Lautstark, mit einem Gong, protestierte die FDP am Freitagmorgen vor dem Bundesrat in Berlin. "Der Hammer aus Berlin", stand auf dem Protestplakat daneben. Doch genützt hat die Aktion der größten Oppositionspartei gar nichts, ebenso wenig wie die Kritik, die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei "grottenfalsch", weil sie die deutsche Wirtschaft belasten und die ohnehin schwach ausgeprägte Kauflust der deutschen Konsumenten dämpfen werde.

"Wer die Mehrwertsteuer verhindern will, muss erst einmal Einsparungen im selben Volumen vorschlagen. Aber da habe ich bisher kein Wort gehört", wies Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Kritik der FDP zurück. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) machte sich noch einmal für die Erhöhung stark: "Ich bin der Überzeugung, dass der Schaden, dem Gesetz nicht zuzustimmen, in einer gigantischen Größenordnung größer wäre, als wenn wir es machen." Vor der Bundestagswahl im Herbst 2005 hatte die SPD noch mit den Worten "Merkelsteuer, das wird teuer" gegen eine Erhöhung der wichtigsten Verbrauchersteuer gekämpft. Doch längst sind sich die beiden deutschen Volksparteien einig, dass sie den Haushalt ohne diese Steuererhöhung nicht sanieren können.

Investitionen sollen steigen

Im kommenden Jahr will die deutsche Regierung zum ersten Mal seit 2001 wieder einen Haushalt vorlegen, der der Drei-Prozent-Defizitgrenze des EU-Stabilitätspaktes entspricht. Außerdem sollen die Investitionen wieder höher ausfallen als die neuen Schulden - so wie es das Grundgesetz in Deutschland eigentlich vorsieht. 2007 erwartet das Finanzministerium in Berlin durch die höhere Mehrwertsteuer Mehreinnahmen von 19,4 Milliarden Euro für die Staatskassen. 2008 sollen es 22,7 Milliarden sein, im Jahr darauf 23,3 Milliarden.

Ein Prozentpunkt der Erhöhung wird zur Senkung der Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent verwendet. Mit dem Rest werden die Haushalte von Bund und Ländern saniert.

In den vergangenen Tagen hatten zwar die Ministerpräsidenten der Länder noch die Muskeln spielen lassen und gedroht, dem "Reformwerk" der schwarz-roten Bundesregierung nicht zuzustimmen, weil sie sich mit dem Bund über Zuschüsse zum Nahverkehr stritten. Doch schließlich wurde ein Kompromiss gefunden und damit war auch der Weg zur höheren Mehrwertsteuer frei.

Weitere Kürzungen

Doch diese ist nicht die einzige "Grausamkeit", die im kommenden Jahr auf die Deutschen zukommt. Neben der höheren Mehrwertsteuer enthält das am Freitag beschlossene "Haushaltsbegleitungsgesetz" noch weitere Sparmaßnahmen:

  • Die Pauschalsteuer für Minijobs wird von 25 auf 30 Prozent angehoben.

  • Die Sozialversicherungsfreiheit von Sonn-, Feiertags-und Nachtzuschlägen wird auf einen Grundlohn von 25 Euro pro Stunde begrenzt. Für höhere Entlohnungen müssen Steuern gezahlt werden.

  • Bundesbeamten wird das Weihnachtsgeld halbiert.

  • Der Bundeszuschuss für die Pensionsversicherung wird 2006 um 170 Millionen Euro und ab 2007 um 340 Millionen Euro vermindert. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.6.2006)