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Im Mai 2015 kam es nach mehreren Beinahe-Unfällen zur folgenschweren Kollision zweier Personenzüge.

Foto: APA/EPA/ERWIN SCHERIAU

Graz/Wien/Deutschfeistritz – Der Untersuchungsbericht zum tödlichen Zugsunglück vom Mai 2015 nördlich von Graz liegt seit Dienstag vor und dokumentiert detailliert den Unfall, bei dem ein Lokführer und eine Passagierin ums Leben kamen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der getötete Lokführer ohne mündliche Freigabe über das dienstliche Mobiltelefon losgefahren war. Zuvor soll es schon zu Beinahe-Kollisionen gekommen sein.

Der 38 Seiten umfassende Bericht des Verkehrsministeriums schilderte den idealen Ablauf für die Strecke Peggau-Deutschfeistritz der Steiermärkischen Landesbahnen und verwies auf die Abweichungen, die zum Unfall geführt hatten: Demnach hatte der Zugführer nicht wie vorgeschrieben vor der Einfahrt zur Haltestelle Waldstein an der sogenannten Trapeztafel angehalten und um die Freigabe zur Einfahrt gebeten. Nach dem Fahrgastwechsel an der Haltestelle setzte er abermals ohne telefonische Rücksprache mit dem Fahrdienstleiter in Weiz die Fahrt fort und verließ die Haltestelle Waldstein, in der die Züge eigentlich nebeneinander hätten halten sollen. Nur wenige hundert Meter nach der Einfahrt in den nach der Haltestelle wieder einspurigen Bereich kam es zur Kollision.

In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass die Strecke "mit keinen sicherungstechnischen Einrichtungen für die Steuerung und Überwachung der Züge ausgerüstet" war. "Die Betriebsabwicklung erfolgt ausschließlich auf kommunikativer Ebene zwischen dem Fahrdienstleiter Bahnhof Weiz und den betreffenden Triebfahrzeugführer." Tatsächlich werden die Freigaben mit dienstlichen Mobiltelefonen erteilt. Die Gespräche werden aufgezeichnet, wodurch auch festgestellt wurde, dass auch "betrieblich nicht geforderte Gespräche" geführt wurden. Das entspricht einem Verstoß, bestätigte das Land Steiermark einen Bericht des "Kurier" vom Mittwoch.

Beinahe-Kollisionen vor dem Unfall

Die Untersuchung brachte auch schon vor dem Unfall vorgekommene Beinahe-Kollisionen ans Licht: "Zu den im Rahmen der Sicherheitsuntersuchung von mehreren Personen immer wieder zitierten Beinahe-Kollisionen in der Vergangenheit ist anzumerken, dass diese Vorfälle entgegen der bestehenden Verpflichtung zur Abgabe einer Meldung an die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes im Sinne der Meldeverordnung Eisenbahn 2006 weder fernmündlich noch schriftlich angezeigt wurden."

Landesbaudirektor Andreas Tropper erklärte am Mittwoch, dass auch das Land als Eigentümervertreter nichts von diesen Beinahe-Kollisionen gewusst habe. Der mittlerweile pensionierte ehemalige Bahnen-Geschäftsführer Helmut Wittmann will nur von einer einzigen Beinahe-Kollision des später verunglückten Lokführers gewusst haben. Die Konsequenz war damals eine Schulung.

Tropper wies darauf hin, dass für die betreffende Strecke ein Betrieb mit telefonischer Kommunikation genehmigt war und ist. Es entspreche den Anforderungen, die auf Nebenstrecken wie jener zwischen Peggau und Deutschfeistritz einzuhalten sind: "Das ist durchaus in Ordnung." Es werde "nicht irgendwie gefahren", der Betrieb sei in dieser Form genehmigt gewesen. Die Steiermärkischen Landesbahnen und deren Betrieb würden künftig umorganisiert und in eine GmbH ausgegliedert. Laut Staatsanwaltschaft Graz ist der Vorhabensbericht seit Mai fertig und liegt bei der Oberstaatsanwaltschaft zur Prüfung auf.

Bei der Zugkollision waren der junge Lokführer und eine 60-jährige Passagierin getötet worden. Der Zugführer war ohne Erlaubnis in einen eingleisigen Bereich eingefahren, auf dem ihm der andere Personenzug entgegenkam. Bereits im August 2014 – zehn Monate vor der tödlichen Kollision – soll dem Lokführer derselbe Fehler passiert sein, wobei damals ein Zusammenstoß verhindert werden konnte. Im Juli hatten die Landesbahnen mitgeteilt, dass an der Ausweichstelle Waldstein bei Peggau an beiden Gleisen 2.000-Hertz-Magneten angebracht wurden. Diese können nun per Mausklick vom Fahrdienstleiter in Weiz ein- oder ausgeschaltet werden. Im Bereich der Zugkreuzung sind die Magnete ständig "scharf" geschaltet. Das bedeutet, dass es automatisch zu einer Bremsung kommt, wenn ein Zug unerlaubt losfährt. Zudem wird die Stelle videoüberwacht. (APA, 22.6.2016)