Colson Whitehead (47) erhält für seinen Roman "The Underground Railroad" den Pulitzer-Preis.

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Als wollte Gott für alles, was er Hauptfigur Cora Gutes zu tun verpasst hat, zu Kreuze kriechen, schüttet er nun Lob und Erfolg über "The Underground Railroad" aus. Auf Deutsch soll Colson Whiteheads Roman im Sommer erscheinen.

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Lynn Nottage (52) aus Brooklyn gewann mit "Sweat" den Pulitzer-Preis für Drama. Zum zweiten Mal.

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Sein zweiter Gedichtband "Olio" brachte Tyehimba Jess den Pulitzer-Preis in der Kategorie Lyrik.

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Wien – Auf einer fantastischen Setzung baut Colson Whiteheads neuer Roman auf. Nämlich jener, dass die titelgebende The Underground Railroad darin nicht das geheime Netzwerk von Helfern ist, das zwischen 1810 und 1850 Sklaven bei der Flucht aus den US-Südstaaten mit Unterkünften, geheimen Routen und unauffälligen Kleidern unterstützt hat und so in den sicheren Norden rettete. Etwa 100.000 Schwarze sollen so "befreit" worden sein.

Bei Whitehead ist es eine tatsächliche Untergrundbahn. Unter Falltüren oder in Höhlen finden sich die Zugänge zu den Schienen, auf denen die Zuggarnituren verkehren. Wohin, ist nicht ganz klar. Egal. Überall ist's besser.

Mehr als das, was passiert ist

Seit sechs Romanen schreibt der 47-jährige New Yorker über die Geschichte der US-amerikanischen Schwarzen. Weil man das, was passiert ist, aber in Geschichtsbüchern nachlesen kann, dichtet er – Whitehead wurde in die Mittelschicht Manhattans geboren, studierte in Harvard, ging dann zur linken New Yorker Wochenzeitung Village Voice – jenen Details dazu, was passiert sein könnte.

Wie im vorliegenden Fall, in dem er die junge Sklavin Cora in episodischen Erzählungen auf ihrer Fluchtreise weg von ihrer Baumwollplantage in Georgia und durchs Land begleitet: Sie begegnet dem Sklavenfänger Ridgeway, dessen Helfer sich mit einer Kette aus Menschenohren schmückt. Sie stößt auf ein medizinisches Zentrum, das eugenische Experimente betreibt. Sie soll in einem Museum in einem Schaukasten hocken und die Sklavin mimen. Und, und, und.

Verfilmung geplant

Whitehead geht zwischen Grausamkeit und Groteske auch im Ton über die meisten sonstigen literarischen Erzählungen von Sklaverei hinaus. Am Montag hat er für The Underground Railroad nach dem National Book Award auch den Pulitzer-Preis in der Kategorie Belletristik gewonnen. Es war seine zweite Nominierung nach 2002 mit John Henry Days.

Für August auf Deutsch angekündigt, dürfte sich sein hiesiger Stammverlag Hanser jetzt wohl überlegen, diesen Veröffentlichungstermin vorzuziehen. Denn in den USA steht der hymnisch gelobte 320-Seiter seit seinem Erscheinen vergangenen August auch auf den Bestsellerlisten ganz oben. Von dort hat er es auf die persönliche Leseliste von Ex-US-Präsident Barack Obama ebenso geschafft wie auf jene von Oscar-Gewinner Barry Jenkins (Moonlight). Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass der Regisseur den Stoff für Amazon verfilmen wird.

Poetisch politisch

Auch die übrigen für Literatur vergebenen Auszeichnungen präsentieren sich stark politisch. Die in Brooklyn geborene Lynn Nottage holte sich nach 2009 mit Ruined ihren zweiten Pulitzer-Preis in der Sparte Drama. Sweat schildert eine vom wirtschaftlichen und sozialen Niedergang getroffene Industriestadt. Das kurz vor Donald Trumps Wahlsieg uraufgeführte Stück läuft am Broadway.

Der Preis für Lyrik ging an den aus Detroit stammenden Tyehimba Jess und seinen Gedichtband Olio. Dieser erforsche das kollektive Gedächtnis und fordere die gegenwärtigen Begriffe von Rasse und Identität heraus, so die Jury.

Abby Fischer

Jeder Gewinn ist mit 15.000 Dollar dotiert. Auch jener für Musik, den Du Yun für ihre Oper Angel's Bone holte. Die prestigeträchtigen Preise in 27 Kategorien wurden heuer zum 101. Mal vergeben. (Michael Wurmitzer, 11.4.2017)