Bereits bei der Klubtagung der SPÖ Wien protestierte die rote Jugend gegen Kanzler Werner Faymann.

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Die SPÖ-Bundespartei und Kanzler Werner Faymann bekommen in der Asylpolitik weiter heftigen Gegenwind aus den eigenen Reihen. Nachdem die Wiener SPÖ und Wiens Stadtregierung – allen voran die Stadträtinnen Sandra Frauenberger, Sonja Wehsely und Renate Brauner – gegen eine Novelle des Asylgesetzes, die Notstandsverordnungen vorsieht, aufgetreten sind, ziehen die rote Jugend und weitere Landesorganisationen nach.

Bürgermeister Michael Häupl war am Mittwoch um diplomatische Besänftigung bemüht. Mit der Asylrechtsnovelle dürfe nicht "das Ende der bisherigen Asyltradition" kommen und auch "keine Abkehr vom Wiener Weg der Menschlichkeit", sagten Häupl und Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler. Die geplante Regelung sei "der letzte Ausweg", dieser stehe "nicht unmittelbar bevor". Sie solle jedenfalls keine Möglichkeit bieten, Asylanträge auf eine Zahl zu begrenzen.

Andere in der Wiener SPÖ bezeichnen das Vorgehen des Kanzlers beim Asylrecht als "nicht sonderlich geschickt" – vor allem angesichts des Landesparteitags am Samstag, bei dem Faymann eine Rede halten wird. Es wird befürchtet, dass es – wie bei der SPÖ-Klubklausur vor einem Monat – offene rote Proteste und Störaktionen gegen den Kanzler geben wird.

Die Notstandsregelungen seien nur "der Gipfel des Irrsinns", sagt etwa Laura Schoch, Vorsitzende der Sektion 5 in Wien-Mariahilf und Gründungsmitglied der SPÖ-Weiberei. "Niemand redet mehr über Asyl auf Zeit oder die Verschärfungen beim Familiennachzug", kritisiert sie. Dadurch würde für Frauen und Kinder eine "fahrlässige Situation" geschaffen. Sie würden an der Grenze im Schlamm festsitzen und bräuchten legale Fluchtwege. Mit den Angriffen auf das Asylrecht werde der "Kern der Sozialdemokratie belächelt".

Länder ziehen nach

Nach einer "intensiven Debatte" des steirischen SPÖ-Landtagsklubs sagte Klubobmann Hannes Schwarz: "In Österreich herrscht kein nationaler Notstand, wie es im kursierenden Gesetzesentwurf formuliert wird." Eine Verschärfung der Asylgesetze auf dieser Grundlage werde abgelehnt. SPÖ-Landesgeschäftsführer Max Lercher bekräftigt, dass die steirische SPÖ hinter der Position des Landtagsklubs stehe: Es gehe um die "Verpflichtungen, die Österreich gegenüber Europa hat". Schengen sei – bezogen auf die Steiermark – von eminenter Bedeutung, sagt Lercher. Die Industrie in der Obersteiermark sei von einem funktionierenden Exportmarkt abhängig. Hier sei eine große Zahl von Arbeitsplätzen in Gefahr.

"Wir sind auf Wiener Linie", sagt Tirols roter Landeschef Ingo Mayr. In der Causa passiere "viel im Geheimen". Daher sei die SPÖ Tirol "in Alarmbereitschaft". Weitere Verschärfungen im Asylrecht seien für die Tiroler nicht notwendig. "Die Botschaft, die dadurch in die Welt gesendet wird, ist nicht gut", sagt Mayr. Landtagsabgeordneter Thomas Pupp findet schärfere Worte: "Mit dieser Politik haben wir unsere Grundprinzipien aufgegeben. Mit den Eckpfeilern der Sozialdemokratie hat das alles nichts mehr zu tun." Er halte es für "fatal", dass die Bundes-SPÖ die Rhetorik der FPÖ übernommen habe.

Willkommenskultur

Michael Ritsch, Vorarlberger SPÖ-Vorsitzender ist gegen eine Verschärfung der Asylgesetze. "Aber ich bin mir bewusst, dass ich da in der Minderheit bin. In der Partei, in Vorarlberg, in Österreich." Diese Mehrheit vertrete Werner Faymann. Ritsch: "Mein Parteichef macht, was sich die Mehrheit wünscht." Ritsch sieht keinen Grund für Gesetzesänderungen: "Wir haben keinen Notstand, es besteht auch keine Gefahr in einen solchen zu geraten." Als Demokrat respektiere er Mehrheitsbeschlüsse. "Ich trage trotz aller Stimmungsveränderungen immer noch die Willkommenskultur in mir", sagt der Politiker. Man sollte den Menschen helfen, "auch wenn es eng wird". Ritsch: "Ich weiß aber, dass ich mit dieser Meinung Stammtische nicht erreiche." Die Sozialdemokratie ist für ihn dennoch "die einzige Partei, die auf der richtigen Seite steht". Aber: "Ich trage nicht alle Beschlüsse mit."

