Wien – Unzulässige Koppelungsgeschäfte und mangelnde Kennzeichnung von bezahlten Einschaltungen werden immer häufiger, neue Werbeformen wie Content-Marketing verdrängen Journalismus: Das sind nur zwei Ergebnisse einer Studie des PR-Ethikrats. Vor allem durch die Digitalisierung würden die Grenzen zwischen PR, Werbung, Marketing und Journalismus immer mehr verschwimmen. Befragt wurden Mitarbeiter von Public-Relations-Agenturen und PR-Verantwortliche in Unternehmen.

"Erfolg ist nur möglich durch Grenzüberschreitung" oder "Es sind die Journalisten, die nicht ethisch handeln" lauteten einige der Antworten. "Ein ernüchterndes Ergebnis war das vorherrschende Gefühl, man könne sich Moral nicht mehr leisten", sagt PR-Ethikrat-Vorsitzende Gabriele Faber-Wiener. Das zeige die scheinbare Ohnmacht gegenüber Sachzwängen und der ökonomischen Entwicklung.

Auch die Glaubwürdigkeit von Medien sei dadurch in Gefahr. "Verlage sind Glaubwürdigkeits-Gatekeeper. Wenn sie sich nur mehr als Informationslieferanten sehen, ist ihre Korrektivrolle wegrationalisiert." Damit würden sich Medien selbst beliebig und austauschbar machen. Faber-Wiener erzählt auch von unlauteren Methoden seitens Medien, die von Drohungen bis Erpressungen reichen. Das Motto: "Entweder Sie schalten, oder wir schreiben etwas Negatives." Ein Verlag habe von einem Unternehmenschef gar "Schutzgeld" gefordert, damit nicht berichtet wird. Die Namen dieser Medien wollte sie nicht nennen. "Es geht in Richtung Boulevard", sagt sie.

Öffentlicher Diskurs gefordert

"Der Druck, ethische Grenzen zu überschreiten, kommt oft von der Unternehmensspitze, aber auch von Verlagen, die mit Bezahljournalismus locken", sagt auch Sabine Einwiller vom Institut für Publizistik der Universität Wien. "Darüber muss man reden, auch wenn es unbequem ist." Genau das vermisst Faber-Wiener. Der öffentliche Diskurs über Ethik und die Abgrenzung zwischen PR und Medien fänden in Österreich – anders als in Deutschland oder der Schweiz – nicht statt. Generell vermisst sie das Bewusstsein für ethische Konflikte. Das sei auch ein "demokratiepolitisches Problem". Abhilfe sollen Leitfäden und Schulungen schaffen. Auch das Aufzeigen von positiven und negativen Fallbeispielen und ein geplanter Ethikkodex für den digitalen Bereich sollen helfen. (ae, 29.6.2016)