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Reaktionen - Fischer würdigt humane Gesinnung Dors

Als "herausragenden Schriftsteller" und "als gebürtiger Serbe auch ein engagierter Österreicher und Europäer" würdigte Bundespräsident Heinz Fischer in einer Aussendung den heute, Montag, verstorbenen Autor Milo Dor. Dieser habe "durch seine literarische und politische Arbeit viel zum Verständnis der Probleme der Balkanstaaten beigetragen", so Fischer. Er habe Dor 1963 kennen gelernt und verbinde mit dem Autor "interessante Gespräche, die mir seine schriftstellerische Arbeit und seine humane Gesinnung über die Jahre näher gebracht haben".

Schüssel: "Vermittler über Sprachgrenzen hinweg"

Als "wichtigen Vermittler über die Sprachgrenzen hinweg" bezeichnete Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) den heute, Montag, 82-jährig verstorbenen Autor Milo Dor. Dor habe "mit seiner Liebenswürdigkeit viele Brücken zwischen Österreich und den Balkanländern aufgebaut", und aus seinen Büchern "hat Österreich die tragische Geschichte Jugoslawiens in den Jahren der nationalsozialistischen Okkupation erschreckend lebendig geschildert bekommen."

Morak: Hatte "unendlich großes Herz für alle Nöte der Literatur"

Für Kunststaatssekretär Franz Morak (V) hat die österreichische Literatur mit Dor "ihren viel gelesenen Doyen und beständigsten Interessenvertreter verloren". Dor habe "ein unendlich großes Herz für alle Nöte der Literatur" gehabt und "mit seiner tiefen Menschlichkeit auch glaubwürdig für Toleranz und die mitteleuropäische Nachbarschaft geworben", so Morak. Er habe "in ärmsten Zeiten mit großen Mühen seine Existenz als freier Schriftsteller verteidigt und schon vor Jahrzehnten die Gründung der Interessengemeinschaft österreichischer Autoren und die Einrichtung eines Sozialfonds für Schriftsteller vorangetrieben".

Gusenbauer: "Großer europäischer Literat"

"Mit Milo Dor verliert Österreich einen großen europäischen Literaten, eine Stimme der Vernunft und eine herausragende Persönlichkeit", sagte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer laut Aussendung zum Ableben des Autors. Dor sei einer der ganz wichtigen Vermittler zwischen Österreich und den Balkanländern, zwischen Gegenwart und Vergangenheit gewesen. "Ein österreichischer Doyen der europäischen Literatur ist nicht mehr", so Gusenbauer.

Mailath-Pokorny und Häupl: "Grandseigneur der mitteleuropäischen Literatur"

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (S) und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S) bezeichneten in einer gemeinsamen Aussendung Milo Dor als "Grandseigneur der mitteleuropäischen Literatur". Milo Dors Werke zählten in der deutschsprachigen Literatur "zu den bedeutendsten Auseinandersetzungen mit dem Faschismus", seine Bücher seien "ständige Ermahnungen gegen das Vergessen", so Häupl und Mailath-Pokorny, die Dors "bedeutende Arbeit als Herausgeber und Übersetzer" würdigten. Die Stadt Wien bietet ein Ehrengrab an. "Mit Milo Dor verliert Europa eine große Integrationsfigur", schlossen Häupl und Mailath-Pokorny.

Ruiss: "Große integrative Kraft"

Dor sei "einer der letzten großen europäischen Autoren" gewesen, "die wir in Österreich hatten", so IG Autorinnen Autoren-Geschäftsführer Gerhard Ruiss. Er war eine "große integrative Kraft" für die Schriftsteller in Österreich. Dor, der 1971 mit Hilde Spiel die IG Autorinnen Autoren gegründet hat, habe "den Berufsstand des Schriftstellers in Österreich eigentlich erfunden", so Ruiss.

