Neue Vorsitzender des PR-Ethikrats: Gabriele Faber-Wiener.

Foto: Ethikrat

STANDARD: Haben durch die Digitalisierung ethische Vergehen zugekommen?

Faber-Wiener: Die Verlockung ist größer. Auch der ökonomische Druck auf Medien wird größer. Man versucht derzeit, möglichst alles in Zahlen zu messen. In Unternehmen und PR-Agenturen herrscht bei digitalen Medien zudem oft noch zu wenig Unrechtsbewusstsein. Für die vielen neuen Formen und Kanäle haben wir oft auch noch keine ausreichenden rechtlichen Regelungen. Zuerst braucht es den Diskurs, dann erst kommt das Gesetz. Das heißt, überall dort, wo es keine Gesetze gibt, ist Ethik umso notwendiger.

STANDARD: Finden in Boulevardmedien mehr ethische Vergehen statt als in Qualitätsmedien?

Faber-Wiener: Das kann man nicht genau zuordnen. Die Bandbreite reicht von plumpen Koppelungsgeschäften bis hin zu Medienkooperationen, die nicht eindeutig gekennzeichnet sind. Das hängt auch damit zusammen, dass nicht in allen Medien Chefredaktion und Geschäftsführung getrennt sind. Damit ist das Dilemma vorprogrammiert.

STANDARD: Nicht nur Auftraggeber, auch Medien lassen unethisches Verhalten zu.

Faber-Wiener: Umso wichtiger ist – auch durch die digitale Entwicklung – auch in Zukunft Journalismus, der unabhängig ist. Es geht für alle Beteiligten letztlich darum, Motive offenzulegen. Tue ich das nicht, bleibe ich angreifbar. Ethisch problematisches Verhalten unterminiert die Glaubwürdigkeit. Warum soll ich als Kunde für ein Medium bezahlen, wenn ich merke, dass es alles bezahlte Schleichwerbung ist?

STANDARD: Warum weisen zum Beispiel Medien nicht immer aus, wenn Reisen bezahlt wurden?

Faber-Wiener: Es ist bis auf wenige Ausnahmen in Österreich Branchenusus, es nicht zu machen. Und es ist eine Frage des Mutes. Aber es auszuweisen würde auch für Medien Glaubwürdigkeit bringen, denn Ethik schafft ja auch klare und erkennbare Positionen.

STANDARD: Der PR-Ethikrat kann keine Sanktionen verhängen. Es wird immer wieder der Vorwurf der Zahnlosigkeit laut.

Faber-Wiener: So zahnlos sind wir nicht. Wir sind kein Gericht, unsere Macht ist die Öffentlichkeit. Wenn wir Stellungnahmen einfordern, bewegt das sogar sehr viel in einem Unternehmen. Auftraggeber reden sich oft auf das Medium aus, das stimmt zwar rechtlich. Aber ein Auftraggeber hat genauso die Verantwortung, zu schauen, ob eine Maßnahme ethisch korrekt ist. Wir wollen künftig auch Fälle anzeigen und vor Behörden bringen,

STANDARD: Das ist neu.

Faber-Wiener: Ja. Wenn eindeutig ist, dass ein rechtlicher Verstoß vorliegt, muss man das auch ganz klar rechtlich ahnden. Momentan gibt es drei Fälle, bei denen wir schauen, wie die Behörden reagieren. Es handelt sich hier um klare Paragraf-26-Fälle, also die nichtkorrekte Kennzeichnung von Werbung.

STANDARD: Worauf wollen Sie sich in Ihrer Amtszeit konzentrieren?

Faber-Wiener: Unser Auftrag bleibt bestehen: das Aufzeigen von Verstößen. Wir sind ein Selbstkontrollorgan. Wir wollen aber noch mehr präventiv arbeiten. Die Macht und die Kommunikatoren haben sich massiv verändert, von Organisationen hin zu Einzelpersonen. Für wen soll zum Beispiel der Paragraf 26 künftig gelten? Sollten Blogger auch darunterfallen? Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir kooperieren hier auch international.

STANDARD: Sie kündigen eine stärkere Zusammenarbeit mit Organisationen wie Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung an.

Faber-Wiener: Dadurch haben wir eine breitere Wirkung, auch bei deren Mitgliedern. Außerdem wollen wird uns noch besser mit dem Presserat vernetzen, arbeiten mit dem Werberat enger zusammen. Und wir wollen Zugang zu öffentlichen Mitteln, wie sie der Werbe- und Presserat seit langem erhalten. (Astrid Ebenführer, 17.2.2016)