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Die Einführung staatlicher Spionagesoftware wird auch mit einer Falschmeldung begründet.

DPA

Nach den Terroranschlägen von Brüssel war es so weit: Das Justizministerium stellte seinen Gesetzesentwurf vor, der den Einsatz von staatlicher Spionagesoftware ("Bundestrojaner") regeln soll. Dieser enthielt auch eine Überraschung: Nicht nur Handys und Computer von Verdächtigen sollen damit ausgespäht werden, sondern auch Spielkonsolen.

Warum gerade auf Playstations und anderen Geräten die Programme installiert werden sollen, wird in den Erläuterungen des Gesetzestextes erklärt. Demnach sollen die Attentäter von Paris via Playstation-Chat kommuniziert haben, deswegen sollen Terrorfahnder nun ebenfalls Spielkonsolen überwachen können.

Ein Zeitungsente

"Eine Zeitungsente", wie die Netzaktivisten des Arbeitskreises Vorratsdaten (AK Vorrat) in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf festhalten. Tatsächlich tauchte die Meldung unmittelbar nach den Terroranschlägen in zahlreichen Medien auf, allerdings entpuppten sich diese alsbald als falsch.

Die Kritik des AK Vorrat als Grafik (zum Vergrößern anklicken).
Foto: AKVorrat

Der AK Vorrat übt in seiner Begutachtungsstellungnahme scharfe Kritik an der geplanten Ausdehnung der Onlineüberwachung und warnt vor einem "unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff". Das Justizministerium weist die auch von Grünen und Datenschützern vorgebrachten Bedenken dagegen zurück und erwartet nur eine Handvoll Fälle pro Jahr.

Wird jede Datei überwacht?

Um verschlüsselte Kommunikation tatsächlich überwachen zu können, "müsste es zu einer echten Onlinedurchsuchung des Computersystems kommen", erklärt der AK Vorrat. Dabei müsste letztlich jede Datei überwacht werden: "Kein Gedankeninhalt, auch nicht der Inhalt von Mitteilungen, die gar nicht abgesendet werden, würde vor den Ermittlungsbehörden verborgen bleiben." Die Kritiker zweifeln auch die Versicherung des Justizministeriums an, dass eine Ferninstallation der Überwachungssoftware ausgeschlossen sei. Das steht zwar in den Erläuterungen, wird im Gesetz aber nicht explizit festgeschrieben.

Software soll am Gerät installiert werden

"Explizit ist das nicht", räumt der Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, ein, "aber es ist eindeutige Absicht des Gesetzgebers" und ergebe sich aus der Systematik des Gesetzes. Um sicherzustellen, dass auch wirklich nur die gewünschte Zielperson überwacht wird, soll die Software laut Pilnacek direkt auf dem Gerät installiert werden – etwa im Rahmen einer Observation oder (wenn das "unumgänglich" ist, wie es im Gesetzesentwurf heißt) durch Eindringen in die Wohnung der Zielperson. Auch eine Fernabschaltung soll laut Pilnacek nicht möglich sein – stattdessen werde sich die Software nach einer vordefinierten Zeit selbst deaktivieren.

Nicht mehr als "sechs Fälle" pro Jahr erwartet

Warnungen, dass etwa die genaue Abgrenzung von zu überwachender Onlinekommunikation und nicht zu überwachendem Internetsurfen in der Praxis nicht machbar sei, weist Pilnacek unter Verweis auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zurück: "Experten des BVT haben uns zugesichert, dass das möglich wäre." Das Programm werde entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu programmieren sein.

Dass die Software tatsächlich nur das überwacht, was gesetzlich zulässig ist, müsste im Anwendungsfall der Rechtsschutzbeauftragte unter Einbindung von Sachverständigen überprüfen, betont Pilnacek. Er geht nicht davon aus, dass die Onlineüberwachung zum Massenphänomen wird: "Die große Gefahr sehe ich nicht, denn die Einsatzvoraussetzungen sind die gleichen wie beim großen Lausch- und Spähangriff." Hier gebe es "nicht mehr als sechs Fälle pro Jahr". Zuletzt wurden im Jahr 2012 zwei Große Lausch- und Spähangriffe durchgeführt, 2013 drei. (sum, APA, 10.4.2016)