"Der Vorwurf, wir hätten keine Strategie, ist nicht berechtigt." Skizziert oder gar vorgelegt hat Klaus Kleinfeld, seit Jänner Konzernchef des deutschen Elektromultis Siemens, allerdings auch keine. Die Sig^nale, wohin sich der in Geschäftsbereichen wie Telekomfestnetz und EDV-Dienstleistungen gehörig unter Druck gekommene Konzern strategisch entwickeln werde, glichen eher Appellen, Kunden und Anleger bei der Stange zu halten.

Siemens habe wichtige Meilensteine für ein profitables Wachstum gesetzt. "Und das wichtigste ist: Wir sind stetig gewachsen", freute sich Kleinfeld, der an den Gewinnzielen 2007 festhält.

Die Hälfte der zwölf Geschäftsbereiche blieb hinter den eigenen Renditezielen, zwei – "Com" (Kommunikation) und "SBS" (IT-Dienstleistungen) – sind überhaupt Großbaustellen, die von einer Fertigstellung weit entfernt sind. Sie schreiben Verluste und sind für den herben Gewinneinbruch im abgelaufenen Geschäftsjahr (30. September) hauptverantwortlich: Bereinigt um vom Konzern abgegebene Aktivitäten wie die Handysparte (sie wurde an die taiwanische BenQ verkauft, Anm.) sank der Nettogewinn von 3,4 auf 2,25 Milliarden Euro – übertraf damit allerdings immer noch die Erwartungen der Analysten.

Aus den fortgeführten Geschäften erzielte das Unternehmen einen Gewinn von 3,06 Milliarden Euro, der damit wie angekündigt auf Vorjahreshöhe blieb. Den Aktionären versprach Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger eine um 0,10 Euro auf 1,35 Euro je Aktie erhöhte Dividende.

Betont zufrieden

Kleinfeld zeigte sich mit der Entwicklung der meisten Geschäftsbereiche betont zufrieden: "Die Zahlen für 2005 belegen: Wir sind auf Kurs. Dort wo wir noch Kurskorrekturen vornehmen müssen, um unsere Ziele zu erreichen, tun wir dies mit aller Konsequenz."

Akuten Bedarf zu Umstrukturierungen sieht er noch bei SBS, wo der Verlust im vierten Quartal von 28 auf 427 Mio. Euro explodierte (im Gesamtjahr 2005 sind es minus 690 Mio. Euro) und bei "Com", deren Ergebnis von 707 auf 454 Mio. Euro einbrach. Bei beiden steht Stellenabbau auf der Agenda, allein in Deutschland 2400, und Kostensenkung, insbesondere im SBS-Backoffice, nicht im Vertrieb. Die Kosten sollen bis 2007 um 1,5 Milliarden Euro sinken.

Keine Details

Wie bei der Strategie des Industrietankers blieb er auch hier unbestimmt, Details zu den Maßnahmen – kolportiert wird immer wieder ein Teilverkauf – schuldig. Die Restrukturierung könnte auch nächstes Jahr "einen hohen dreistelligen Millionenbetrag" ausmachen.

Der Rest war ganz auf Beruhigung abgestellt: Bis 2007 sollen alle Sparten wieder auf Kurs sein und spätestens dann überall die Zielrenditen erreichen. Auf bessere Zeiten hoffen lässt den Konzern, der sich neuerdings wieder mit General Electric messen will, der Auftragseingang, er legte im vergangenen Geschäftsjahr kräftig zu. Die Bestellungen stiegen um elf Prozent auf 83,8 Milliarden Euro, der Umsatz kletterte um sieben Prozent auf 75,4 Milliarden Euro. "Da sind wir extrem gut", sagte Kleinfeld, der als Mittelfristziel die Losung ausgab, doppelt so stark wie die Weltwirtschaft zu wachsen. "Es ist erfreulich, dass wir das für 2005 schon geschafft haben", sagte Kleinfeld.

Eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2005/06 gab Siemens nicht ab. Es werde noch Belastungen, aber auch positive Effekte aus Umstrukturierungen geben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.11.2005)