New York/Beirut - Die Vereinten Nationen werden die Untersuchung der Hintergründe des Mordes am libanesischen Ex-Premier Rafik Hariri verlängern und möglicherweise auch auf andere politische Morde im Libanon ausdehnen. Ein entsprechender Resolutionsentwurf wurde in der Nacht auf Mittwoch von den USA, Großbritannien und Frankreich eingebracht und sollte am Donnerstag angenommen werden. Er trägt einem Gesuch des libanesischen Ministerpräsidenten Fouad Siniora Rechnung. Hunderttausende Libanesen haben am Mittwoch in Beirut von dem ermordeten christlichen Politiker und Zeitungsherausgeber Gebrane Tueni Abschied genommen.

Ein kilometerlanger Trauerzug folgte dem Sarg des Abgeordneten, der einer der schärfsten Kritiker des syrischen Einflusses im Libanon war. Es war die größte Kundgebung in der Hauptstadt seit dem 14. März, als eine Million Libanesen für den Abzug der syrischen Truppen demonstrierten. Tueni war damals einer der Redner gewesen. Die Demonstranten skandierten am Mittwoch Parolen gegen den syrischen Präsidenten Bashar Assad und den libanesischen Staatspräsidenten Emile Lahoud, in dem viele Libanesen einen Befehlsempfänger der Syrer sehen. Die Polizei gab die Zahl der Kundgebungsteilnehmer offiziell mit 100.000 an, inoffiziell stimmten aber selbst Polizisten Schätzungen von 200.000 zu. Zahlreiche Geschäfte, Banken und Schulen folgten dem Aufruf zum Generalstreik und blieben wie schon am Dienstag geschlossen.

In der libanesischen Regierung sind unterdessen tiefe Meinungsverschiedenheiten deutlich geworden. Die mit Syrien sympathisierenden Minister der Schiitenparteien Amal und Hisbollah haben ihre Mitarbeit im Kabinett vorläufig suspendiert. Der Vorsitzende der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP) und Drusenführer Walid Joumblatt rief unterdessen erstmals offen zu einem Regimewechsel in dem Nachbarland auf. Solange Syriens Staatschef Assad an der Macht sei, werde es keinen Frieden im Libanon und keine Stabilität im Nahen Osten geben, sagte Joumblatt, ein früherer politischer Verbündeter der Syrer. Kommunikationsminister Marwan Hamade, ein Parteifreund Joumblatts und Onkel Tuenis, sprach von einem "Regime von Diktatoren und Mördern", das zu Fall gebracht werden müsse.

Energieminister Mohammed Fneich von der Hisbollah erklärte, die schiitische Bewegung sei keine "Karte" in der Hand Syriens, doch befürchte sie jetzt, dass der Libanon zu einer "Karte" in den Händen der westlichen Mächte werde, die das Land bevormunden wollten.

Die vorbereitete UNO-Resolution würde die Ermittlungen vorerst bis Juni 2006 ausdehnen und weitere Verlängerungen in Aussicht stellen. Darüber hinaus beauftragt sie Generalsekretär Kofi Annan, den Libanon bei der Planung eines Tribunals mit "internationalem Charakter" zu beraten. Aufgabe des Sondergerichts wäre es, die Täter und Drahtzieher des Mordkomplotts gegen den früheren libanesischen Ministerpräsidenten zur Verantwortung zu ziehen. Der Bombenanschlag am 14. Februar in Beirut tötete außer Hariri weitere 22 Menschen.

Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten sich nach einem Bericht der "Washington Post" vom Mittwoch erst in letzter Minute auf den Resolutionstext geeinigt. Vorausgegangen war der Verzicht der US-Regierung auf schärfere Sanktionen gegen Syrien. Diesen hätten etliche Sicherheitsratsmitglieder nach Einschätzung von Diplomaten derzeit ihre Zustimmung verweigert.

Der deutsche Staatsanwalt Detlev Mehlis, der die UNO-Ermittlungen bisher geleitet hat, sagte auf einer Pressekonferenz am späten Dienstag (Ortszeit) in New York, sein Ermittlerteam sei derzeit zu klein, um auch noch andere Morde zu untersuchen. Er warf Syrien vor, noch immer nicht richtig mit der Ermittlungskommission zusammenzuarbeiten. Die syrische Regierung müsse vor allem schneller handeln. Mehlis verdächtigt den syrischen Geheimdienst, an der Ermordung Hariris beteiligt gewesen zu sein. Er stellte aber auch fest, dass Syrien inzwischen kooperativer auftrete als in den ersten Monaten der Ermittlungen.

Tuenis 80-jähriger Vater Ghassan, ehemaliger Minister und Botschafter bei den Vereinten Nationen, mahnte bei der Trauerfeier, es dürfe keine Rache für den Tod seines Sohnes geben. "Lasst uns zusammen mit Gebrane all den Hass begraben", sagte Ghassan Tueni und rief Muslime und Christen zur Versöhnung auf. In einer Sondersitzung des Parlaments zollten auch politische Gegner Tuenis dem Ermordeten Respekt. Der Vorsitzende der Hisbollah-Fraktion, Mohammed Raad, bezeichnete Tueni als mutig und standhaft. (APA/AP/dpa)