Den Reifen mag Nicol Ruprecht genauso gern wie Keulen, Band und Ball. In Rio will sie mit allen Geräten überzeugen.

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Ruprecht gibt in Rio ihr Olympia-Debüt.

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Ruprechts Keulenkür zu Musik aus "Carmen".

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Wien – In der Bandübung ist der Wurm drin. Erst verknotet sich das Band, dann zwei Fangfehler. "Letzte Woche war das noch die beste Übung", sagt Trainerin Luchia Egermann. "Montag", antwortet Nicol Ruprecht etwas grantig. Die Tirolerin (23) ist rhythmische Gymnastin, in Rio de Janeiro tritt sie erstmals bei Olympischen Spielen an. Am gestrigen Montag ist sie nach Brasilien geflogen.

Bis dahin übte sie jeden Wochentag sechs Stunden lang auf dem Rosenhügel in Wien-Liesing. Seit mehr als einem Jahr trainieren Österreichs Gymnastinnen im ehemaligen Filmstudio. Hier finden sie deutlich bessere Trainingsbedingungen vor als an ihrer alten Übungsstätte, in der Westside Soccer Arena in Hütteldorf. Der Großvater einer Gymnastin finanziert die Halle auf dem Rosenhügel. Ruprecht: "Wir sind abhängig davon, wie lang sie noch weitermacht." Die Halle ist 16 Meter hoch. Sie kann jetzt wieder schwierigere Würfe machen.

Ruprecht unterstützt die Kolleginnen

Freilich, alles perfekt ist auch auf dem Rosenhügel nicht. Im Winter ist es kalt. Ruprecht: "Da müssen wir uns dicker einpacken." Beim Besuch des STANDARD ist es "brutal heiß". Die Reifenkür klappt trotzdem ausgezeichnet. Egermann: "Bravo, guter Job." Fünf Gymnastinnen üben an diesem Tag auf dem Rosenhügel. Ruprecht wirkt ein bisschen wie die Team-Mama, sorgt sich um die Verletzung der einen Kollegin, gibt Tipps für die Schlusspose der anderen. "Ich helfe, wo ich kann", sagt sie.

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Beweglichkeit ist in der Rhythmischen Gymnastik gefragt.
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Mit ihren 23 Jahren ist sie ziemlich erfahren. "Ich habe voll viel Routine. Ich bin älter geworden und fraulicher." Ihre Übungen turne sie nun sauberer. Dass sie früher praktizierte Rituale mittlerweile weglässt, hilft ihr auch. "Das hat mich oft rausgebracht." Auch die Nervosität machte ihr häufig einen Strich durch die Rechnung. "Das ist jetzt viel besser." Das Mentaltraining, das sie via Skype absolviert, hilft.

Mit ihrer Saison ist die Tirolerin, die seit sechs Jahren in Wien lebt, zufrieden. "Die war sehr gut, ich war meistens im Finale." Das Rio-Ticket und Platz zwei beim Quali-Wettkampf im April in Rio seien natürlich der Höhepunkt gewesen.

Ruprecht macht sich keinen Druck

Bei den Olympischen Spielen, die am Freitag eröffnet werden, will sie sich kein Platzierungsziel setzen. Um die Medaillen könne sie sowieso nicht mitturnen. "Ich will die Übungen gut turnen und den Moment genießen. Ich mache mir keinen Druck." Freilich will sie jene Konkurrentinnen, die sie stets hinter sich lässt, auch in Rio schlagen.

Vier Übungen mit unterschiedlichen Handgeräten muss Ruprecht im Rahmen des Mehrkampfes absolvieren: Band, Keule, Reifen, Ball. Ruprecht hat kein Lieblingsgerät. "Alle vier sind super." Manchmal gelinge die eine Übung besser, manchmal die andere. Bei der Keulenübung mit Musik aus Carmen etwa muss sie ernst dreinschauen. Die funktioniere gut, wenn sie zornig sei. Und bei der Bandübung ist gute Stimmung gefragt. Diese Kür hat sie erst im April umgestellt – mitten in der Saison. Eher ungewöhnlich.

Bandübung zur Musik von Prince

"Ich dachte, wir sind ein bissl verrückt." Quasi zu Ehren des heuer verstorbenen Popsängers Prince absolviert sie die Übung nun zu dessen Hit "Kiss". "Ich mag das Lied, es hat einen super Beat." Und das vorherige Lied ("Twist Again") habe sie eh schon nicht mehr hören können.

Am Rosenhügel absolviert Nicol Ruprecht noch die Keulenkür. Auch die klappt nicht auf Anhieb perfekt. Danach geht's zur Massage. Die Tirolerin, die sechsjährig mit dem Sport begonnen hat, ist zwar von gröberen Verletzungen verschont geblieben, aber hie und da zwickt schon mal was. Ruprecht: "Alterserscheinungen." Mit 23 zählt man in der Rhythmischen Gymnastik nicht mehr zu den Jüngsten. Nach Rio will die Heeressportlerin aber jedenfalls weitermachen. Bis zu den Spielen 2020 in Tokio? "Das weiß ich nicht." Vorerst ist Rio. Am 19. August muss sie auf die Matte. Ein Freitag, kein Montag. (Birgit Riezinger, 2.8.2016)