Dezember ist die Zeit des Gänseschmalzes und der Hasenjagden, der Schmortöpfe, des guten Rotweins und schlechten Wetters – kurz, der ideale Zeitpunkt, einmal "Lièvre à la Royale du Sénateur Couteaux", kurz: Hase auf königliche Art, auszuprobieren. Das Gericht ist legendenumrankt und mir das erste Mal beim Kollegen Corti untergekommen, der es als "eines der besten Gerichte, die man essen kann", beschrieben hat.

Je nach Ursprungsmythos soll es für den zahnlosen Ludwig XIV. erfunden worden oder das Ergebnis eines am Herd vergessenen Hasen sein. 1898 notierte es jedenfalls ein gewisser Aristide Couteaux, französischer Journalisten und Politiker, in seinem Tagebuch als Festtagsgericht für eine berühmte Gruppe von Feinschmeckern. Paul Bocuse und in seiner Nachfolge Joël Robuchon retteten es dann ins 20. Jahrhundert.

Foto: Tobias Müller

Es ist ein durch und durch altmodisches Rezept: Der Hase wird in reifem Burgunder und Gänseschmalz geschmort, mit insgesamt 60 Schalotten und 30 Knoblauchzehen, bis er nach viereinhalb Stunden löffelweich ist. Am Ende wird die Sauce mit den Innereien gewürzt und mit Hasenblut und Cognac gebunden. Nun war ich anfangs skeptisch, ob es bei der langen Garzeit nicht ein wenig schade ist um das edle Tier – das Rezept in Bocuses Buch "La Cuisine du Marché" hat mich aber schließlich doch überzeugt. Es gibt nämlich wenige Gerichte, die der Meister mit so viel Enthusiasmus beschreibt.

Bei den Zutaten wird nicht einfach Kochwein verlangt, sondern "zwei Flaschen guter, mindestens fünf Jahre in der Flasche gelagerter Burgunder (vorzugsweise Chambertin)". Der Hase für das Gericht soll "schön, möglichst mit rötlichem Fell, im Gebirge oder einer Heidelandschaft getötet", sein und von "feiner französischer Rasse, die sich durch die kraftvolle Eleganz von Kopf und Gliedern auszeichnet". Es folgt schließlich eine dreiseitige Zu-Brei-schmor-Anleitung, die mit einer emotionalen Servierempfehlung endet: "Als Besteck auf keinen Fall Messer und Gabel, sondern nur einen Löffel vorlegen – die Verwendung eines Messers wäre ein Sakrileg!"

"Überladene Palastküche?"

Das alles kann man überholt und albern finden. Der "Larousse Gastronomique" hingegen verurteilte es in den 1970ern noch als "recht mittelmäßigen Brei" aus der überladenen Palastküche des ausgehenden 19. Jahrhunderts (aus meiner Ausgabe aus den 2000ern ist diese Kritik allerdings wieder verschwunden). Oder man kann voll Vorfreude den gerade prall gefüllten Gänseschmalztopf herausholen und sich auf die festlichste Form einer Bolognese, die edelste Variante eines Schalottengulaschs, eine Art Pulled Hase freuen. Weil Weihnachten naht und noch bis Ende Dezember Hasensaison ist, habe ich mich für Zweiteres entschieden und einen Versuch gewagt.

Weil das Rezept gar so bizarr und präzise ist und man so was schließlich nicht alle Tage macht, habe ich versucht, mich möglichst genau daran zu halten. Nur eine Sache habe ich verändert: Bocuse spickt den Hasen mit "frischem Speck" und legt auch den Schmortopf mit ebensolchem aus. Beides habe ich ausgelassen: Ich konnte nur geräucherten Speck bekommen, und ich finde, die meisten Gerichte, die geräucherten Speck enthalten, schmecken nur mehr nach geräuchertem Speck.

Die größte Herausforderung dabei ist, einen frischen Hasen samt Innereien und Blut zu bekommen – Letzteres muss direkt nach dem Schuss beim Ausnehmen aufgefangen und mit etwas Essig oder Cognac verrührt werden, damit es nicht gerinnt. Sollte Ihr Jäger da nicht mitspielen, ordern Sie beim Fleischer Schweineblut. Ganz darauf zu verzichten geht natürlich auch, es leidet allerdings die Sauce und damit in der Folge auch die Esser. Danach braucht es nur mehr etwas Zeit – und viel Geduld beim Knoblauch- und Schalottenschälen.

Ich hatte bei meinem Versuch doppelte Hilfe: einerseits von den Österreichischen Bundesforsten in Person von Bernhard Aigner, Jäger im Forstbetrieb Waldviertel-Voralpen, der mir meinen prächtigen Hasen erlegt und ausgezogen hat (ob er rothaarig war, kann ich daher leider nicht sagen.). Andererseits war der Heinrich Steininger nett und verrückt genug, mir zwei Flaschen Gevrey-Chambertin 2005 für das Experiment zu überlassen.

