Brüssel - Dass die EU-Haushaltskommissarin Dalia Grybauskaite aus Litauen für den Beitritt ihres Landes zur Eurozone schon mit nächstem Jahreswechsel gestimmt hat, war keine große Überraschung. Mehr schon, dass auch zwei weitere Kommissare ihrer Meinung waren: Der tschechische Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Vladimír Spidla, sowie die aus Polen stammende Kommissarin für Regionalpolitik, Danuta Hübner, haben sich auch dafür eingesetzt, dass Litauen bald den Euro bekommt.

Mit den drei Kommissaren sind auch viele Wirtschaftswissenschafter der Meinung, dass Litauen eigentlich den Euro schon verdiene. Das Land erfüllt bis auf die Inflation alle relevanten Beitrittskriterien, und die Teuerungsrate, die maximal 2,6 Prozent betragen darf, liegt bei 2,7 Prozent. Aber gerade dieses Kriterium sei wenig geeignet, um

Beitrittskandidaten aus dem Osten mit hohem Wachstum seriös zu beurteilen, meinen Ökonomen. "Litauen hat alles gemacht, was nötig war, damit im nächsten Jahr der Euro eingeführt werden kann", wiederholte der Chef der litauischen Zentralbank, Reinoldijus Sarkinas, trotzig.

"Wenn man einfach nur offiziell denkt, müssen die Kriterien natürlich strikt eingehalten werden", sagte Vidmantas Saferis, Analyst bei der großen baltischen Hansabank: "Aber sollte man wirklich Stabilität mit wirtschaftlicher Stagnation verwechseln?"

Politische Stabilität

Saferis befürchtet politische Instabilität in Vilnius. "Bisher hat die Regierung die Einführung des Euro versprochen, und jetzt müssen sie eingestehen, die Maastricht-Kriterien nicht zu erfüllen." Ganz geschlagen gibt sich Litauen aber noch nicht: Am EU-Gipfel im Juni soll noch ein Vorstoß erfolgen. (Michael Moravec, Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.5.2006)