Der Salzburger Landesparteichef Walter Steidl meint, die Regierung solle sich Zeit lassen, um einen guten Konsens über die Änderung des Asylrechts zu erreichen. In das Begutachtungsverfahren müssten NGOs zwingend eingebunden werden, verlangt Steidl. Er warnt vor "Husch-Pfusch", damit sei niemanden gedient. Ziel müsse es sein, dass die Verfahren schneller abgewickelt werden, dazu brauche es auch mehr Personal, fordert Steidl von der Regierung. "Viele Fragen sind ungeklärt und ungelöst." Verschärfungen wie das Asyl auf Zeit müssten genau abgewogen werden.

Jugend gegen Faymann

Weiter geht die Basis: Mit der Novelle mache sich die Regierung "lächerlich", sagt Katrin Walch, Vorsitzende des Verbands sozialistischer Studierender (VSStÖ). Dass von einem Notstand gesprochen wird, wenn 830 Gemeinden keinen Flüchtling aufgenommen haben, zeige, dass Faymann den Anschluss zur "Realität und seiner Basis" verloren habe: "Er schickt Doris Bures vor, um in Wien einen Antrag zu ändern und die Landesorganisationen auf Kurs zu bringen", sagte Walch zu dem Versuch, einen Antrag zur Asyllinie auf dem Landesparteitag der SPÖ Wien zu ändern. "Wenn nicht bald ein Kurswechsel eintritt, ist Faymann rücktrittsreif."

Auch Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJÖ), sieht die Novelle als "höchst problematisch" an: "Durch diese Politik macht man Forderungen der FPÖ salonfähig." Sie selbst habe Faymann schon auf dem letzten Bundesparteitag nicht gewählt.

"Gerade Kindern darf das Menschenrecht auf Asyl nicht verwehrt werden, auch nicht durch einen Notstand", sagte Kinderfreunde-Geschäftsführer Daniel Bohmann, der an die SPÖ appelliert, sich auf die Menschlichkeit zu konzentrieren und nicht auf taktisches Vorgehen.

Vorbereitung als Schutz

Nicht so streng will es der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser sehen. Kaiser habe Verständnis dafür, dass Österreich "zum Schutz Notmaßnahmen ergreifen muss, um im Falle einer neuerlichen großen Flüchtlingsbewegung vorbereitet zu sein", sagt dessen Sprecher Andreas Schäfermeier.

Die SPÖ Oberösterreich sieht im aktuellen Vorstoß der Bundesregierung zum Asyl- und Fremdenrecht "ein Wieder-In-Kraft-Setzen bzw. Konkretisieren von Regelungen, die eigentlich schon (einmal) Gültigkeit hatten". Die Beschleunigung des fremdenrechtlichen Verfahrens unter Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung bringe den Betroffenen früher Sicherheit über ihren Status, schaffe mehr Spielräume für die Integration und entspreche im Grunde einer lang gehegten Forderung, so Landesgeschäftsführer Peter Binder.

Unabhängig davon werde es unbedingt notwendig sein, weiter für eine nachhaltige Gesamtlösung auf europäischer Ebene zu kämpfen. Binder: "Dafür hat Bundeskanzler Faymann unsere vollste Unterstützung. Gesamtlösung beinhaltet dabei auch dringend notwendige Maßnahmen, die eine deutliche Verbesserung der Lage und Lebensbedingungen in den Herkunftsländern bringen – diesbezüglich fordern wir wesentlich mehr Engagement von Außenminister Kurz."

Notstand nicht "herbeireden"

Für die Niederösterreicher sei es eine "demokratische Voraussetzung, dass es eine Begutachtungsphase der Gesetzesnovelle gibt", sagt Landesgeschäftsführer Robert Laimer. Es gehe aber nicht um "das Herbeireden eines Notstands", sondern darum, dass nicht einige wenige Länder die Herausforderungen im Asylwesen bewältigen können. Dabei stehe es "außer Frage, Kriegsflüchtlinge zu unterstützen".

Menschen, die nach Österreich kämen, um "ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern", könnten aber nicht alle aufgenommen werden: "Wir dürfen die Österreicher nicht überfordern und in der Folge in keine unzumutbare Situation bringen", sagt Laimer. Die Diskussionen über die Novelle sehe er nicht negativ, denn "unterschiedliche Meinungen und der daraus folgende Konsens sind in einer Demokratie wichtig und richtig". (jub, krud, mika, mro, mue, ook, ruep, 13.4.2016)