Foto: Tobias Müller

Vorab: Ich würde es in dieser Form nicht wieder tun. Um aus der Bocuse'schen Anleitung Großes zu kochen, braucht es mehr Talent und Küchenmannschaft, als ich habe. Der royale Hase schmeckte ganz und gar nicht schlecht: kräftig nach Wild und Wein, recht sauer von einer ordentlichen Portion Essig, und dank Schalotten und Knoblauch mit jeder Menge Rückgrat – ich glaube aber, es gibt leichtere Wege, sehr ähnliche Ergebnisse zu erzielen. Und es gab doch ein paar Probleme.

Die Sauce ist nicht einmal ansatzweise so eingekocht, wie sie sollte. Ich glaube, die Idee hinter dem Rezept ist, dass die Schalotten wie bei einem Gulasch zur Bindung beitragen. Weil aber so viel Essig im Sud ist, werden sie nicht wirklich weich. Ich musste also eine Extrastunde Saucereduzierzeit einschieben. Der gute Wein ist definitiv nicht nötig. Zwar bin auch ich der Meinung, dass eine Sauce mit einem trinkbaren Wein besser wird, ob's aber ein Chambertin oder ein Pinot vom Leithaberg ist, ist komplett schnurz.

Der royale Hase leidet außerdem unter seiner doch recht eintönigen Konsistenz und dem, was Colman Andrews mit Blick auf die katalanische Küche als "Brown Food Problem" bezeichnet hat: Das Endergebnis sieht schrecklich aus. So schrecklich, dass ich hier nicht unsere erste Portion abbilde, die wir mit Kartoffelgratin, Kohlsprossen und ausschließlich Löffel serviert haben. Das Bild stammt vom zweiten Hasenessen, bei dem es Püree, Kohl und, Sakrileg, ein Messer gab.

Dem nächsten Hasen werde ich dann die gleiche Behandlung angedeihen lassen, die sich für seinen kleinen Cousin, das Kaninchen, bewährt hat.

Hase auf königliche Art nach Paul Bocuse

40 Schalotten und 20 Knoblauchzehen schälen und gemeinsam mit einigen ordentlichen Löffeln Gänseschmalz in einen schweren Eisenbräter geben.

Foto: Tobias Müller

Sorgen Sie sich nicht wegen der großen Knoblauchmenge, sein intensiver Geschmack wird durch das lange Kochen rund, weich und süß. Den Hasen darauflegen.

Foto: Tobias Müller

Bocuse macht das im Ganzen, um ihn am Ende so zu servieren. Ich musste ihm aus Platzgründen, und weil ich keinen eigenen Hasenschmortopf habe, doch die Hinterbeine und den Kopf abnehmen.

Eine geviertelte Karotte, vier Zwiebeln, je mit einer Nelke gespickt, und einen großen Kräuterstrauß mit Petersil, Thymian und Lorbeer dazulegen. Einen Viertelliter Rotweinessig (Bocuse: "guten Rotweinessig") und eineinhalb Flaschen Rotwein dazugießen, zum Köcheln bringen, zudecken und dann drei Stunden bei etwa 120 Grad im Rohr garen lassen.

Foto: Tobias Müller

Währenddessen die Innereien des Hasen mit weiteren zehn Knoblauchzehen und 20 Schalotten in der Küchenmaschine pürieren.

Foto: Tobias Müller

Den Hasen beziehungsweise seine Teile vorsichtig aus dem Sud heben – er wird sehr weich sein – und den Rest durch ein Sieb seihen und die Sauce auffangen. Das Schmorgemüse im Sieb fest ausdrücken und alle Säfte zur Sauce geben. Die Innereienmischung unterrühren, den Hasen wieder einlegen und weitere eineinhalb Stunden im Ofen garen.

Nun sollte die Sauce laut Bocuse "die Konsistenz eines Erdäpfelpürees" haben. Hatte sie nicht. Ich habe daher den Hasen herausgehoben und alles eine Stunde eingekocht, bis es relativ dickflüssig war. Währenddessen habe ich die ohnehin sehr weichen Hasenteile zerzupft und von den Knochen befreit und anschließend wieder in die Sauce gemischt – das Ergebnis ist eine Art Bolognese.

Foto: Tobias Müller

Kurz vor dem Servieren das reservierte Blut unterrühren: Das Sugo sollte sich hübsch schokobraun verfärben und gut binden. Nicht mehr aufkochen lassen, sondern gleich servieren, am besten in Schüsseln und so, dass der Brei nicht allzu wild aussieht – in meinem Fall gebettet auf Erdäpfelpüree, umringt von Kohl mit Sauerrahm und Dijon. (Tobias Müller, 11.12.2016)

Foto: Tobias Müller

>> Die alljährliche vorweihnachtliche Beste-Kochbücher-Liste von Tobias Müller.