Van der Bellen (links) und Hofer beim letzten Duell im ORF.

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Wien – Besen, Besen, sei's gewesen – es wird lange brauchen, bis die Scherben des diesjährigen Präsidentschaftswahlkampfs aufgekehrt sein werden. Bleiben wird für lange Zeit ein bitterer Nachgeschmack über die Funktion der Medien in diesem zum Teil würdelosen Rittern um das so vielgepriesene, so oft zitierte sogenannte höchste Amt im Lande.

Einer wird gewinnen. Wer immer das ist oder sein wird, der am Abend des Wahlsonntages zum Luftsprung im Stil des legendären TV-Quizmasters Hans Rosenthal ansetzen darf: Der Job, den er übernimmt, wird nicht mehr den Nimbus jenes Amtes haben, den es dank des amtierenden Bundespräsidenten dieser Tage noch hatte.

Nein, hier werden keine vergangenheitsbeflissenen Tränen im Knopfloch getragen. Hier wird nur mit Unbehagen festgestellt, was Quotengier verursachen und kaputtmachen kann. Aufseiten der Medien ebenso wie aufseiten der Kandidaten. Beide – Medien und Kandidaten – spielen ein gemeinsames Spiel. Beide Seiten tragen gleichermaßen die Verantwortung für fragwürdige Wahlkampfspektakel.

Diktat der Quote

Nach Quoten hechelnd und nach Einschaltziffern lechzend laden Medien die zwei Outsiderkandidaten zu öffentlichen Duellen ein, nachdem im ersten Wahlgang die Kandidaten der regierenden Mehrheitsparteien blamabel in der Versenkung der Wählergunst verschwunden sind. Die verbliebenen Stichwahlkandidaten allerdings frönen nicht minder dem Diktat der Quote. Die Stimmung ist angeheizt, die Stimmung wird angeheizt. Donald Trump, seines Zeichen ultrarechtskonservativer Ritterer um die amerikanische Präsidentschaftskandidatur, lässt ins europäische Alpenland hinein grüßen – zumindest in die Herzen jener Wähler, die Burschenschafter sind oder deren Strukturen nahestehen.

Auch der Vergleich mit Gladiatorenspielen des alten Roms hat vordergründig seine Berechtigung. Der gravierende Unterschied zu damals ist jedoch: Die heutigen Kandidaten spielen freiwillig als TV-Duellanten mit – nicht als Sklaven sind sie in die Arena getrieben worden, sie haben diese als selbstbestimmte Bürger betreten.

Allenfalls waren sie Getriebene heutiger Medienpolitik, angepeitscht von ihren jeweiligen Spindoktoren. Beide Kandidaten wirkten bei ihren Auftritten nicht immer wirklich glücklich. Beide versuchten zugleich, sich und die angepeilten Wählerschaften nicht zu verlieren.

Kornblume

Der eine Kandidat profilierte sich mit flotten NLP-geschulten Sprüchen und mit – direkt über dem Herzen getragenen – symbolischen Kornblumenblüten im Revers. War das nicht einmal die Lieblingsblume des Hitler-Buam Adi aus Braunau, der sich als Diktator wenn schon nicht die ganze Welt, so doch wenigstens Europa untertan machen wollte?

Wer ihm politisch in die Quere kam, wurde liquidiert, wer genetisch nicht dessen seltsamen arischen, zur Staatsdoktrin erhobenen Grundprinzipien entsprach, verendete im Konzentrationslager, wurde ermordet. Hat nicht gerade dieser Adolf aus Braunau uns allen das Kornblumenblau gestohlen, wie André Heller einmal gesungen hat? Ja und nein. Schon Hitler hatte das Pflänzchen seinem ideologischen Ziehvater Georg von Schönerer stibitzt, und dieser wiederum hatte sich die einstige Lieblingsblume des damaligen deutschen Kanzlers Otto von Bismarck abgeschaut und als Symbol für Alldeutschtum nach Österreich importiert. So weit zur blauen Blume der FPÖ, die absolut nichts, rein gar nichts mit der blauen Blume der Romantik oder gar dem Blau der EU-Flagge zu tun hat.

Der andere Kandidat gibt sich genuin bedächtig in seinen staatspolitischen Überlegungen. Ein Universitätsprofessor der Ökonomie mit tiefen grünen Wurzeln. Ein Kandidat, der Menschen direkt in die Augen schaut. Ein Kandidat, dessen Blicke zusätzlich die Überzeugung und das Wissen vermitteln, dass gelebte Demokratie weder ein Kinderspiel sein kann noch lediglich ein Medienspektakel sein sollte. Wie sagte doch der dieser Tage verstorbene Historiker Fritz Stern? "Die größte Gefahr für die Demokratie ist die Verdummung."

Rolle der Medien

Bleibt die Frage nach der Rolle der Medien. Königsmacher sollten sie keinesfalls sein. Ansonsten verspielen sie ihren letzten Trumpf: Die Position der nichtverhaberten Außenstehenden, sprich die Rolle der unabhängigen Analysen und konstruktiver Kritiker.

Erstmals jedoch wurde bei diesem Wahlkampf eine Moderatorin auch Opfer ihres Berufs und mediales Opfer der Fans eines der Kandidaten via Social Media. Wenn widerliche Hasspostings derart überschwappen, dann kann das wahrlich nicht mit dem Argument politischer Blauäugigkeit vom Tisch gefegt werden.

Nur einer kann am Sonntag zum Präsidenten gekürt werden: der ehemalige Medientrainer, der professionell ohne Punkt und Komma redet und lieber selber spricht als andere zu Wort kommen zu lassen oder gar auf konkrete Fragen zu antworten. Der kornblumenblaue plakatiert: "Das Recht geht vom Volk aus".

Oder der frühere Wirtschaftswissenschafter, der sich in der Ökonomie und in der Welt auskennt, beim Sprechen lange Nachdenkpausen riskiert und seiner Ehefrau nicht das Recht abspricht, weiterhin ihren Beruf auszuüben, sollte er gewählt werden. Der Naturbeflissene will, dass alle gemeinsam mit ihm "an Österreich glauben".

Am Freitag gab es die letzten Wahlkampfauftritte. Die Medien hatten ihre Shows und Quotenhits – ohne Rücksicht auf allfällige persönliche Verletzungen der politischen Akteure. Diese verhedderten sich – schließlich allein auf sich losgelassen – irgendwann auch in Untergriffigkeiten. Anderenorts schienen bei manchen Interviews die Fragen primär der Fragen wegen gestellt worden zu sein. Gut, dass der Wahlkampf nun vorbei ist. Denn irgendwann schaut niemand mehr zu. (Rubina Möhring, 20.5.2016)