Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) will die Gesamtschule im ganzen Bundesland testen.

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Wien – So groß, wie sie zunächst vermuten ließ, ist die Bewegung der ÖVP bei Modellregionen zur Gesamtschule wohl doch nicht. Der Vorschlag, dass zusätzlich zur 15-Prozent-Grenze für die gemeinsame Schule auch eine Maximalzahl von Schülern eingeführt wird, ist keineswegs die Idee von Parteichef Reinhold Mitterlehner. Sie wurde schon "vor einiger Zeit" von Vorarlberg in die Verhandlungen eingebracht, wie der Sprecher des Vorarlberger Landeshauptmanns Markus Wallner (ÖVP) zum STANDARD sagt.

Mitterlehner habe sich lediglich "offen" für diesen Vorschlag und die Anliegen Wallners gezeigt. "Ziel ist es, eine für Vorarlberg adäquate Lösung zu finden", heißt es aus dem Büro des Vizekanzlers. Beim zuständigen Staatssekretariat von Harald Mahrer (ÖVP) gibt man sich zugeknöpft. Man könne keine Details nennen, "die Verhandlungen laufen".

Bei der Bildungsreform, die SPÖ und ÖVP im November vorgeschlagen haben, ist vorgesehen, dass 15 Prozent aller Schüler und Schulstandorte pro Schulart eine Modellregion bilden können. Vor allem Vorarlberg und Wien ist diese Regelung ein Dorn im Auge. In Vorarlberg sind alle Parteien für eine Modellregion im gesamten Bundesland, in Wien will die Stadtregierung die Gesamtschule großflächig testen.

"Erwarten ernsthafte Diskussion"

Der Vorschlag aus Vorarlberg sieht nun vor, dass 15 Prozent oder 5.000 Schüler an einer Modellregion teilnehmen dürfen. "Wir haben derzeit 3.800 Schüler in der Unterstufe der AHS", heißt es aus Wallners Büro. Laut den Informationen der Landesregierung könnten dann mit der entsprechenden Regelung nur Vorarlberg und das Burgenland die Gesamtschule flächendeckend testen. "Wir erwarten uns nun eine ernsthafte Diskussion über diesen Vorschlag", drängt der Sprecher Wallners auf eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP.

In Tirol wird der Vorstoß grundsätzlich begrüßt: "Wir waren diesbezüglich ja die Vorreiter, unser Landeshauptmann Günther Platter hat sich bereits im Jahr 2012 für die gemeinsame Schule ausgesprochen", sagt Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP). Zu früh freuen will sie sich allerdings nicht. "In diesem Bereich wird viel diskutiert. Ich warte einmal ab, bis es einen klaren Beschluss der Bundesregierung gibt."

Tirol für Aufweichung der 15-Prozent-Hürde

Das Tiroler Zillertal ist bereits die erste und einzige Gesamtschul-Modellregion Österreichs, allerdings "keine echte", wie auch Palfrader eingesteht. "Es nimmt dort schließlich keine AHS teil." Eine Aufweichung der 15-Prozent-Hürde wäre deshalb auch in ihrem Sinne: "Wir haben im Regierungsprogramm festgeschrieben, dass es für Tirol gut vorstellbar wäre, Innsbruck als Modellregion einzurichten, das ist derzeit aber nicht möglich." Fest steht für Palfrader: "Wenn, dann müssen da auch wirklich alle Schulen mitmachen. Gibt es innerhalb einer Region drei verschiedene Schultypen, führt das erst recht zu einer Segregation."

Ablehnung von Gewerkschaft und Blümel

Keine Freude mit den Aussagen Mitterlehners hat der AHS-Lehrergewerkschafter Eckehard Quin (FCG). Er wirft der ÖVP in einem Blogeintrag vor, schon mit der Einigung auf eine Modellregion mit 15 Prozent der Schüler einen "Selbstzerstörungstrieb" zu beweisen. Schließlich hätten sich bei einer Befragung 84 Prozent der ÖVP-Mitglieder für ein differenziertes Schulsystem ausgesprochen. Zu den jüngsten Aussagen des ÖVP-Chefs schreibt Quin: "Und ich dachte bisher, im Liegen könne man nicht umfallen."

Auch aus der eigenen Partei kommt Kritik. Schon am Wochenende hatte die Wiener ÖVP das Aufweichen der 15 Prozent-Grenze abgelehnt. Am Montag legte Parteichef Gernot Blümel nach. "Ich erwarte mir, dass alle Mitglieder des Bundesparteivorstands zu den dort getroffenen Beschlüssen stehen", richtete er dem Vizekanzler in der "Presse" aus. "Gibt man den Sozialisten den kleinen Finger, ist gleich die ganze Hand weg." (Lisa Kogelnik, Katharina Mittelstaedt, 7.3.2016)