000 Mitarbeitern nichts geändert.
Mittal sprach von einer "Fusion der Gleichen, um das führende Stahlunternehmen der Welt zu schaffen". Wenn die Arcelor-Aktionäre der Empfehlung des Verwaltungsrates folgen, werden die derzeitigen Arcelor-Eigentümer 50,5 Prozent der neuen Gesellschaft halten. Der Anteil der Familie Mittal beträgt 43,6 Prozent. Der Rest ist im Streubesitz. Mittals Anteil darf auch in Zukunft nicht über 45 Prozent steigen. sechs der 18 Mitglieder des Verwaltungsrats werden künftig von Mittal vorgeschlagen. Arcelor-Chef Guy Dolle, der in den vergangenen Monaten die Übernahme durch Mittal erbittert bekämpfte, bleibt im Amt. Die bisherige Vierer-Geschäftsführung wird durch drei weitere Geschäftsführer, darunter Mittals Sohn Aditya Mittal, ergänzt.
SeverStal-Chef "sehr verwundert"
Mit der Einigung ist die von Dolle zur Abwehr von Mittal geplante Fusion mit dem russischen Stahlkocher SeverStal praktisch vom Tisch. Dessen Eigentümer Alexej Mordaschow zeigte sich "sehr verwundert" über die Arcelor-Entscheidung. Er habe ein nachgebessertes Angebot dem Verwaltungsrat nicht erläutern können. Er hatte sich auch mit einem Anteil von 25 statt 32 Prozent an Arcelor einverstanden erklärt. Arcelor muss beim Scheitern der SeverStal-Fusion eine Vertragsstrafe von 140 Mio. Euro an Mordaschow zahlen. (Siehe dazu auch Artikel SeverStal prüft rechtliche Schritte, Moskauer Presse warnt vor "Spannungen").
Erleichterung in Belgien
In Belgien ist die Einigung mit Erleichterung aufgenommen worden. Premierminister Guy Verhofstadt erklärte nach Angaben des belgischen Rundfunks vom Montag, es gebe neue Möglichkeiten für die belgischen Standorte. Mittal Steel habe schriftliche Zusicherungen für die Arcelor-Standorte in Belgien gegeben.
Auch die Region Wallonien, die 2,4 Prozent der Arcelor-Anteile hält, zeigte sich zufrieden. Die Region werde der "Logik der Vereinbarung folgen", kündigte der Wirtschaftsminister der Regionalregierung, Serge Kubla, in der Brüsseler Tageszeitung "Le Soir" an.
Belgien hatte sich in der mehrmonatigen Übernahmeschlacht im Gegensatz zu den Regierungen in Frankreich, Spanien oder Luxemburg stets neutral verhalten. Der Staat hatte die Investmentbank Lazard als Berater eingeschaltet.
Belegschaft gegen Fusion
Teile der Arcelor-Belegschaft sind allerdings weiter gegen eine Fusion mit dem indischen Konkurrenten. Bei der für Freitag geplanten Aktionärsversammlung wollten die Mitarbeiter, die Arcelor-Aktien halten, für ein Zusammengehen mit Severstal votieren, kündigte ein Gewerkschaftsvertreter am Montag an. "Wir sind gegen ein Zusammengehen mit Mittal", sagte der Sprecher. Insgesamt hält die Belegschaft rund 1,4 Prozent des Kapitals von Arcelor.
Französische Gewerkschaft: "Leute werden für dumm verkauft"
Französische Arcelor-Gewerkschafter befürchten Werkschließungen. Der Zusammenschluss basiere auf "rein finanziellen" Erwägungen und solle lediglich den Aktionären "satte Gewinne" bescheren, kritisierte die Gewerkschaft CGT. Das Ergebnis müssten nun die Beschäftigten von Arcelor und Mittal "ausbaden", weil es "Werkschließungen geben wird". Die Gewerkschaft werde das Vorhaben deshalb nicht gutheißen.
"Hier werden die Leute wirklich für dumm verkauft", erklärte die CGT: "Erst führen sie mit unglaublicher Propaganda über Wochen einen Krieg gegen Mittal, um jetzt hier anzukommen." Die Milliarden für die Aktionäre würden "aus dem Fenster geworfen und fließen weder in Investitionen noch in die Forschung."
ThyssenKrupp beharrt auf Dofasco-Übernahme
Unklar blieb zunächst, ob der deutsche Stahlkonzern ThyssenKrupp darauf hoffen darf, den kanadischen Stahlhersteller Dofasco für 3,8 Mrd. Euro übernehmen zu können. Dies hatte Mittal für den Fall einer Übernahme von Arcelor versprochen. Nach der Einigung auf eine Fusion am Sonntagabend erklärte Arcelor jedoch: "Arcelor lehnt weiterhin den Verkauf von Dofasco ab." In der Mittal-Erklärung vom Montag wird eingeräumt: "Arcelor und Mittal waren nicht in der Lage, sich über die Zukunft von Dofasco zu einigen." Dies solle nach Abschluss der Fusion erfolgen.
ThyssenKrupp-Konzernsprecher Klaus Pepperhoff sagte am Montag, man beharre auf der mit Mittal vereinbarten Übernahme. Der Konzern würde damit seine Position auf dem wichtigen US-Markt deutlich verstärken. In einer Erklärung des Unternehmens hieß es: "Die ThyssenKrupp AG hat am 26. Jänner 2006 einen bindenden Vertrag mit der Mittal Steel Company N.V. abgeschlossen, in dem sich Mittal Steel verpflichtet hat, im Falle einer Kontroll-Übernahme von Arcelor den kanadischen Stahlhersteller Dofasco an ThyssenKrupp zu einem Preis von 68 kanadischen Dollar (48,4 Euro) je Aktie zu veräußern. ThyssenKrupp geht nach wie vor davon aus, dass Mittal Steel diese Verpflichtung honorieren und die Veräußerung unmittelbar nach Abschluss der Transaktion von Arcelor vollziehen wird."