Wien - Schwere Vordachtsmomente enthält die Anzeige, die der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) am vorigen Freitag der Staatsanwaltschaft übergeben hat. Namentlich gegen drei der Angezeigten, Ex-ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch, Ex-Finanzchef Günter Weninger und Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, werden in der Sachverhaltsdarstellung schwere Geschütze aufgefahren. Unter anderem wird Verzetnitsch und Weninger vorgeworfen, im ÖGB-Vorstand durch unrichtige und/oder lückenhafte Informationen einen Garantiebeschluss für die Bank-Eigenmittel herbeigeführt zu haben.

Verzetnitsch soll seine Kollegen schon unter falschen Voraussetzungen zum Beschluss für die vorjährige BAWAG/P.S.K.Umgründung gebracht haben, lautet ein weiterer Vorwurf. Dem einstigen ÖGB-Finanzchef und ehemaligen BAWAG-Präsidenten Günter Weninger wird Vermögensmissbrauch vorgeworfen. Und Ex-BAWAG-Boss Helmut Elsner wird, weil er weite Teile seines privaten Vermögens in eigene Stiftungen verbrachte, Vermögensverkürzung vorgehalten, mit dem Ziel, dass möglichst wenig für seine Gläubiger übrig bleibt.

Der ÖGB hat am Freitag, dem 16. Juni 2006, der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung gegen eine Reihe von Personen übermittelt. Deren Namen werden jedoch seitens des ÖGB aus Rücksicht auf die behördlichen Ermittlungen zunächst weiter nicht im Detail veröffentlicht. Enthalten ist in der Anzeige eine detaillierte chronologische Darstellung, wie der vormalige ÖGB-Präsident Verzetnitsch "durch Unterlassung der geschuldeten Aufklärung" über den tatsächlichen Umfang bzw. die Hintergründe der mit der Umgründungsmaßnahme verbunden Verpflichtung des ÖGB den nunmehrigen Präsidenten Rudolf Hundstorfer getäuscht habe, wie der ÖGB am Mittwoch dazu mitteilte.

Verzetnitsch täuschte

So hätte Verzetnitsch am 5. September 2005 in Kenntnis der massiven Verluste der BAWAG - von denen kein anderer Funktionär des ÖGB außer Weninger und Verzetnitsch Kenntnis gehabt habe - beschlossen, an der Hauptversammlung der BAWAG-Aktionäre am 8. September, in der die Abspaltung des Betriebes "Bankbetrieb" der BAWAG zur Aufnahme auf die Kapital & Wert Bank AG (nunmehr BAWAG P.S.K.) genehmigt werden sollte, nicht selbst teilzunehmen. Als Vertreter wurde ÖGB-Vizepräsident Hundstorfer entsandt, der erst kurz vor dem Termin informiert worden sei. Hundstorfer hatte - so der ÖGB in seiner heutigen Aussendung - "nicht die Möglichkeit, die von langer Hand und vielen Rechtsexperten erstellten Dokumente inhaltlich zu prüfen". Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung war der Spaltungsvertrag sowohl vom Vorstand der BAWAG als auch vom Vorstand der Kapital & Wert Bank AG bereits unterschrieben.

"Verzetnitsch hätte Hundstorfer aufklären müssen, dass die angenommenen Voraussetzungen für diese Umgründungsmaßnahmen nicht gegeben waren. Somit hat er die geschuldete Aufklärung unterlassen und Hundstorfer getäuscht", heißt es in der ÖGB-Mitteilung von heute.

Weiters bestehe der begründete Verdacht, dass der ehemalige Leitende Sekretär für Finanzen, Weninger, die ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen - nämlich der ÖGB Vermögensverwaltungs Ges.m.b.H - zu verfügen, "wissentlich missbraucht hat". Dadurch sei dieser Gesellschaft und damit in Folge dem ÖGB ein "gigantischer Vermögensnachteil" zugefügt worden.

Die Protokolle

Dem ÖGB wurden nach eigenen Angaben am 14. Juni 2006 Kopien von "geheimen" Protokollen von Vorstandssitzungen der BAWAG im Zeitraum zwischen 1998 und 2004 ausgefolgt. Aus denen gingen "die tatsächlichen Verhältnisse im Bezug auf die in diesem Zeitraum entstandenen Verluste eindeutig hervor". Darin zeigte sich, dass vom damaligen BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner eine Informationssperre nach außen angeordnet bzw. mit den übrigen Vorstandsmitgliedern vereinbart wurde, die auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Eigentümern gelten sollte. Informiert wurde bloß Aufsichtsratspräsident Weninger.

"Fritz Verzetnitsch ermöglichte die Handlungen von Günter Weninger ab spätestens 2001 dadurch, dass er ihn entweder gewähren ließ und/oder gemeinsam mit ihm rechtsgeschäftliche Erklärungen abgab, für welche kein Beschluss der zuständigen Gremien vorlag", schreibt der ÖGB unter Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung.

Präsidium informiert

Erst am 20. März 2006 sei das Präsidium des ÖGB von Verzetnitsch und Weninger über die von ihnen ohne Beschluss der zuständigen Gremien erklärten Haftungsübernahmen informiert worden, wurde bekräftigt. Dies, nachdem Weninger und Verzetnitsch zuvor "durch unrichtige und/oder unvollständige Information einen Beschluss des ÖGB-Vorstandes herbeigeführt hatten, für die Eigenmittel der Bank im erforderlichen Ausmaß zu garantieren".

Der frühere BAWAG-Generaldirektor Elsner dürfte, so mutmaßt der ÖGB, seine Ehefrau veranlasst haben, das bekannte "Penthouse" von der BAWAG angeblich zu einem Bruchteil des Wertes zu kaufen. Die nötigen Mittel dürften aus dem Vermögen von Helmut Elsner stammen, dem zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein müsse, dass die BAWAG Schadenersatzansprüche im Ausmaß von mehreren hundert Millionen Euro gegen ihn stellen würde. Weiters besteht der begründete Verdacht, dass Elsner durch die Einbringung eines großen Teils seines Vermögens in Privatstiftungen zumindest versucht hat, einen Teil seines Vermögens zu verringern, um dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger zu vereiteln. (APA)