Sicherheit, Heimat, Erfahrung, Unabhängigkeit: Die Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl und ihre Bewerbungsplakate.

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Werbermeinung zum Auftritt von Irmgard Griss: "Schade, dass das Plakat nicht fertig wurde."

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Alexander Van der Bellen nahm Anleihe bei den Blauen.

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Das Plakat des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer erinnert den Mimikexperten an fernöstliche Politikinszenierung.

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Das ÖVP-Sujet mit Andreas Khol und der Polizei lässt Experten ratlos zurück.

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SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer sieht leider an der Gesprächspartnerin vorbei. Das wirke, als würde sie ihn anhimmeln.

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Wien – Irmgard Griss hat sich Zeit gelassen. Am Donnerstag präsentierte sie als vorerst Letzte im Bund der Präsidentschaftskandidaten ihre Bewerbungsplakate für die Hofburg. Jetzt ist auch Baumeister Richard Lugner auf den Geschmack gekommen. Entgegen seiner Ankündigung, auf Plakate vollkommen zu verzichten, will er nun Anfang April vorstellen, was bis zum Wahltag an ausgewählten Plätzen zu sehen sein soll. Für den Standard haben einige Experten bereits jetzt die Plakatkampagnen der Kandidaten analysiert.

Unfertiges Plakat

"Das sieht aus wie ein Entwurf", sagt Albert Essenther, Chef der Werbeagentur EEP, die auf Kommunikation und Markenstrategie spezialisiert ist, zum Plakat von Irmgard Griss. "Schade, dass das Plakat nicht fertig wurde." Essenther, der Griss persönlich sehr sympathisch findet, hält den Werbeauftritt der unabhängigen Präsidentschaftskandidatin für "zu leise, zu still und viel zu konservativ". Lediglich die Haltung der Hände vermittle etwas Spitzbübisches – nach dem Motto: "Schaut her, ich trau mich was". Insgesamt baue das Plakat aber Distanz auf. Das Motto "Jetzt oder nie" spiele offenbar darauf an, dass Griss die einzige Frau als Kandidatin ist, diese Karte hätte man stärker spielen müssen, sagt Essenther. Auch aus Sicht des deutschen Mimikexperten Robert Körner, der – mit Ausnahme von Richard Lugner – keinen der österreichischen Kandidaten kannte, fehlt es Griss bei ihrem Auftritt an Authentizität: "Sie zeigt ein soziales Lächeln, das soll sympathisch wirken. Aber die äußere Augenringmuskulatur ist nicht beteiligt."

Das Zusammenziehen dieses Muskels betone nämlich "das Funkeln in den Augen" – etwas, das SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer mühelos gelinge. Körner: "Hier sehen wir echt erlebte Freude. Aufgrund der Spiegelneuronen im Gehirn freut man sich automatisch mit." Das große Manko am roten Plakat liege andernorts: in der Blickrichtung. "Wahrscheinlich wollte man mit der Gesprächspartnerin Dialogbereitschaft signalisieren", vermutet Körner, aber: "Er schaut an ihr vorbei. Jetzt sieht es aus, als würde sie ihn anhimmeln."

Für Werber Essenther ist das SPÖ-Plakat eine "Photoshop-Orgie". Essenther: "Das ist altmodisch, so etwas macht man nicht mehr." Jeder wisse, wie Hundstorfer ausschaue, auf dem Plakat wirke er aber um 20 Jahre jünger. Das sei unglaubwürdig. Die Botschaft sei aber klar, die SPÖ setze mit dem Plakat auf Zuversicht und eine sonnige Zukunft.

So eindeutig ist die Botschaft nicht für alle. Young & Rubicam-Werber Luigi Schober bekrittelt: "Was soll ,Mit Sicherheit. Immer für uns' heißen? Für mich ist da nichts übriggeblieben." Der Alternativvorschlag Schobers, der einst schon für Thomas Klestil mit "Macht braucht Kontrolle" und für Heinz Fischer mit "Politik braucht ein Gewissen" warb: "Anstand mit Verstand." Das beschreibe Hundstorfer, die Leute wüssten, warum sie ihn wählen sollen.

Bei ÖVP-Kandidat Andreas Khol sei offenbar auf ein Fotoshooting verzichtet worden, glaubt Albert Essenther, "da hat man aus der Not eine Tugend gemacht", das Bild sehe aus wie aus der Hüfte geschossen. Khol wirke authentisch, er benutzt beim Sprechen die Hände, die ÖVP setze auf das Argumentative. Auch der Mimikexperte ist begeistert: Leicht geöffneter Mund, zusammengezogene Augenbrauen der Marke skeptisch, nachdenklich – "hier steht ein Elder Statesman, der sich nichts vormachen lässt".

Orientierungslosigkeit

Mit den Khol-Sujets trage die ÖVP zur allgemeinen Orientierungslosigkeit der Wähler bei, findet hingegen Werber Schober. "Die sind überfordert." Schober fürchtet zwei mögliche Reaktionen: "Sie sagen ,Pfeif drauf, ich wähl den Lugner' oder ,Ich geh' nicht wählen'." Jenes Plakat, auf dem Khol mit Polizisten parliert und der Botschaft "Demokratie allein sichert Freiheit nicht", hinterlässt ihn ratlos. Das sei wohlein Schwenk aufgrund der aktuellen Stimmungslage in der Bevölkerung, "der so nicht beabsichtigt war".

Nahezu desaströs fällt Schobers Urteil über Alexander Van der Bellens Plakatauftritt aus: Das ist eine markentechische Bankrotterklärung. Der Heimatbegriff gehört zu 99 Prozent den Blauen." Und einen so verorteten Begriff könne man nicht innerhalb von 14 Tagen umcodieren. Heißt: "Völlig unglaubwürdig, das stützt die Blauen." Immerhin die Optik gefällt – auch den Kollegen. Für Essenther haben die Plakate von Van der Bellen einen sehr ästhetischen Stil, "hier wurde auf die übliche Komposition von Wahlplakaten verzichtet". Essenther: "Das Unangestrengte kommt erstaunlich gut rüber", Van der Bellen beschwöre eine Normalität, die etwas Beruhigendes habe. Er sieht auch die Verwendung des Heimatbegriffs entspannter: Der werde hier – ganz anders als bei der FPÖ – als etwas Schönes und Positives eingesetzt, hier werde deeskaliert. Optisch spricht Van der Bellens Kampagne auch Mimikexperten Körner an, aber: Die Mundwinkel zeigen leicht nach unten, die Schultern hängen. Das sehe "kraftlos und ausgezehrt" aus. Die Mischemotion aus Trauer (Augen) und Freude (Mundpartie) sei insgesamt zu negativ.

Pure Agitation

Aus Mimiksicht ist es aber auch wirklich nicht leicht. Auch für den blauen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer: "Er wirkt angespannt, hat ein britisches Lächeln, erkennbar an der angespannten Unterlippe." Mit dem Blick in die Ferne habe der Auftritt etwas von fernöstlicher Politikinszenierung, findet Körner.

Auch EEP-Chef Essenther übt Kritik. Die FPÖ setze auf pure Agitation, der Untergang der Republik werde signalisiert, und Kandidat Norbert Hofer sei der Supermann, der Rettung bringt. Die dahinterliegende Botschaft laute: "Steht auf, wehrt Euch, schmeißt die Flüchtlinge raus." Kollege Schober hingegen lobt die Klarheit der Aussage, er urteilt: "Ein bissl bach'n, aber das funktioniert." (Karin Riss, Michael Völker, 25.3.2016)