Dor war als IG Autorinnen Autoren-Chef der längst dienende Präsident in einem aktiven Verein in Österreich. Ihm sei zusätzlich zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch die "Einigung der Autoren in berufspolitischen Fragen" gelungen, so Ruiss, der "hofft, dass die Hinterlassenschaft Dors aufgegriffen wird." In seiner literarischen Tätigkeit war Dor "einer der führenden Romanschriftsteller Österreichs". (APA)

>>>Milo Dor: Ein begeisterter Europäer und engagierter Humanist

Ein begeisterter Europäer und engagierter Humanist

"Natürlich bin ich Österreicher. Natürlich bin ich Wiener. Natürlich bin ich Europäer, serbischer Herkunft", beschrieb der in Budapest geborene und in Belgrad aufgewachsene Schriftsteller Milo Dor sein Selbstverständnis. Auch die österreichische Literatur war ihm ein Anliegen, und so fungierte er zuletzt als Mit-Herausgeber der Literatur-Edition "Landvermessung. Österreichische Literatur nach 1945. Vergessene, Bleibende, Künftige" (Residenz Verlag), vormals bekannt als "Austrokoffer".

Geboren wurde Dor als Milutin Doroslovac am 7. März 1923 als Sohn einer gutbürgerlichen serbischen Familie aus dem Banat in Budapest. Er wuchs ab 1933 in Belgrad auf, und war als Gymnasiast Mitglied des Bundes der kommunistischen Jugend Jugoslawiens. 1942 wurde Dor nach der Besetzung der Stadt als Widerstandskämpfer verhaftet, gefoltert, in Lager- und Gefängnishaft gehalten und 1943 als Zwangsarbeiter nach Wien abgeschoben. Bei Kriegsende aus der "Schutzhaft" entlassen, blieb Dor in Wien, studierte hier bis 1949 Theaterwissenschaft und Romanistik. Danach begann er als freiberuflicher Schriftsteller und Journalist zu arbeiten, wurde Mitarbeiter der Literaturzeitschrift "Plan" und später Mitglied der "Gruppe 47".

1952: "Tote auf Urlaub"

1952 erschien sein autobiografischer Roman "Tote auf Urlaub", der den Weg eines serbischen Jungkommunisten durch Gefängnisse und Konzentrationslager von Belgrad bis Wien beschreibt. "Tote auf Urlaub" bildet zusammen mit "Nichts als Erinnerung" und "Die weiße Stadt" die Trilogie "Die Raikow Saga". Gemeinsam mit Reinhard Federmann verfasste Dor auch eine Reihe von Kriminalromanen (etwa "Internationale Zone" oder "Und einer folgt dem anderen"). Milo Dor hat ein umfangreiches Werk an Erzählungen, Romanen, Übersetzungen, Hör- und Fernsehspielen sowie TV-Reisefeatures geschaffen.

Literarische Heimat Mitteleuropa

Seine literarische Heimat war der Erzählkontinent Mitteleuropa, seine politische Verortung die eines engagierten Humanisten, der sich in Wort und Tat gegen Totalitarismen und Ungerechtigkeiten jeder Art wendete. "Wie viele Grenzen der Vernunft, des Anstands und der Moral müssen noch überschritten werden, damit die Menschen zu einer humanen Haltung gelangen, die sie daran hindert, aus verworrenen Gründen einer trüben, fadenscheinigen nationalistischen Ideologie das Leben ihrer Mitmenschen auszulöschen?" fragte Dor in seinem Essayband "Grenzüberschreitungen", der anlässlich seines achtzigsten Geburtstages im Picus Verlag erschienen war. Darin gab er sich auch gleich selbst die Antwort: "Bis es so weit ist, werde ich wohl schon jene Grenze überschritten haben, hinter der es nichts mehr gibt. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf."

Milo Dor war Präsident der IG Autorinnen und Autoren, Ehrenmitglied des österreichischen PEN-Clubs und wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, u.a. mit dem Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels, dem Österreichischen Staatspreis für Verdienste um die österreichische Kultur im Ausland, dem Kreisky-Preis für das politische Buch, und 2004 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien. Damals würdigte Franz Leo Popp, Direktor der Literar-Mechana, Dor nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Übersetzer und Standesvertreter. So habe Dor vielen serbischen Autoren zu einem zweiten Leben in deutscher Sprache verholfen. (APA)