Minister Doskozil kontert den Protest seiner Genossen gegen die jüngste Asylnovelle: Ohne dieses Gesetz könnte man "Strache jetzt schon den Schlüssel für das Kanzleramt in die Hand drücken".

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Wien – Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) kontert den parteiinternen Kritikern, vor allem aus Wien, an der jüngsten Asylnovelle der Regierung mit drastischen Worten: Wenn weitere hundertausende Flüchtlinge ins Land kämen, "und wir diese Menschen nicht integrieren können, wir für diese Menschen keine Jobs und keine Wohnungen haben, dann schaffen wir bewusst Armut und Elend", erklärt er im STANDARD-Interview. Doskozils Konklusio, die eine Warnung an die eigenen Reihen ist: "Das wäre ein Strache-Förderungsprogramm. Dann kann man ihm jetzt schon den Schlüssel für das Kanzleramt in die Hand drücken."

STANDARD: Angesichts der Flüchtlingskrise äußerten sich unlängst Norbert Hofer, Dritter Nationalratspräsident und Hofburg-Kandidat der FPÖ, sowie Robert Lugar, Klubchef des Teams Stronach, betont verständnisvoll darüber, dass sich nun immer mehr Bürger eine Waffe zulegen wollen. Halten Sie solche Aussagen für angebracht?

Doskozil: Ich habe diese Aussagen mitverfolgt – und möchte dazu festhalten: Österreich ist ein sicheres Land, in dem man keine Angst haben muss, schon gar nicht als Politiker. Ich fühle mich jedenfalls nicht gefährdet, habe nicht einmal Personenschutz – und auch keine Bedenken dabei.

STANDARD: Hofer wie Lugar geben derzeit auch auffallend bereitwillig Auskunft über ihre Glock, die der eine besitzt und sich der andere anschaffen will. Was kann das auslösen, wenn sich hohe Mitglieder des Nationalrats derartig äußern?

Doskozil: Fest steht: Wir als Politiker haben eine besondere Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit – und damit wäre es auch unsere Aufgabe, keine unnötigen Ängste zu schüren. Als ehemaliger Polizist habe ich sicher keine Scheu vor Waffen. Aber mit solchen Aussagen sollte man vorsichtig sein, denn man suggeriert damit, dass man sich mit einer Pistole subjektiv sicherer fühlt. Objektiv ist der Besitz einer Waffe aber nicht in jeder Situation von Vorteil. Denn vielfach führt es dazu, dass eine Gefahrenlage erst recht eskaliert.

STANDARD: Sie selbst waren burgenländischer Polizeichef. Sie verfügen sicher über einen Waffenpass, der Sie theoretisch zum Führen einer Faustfeuerwaffe berechtigt?

Doskozil: Stimmt. Bis 2002 habe ich auch eine Pistole besessen, aber nur, weil mein damaliger Kommandant, der in Pension ging, mir seine alte Dienstwaffe in die Hand gedrückt hat – und meinte, ich soll sie unbedingt übernehmen. Aus einer Emotionalität heraus habe ich sie damals auch angenommen, aber nie gebraucht – und später an meinen Vater weitergegeben, der Jäger ist. Als Burgenlands Polizeichef fand ich immer wieder bemerkenswert, dass wir dort zwar österreichweit die niedrigsten Kriminalitätszahlen haben, aber gleichzeitig das niedrigste Sicherheitsgefühl.

STANDARD: Wie sehen Sie das aufkommende Phänomen der Bürgerwehren?

Doskozil: Diese Entwicklung betrachte ich mit ebensolcher Skepsis wie den ganzen Graubereich rund um private Sicherheitsfirmen, die immer mehr Überwachungsaufgaben übernehmen. Meine Grundeinstellung dazu lautet: Das Sicherheits- und Gewaltmonopol muss beim Staat bleiben, also bei Polizei und Bundesheer.

STANDARD: Bleiben Sie dabei, dass Österreich heuer den Richtwert von 37.500 Asylanträgen in etwa einhalten wird – oder ist die Obergrenze nach geschlagener Bundespräsidentschaftswahl ohnehin Geschichte?

Doskozil: Die Regierung übernimmt Verantwortung für dieses Land. Dieser Richtwert soll nicht überschritten werden. Deshalb führen wir verstärkt Einreisekontrollen entlang der Migrationsrouten ein, wollen das Asylrecht novellieren, und zwar auf Basis der Empfehlungen von zwei Rechtsgutachten. Diese Maßnahmen sind notwendig, weil es keine europäische Lösung gibt und der Schutz der EU-Außengrenze und die Verteilung in Europa nach wie vor nicht funktionieren.

STANDARD: In der SPÖ, vor allem in Wien, rumort es, weil Sie und die Bundespartei im Zuge der Asylnovelle jetzt Notstandsverordnungen gegen das Steigen der Asylwerberzahl in Stellung bringen wollen. So exekutiert man doch freiheitliche Forderungspolitik?

Doskozil: Dem widerspreche ich entschieden. Wenn hunderttausende Flüchtlinge nach Österreich kommen und wir diese Menschen nicht integrieren können, wir für diese Menschen keine Jobs und keine Wohnungen haben, dann schaffen wir bewusst Armut und Elend. Das wäre ein Strache-Förderungsprogramm. Dann kann man ihm jetzt schon den Schlüssel für das Kanzleramt in die Hand drücken. Es geht darum, der Realität ins Auge zu blicken und verantwortungsvoll zu handeln. Als Sozialdemokrat und Humanist will ich, dass unsere staatlichen Systeme, dazu zählen auch die Sozialsysteme, funktionieren und dass alle, die ein Anrecht auf Asyl haben, auch integrierbar sind und von der Gesellschaft aufgenommen werden können.

STANDARD: Nach Johanna Mikl-Leitners Wechsel nach Niederösterreich bekommen Sie Wolfgang Sobotka im Innenressort als Gegenüber. Ihm eilt der Ruf voraus, ein "Häferl" zu sein. Schon eine Deeskalationstrategie zurechtgelegt?

Doskozil: Meine zwei bisherigen Treffen mit ihm waren sehr angenehm, muss ich sagen. Und bis zu einem gewissen Grad muss man Menschen immer so akzeptieren, wie sie sind.

STANDARD: Das klingt jetzt doch einfacher, als es oft ist – im Leben wie in der Koalition.

Doskozil: Seine Grenzen muss jeder selbst definieren – und wenn diese überschritten sind, muss man darauf eben reagieren.

STANDARD: Als frisches Regierungsmitglied steht Ihnen der erste handfeste Koalitionskrach wohl noch bevor. Was, wenn es demnächst intern sehr laut wird?

Doskozil: Ich reagiere immer situationsbedingt. Den Ausdruck "situationselastisch" werde ich hier aber bewusst nicht verwenden. (Nina Weißensteiner, 14.4.2016)