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IT wird in der Schulbildung groß geschrieben: Alle Schüler bekommen von der Schule leihweise ein Notebook.

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IT-Unternehmen stellten Software anfangs gratis zur Verfügung und haben damit einen Markt entwickelt, in dem zuletzt pro Quartal 350 Millionen US-Dollar umgesetzt wurden.

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Der europäische Blick auf das US-Bildungssystem ist gespalten: Wir glorifizieren die Universitäten, vor allem die Eliteunis, und werten den Rest des Bildungssystems mit einer gewissen Arroganz ab. Beides ist unangebracht. Was K-12 (Kindergarten bis zwölfte Stufe) betrifft: Selbst unser hochgelobtes Gymnasium fällt in bestimmten Aspekten deutlich hinter gute Junior-High-, Middle- und Highschools zurück. Darüber hinaus gibt es in Kalifornien wie in einer Reihe anderer US-Staaten eine Schul- oder vielmehr eine Bildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr.

Mit der Schule ist es in Österreich wie mit dem Fußball: Weil jeder selbst in der Schule war, ist jeder Bildungsexperte. Um es gleich klarzustellen: Nur weil meine beiden Töchter derzeit die Junior-High- bzw. die Highschool besuchen, öffentliche wohlgemerkt, bin ich kein internationaler Bildungsexperte. Ich berichte bloß subjektiv über ein paar bemerkenswerte Unterschiede.

1. IT für Alle

Erstens der IT-Einsatz: Alle Schüler bekommen von der Schule leihweise ein Notebook. Google Classroom, Kahoot und Turnitin werden großflächig für Hausarbeiten und Lernunterlagen eingesetzt. IT-Unternehmen stellten Software anfangs gratis zur Verfügung und haben damit einen Markt entwickelt, in dem zuletzt pro Quartal 350 Millionen US-Dollar umgesetzt wurden. In Stanford erforscht Lucy Svoboda gerade, wie wenig sich IT-Unternehmen dabei um pädagogische Ziele kümmern.

Dennoch, was den IT-Einsatz betrifft, gibt es in Österreich enormen Nachholbedarf.

2. Trotzdem viele Bücher

Zweitens – zurück zu Gutenberg – die Bücher: Die Schüler bekommen für alle Fächer Textbücher in zweifacher Ausfertigung zur Verfügung gestellt – wiederum leihweise. Ein Buch bleibt in der Schule, ein Buch darf zu Hause bleiben. Die Qualität der Bücher ist aber beeindruckend, dahinter steht die ganze Erfahrung der großen US-Textbuchverlage. Sie kosteten aber auch, kaufte man sie privat, an die 100 US-Dollar pro Buch.

3. Besser organisiert

Drittens die Organisation: Im Unterschied zu Österreich gibt es hier eine Schulverwaltung, die die Lehrer nicht im Regen stehen lässt. Es gibt genug Raum, IT und Unterstützung für die Lehrer, es gibt Direktoren, die ausreichend administratives Personal haben, es gibt Berater für die Schüler. Von den Eltern finanzierte Stiftungen bezahlen Extras für alle Schüler – auch für die ärmeren, deren Eltern nicht spenden.

In den School-Distrikten gibt es partnerschaftliche School-Boards, die einen Superintendenten bestimmen. Damit sind die öffentlichen Schulen zumindest formal vollkommen vom politischen System entkoppelt.

4. Abwahl von Lehrern möglich

Viertens die Lehrer: Der Anteil der engagierten und begeisterten Lehrer ist sehr hoch. Es gibt kaum Hausarbeiten von einem Tag auf den anderen, dafür mehr längerfristige Projektarbeiten. Der stärkste Eindruck: Lehrer vertrauen Schülern. Manche Prüfungen machen die Schüler zu Hause. Sie versprechen, diese Arbeiten alleine und ohne Hilfsmittel zu schreiben. Das System der Wahlmöglichkeiten hat zur Folge, dass schlechte Lehrer abgewählt würden und daher Gefahr laufen, ihren Job an der Schule zu verlieren.

5. Zeitgemäße Inhalte

Fünftens die Inhalte: Die Lehrer sind freier in der Auswahl und Gestaltung. Der Stoff ist zeitgemäßer, es gibt ein Fächer wie "Life Science" und "Environmental Science". In Geschichte lernen schon die Zwölfjährigen über das Mittelalter in Japan und Nordafrika – während bei uns Geschichte nach wie vor euro-, ja germanozentristisch ist. Mathematik ist stärker problemorientiert, weniger theoretisch und auf beachtlichem Niveau. Es gibt aber inklusive Wahlfächern auch nur sieben Fächer. Dazu kommt, dass es die Auswahl unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade in den Kernfächern den Schülern ermöglicht, entsprechend ihrer Talente zu lernen und beurteilt zu werden. Das passt halt schlecht zu unserem Allgemeinbildungskanon.

6. Engagierte Schüler

Sechstens die Schüler: Klassengemeinschaft gibt es nicht, und die Freundschaften sind viel loser (Feindschaften vielleicht weniger grausam). In den Stunden wird kaum getratscht. Das von der Stanford University bekannte Phänomen der intrinsisch motivierten und hoch engagierten Studierenden beginnt schon in der Junior-Highschool – schließlich wollen alle einmal auf ein gutes College. Hier im Valley wissen offenbar schon die Zwölfjährigen, dass sie nicht für die Schule, sondern für ihre Karriere lernen.

Ausnahme Silicon Valley

Das Silicon Valley ist nicht die USA. Die öffentlichen Schulen in Detroit, Michigan, sind so heruntergekommen, dass man kaum mehr Lehrer für sie findet. Kakerlaken und Ratten, undichte Dächer, demolierte Spinde – Horrorbilder gingen im Jänner durch die Medien. Solche Schulen würde man eher in Somalia oder im Jemen vermuten, nicht in der Metropole der US-Autoindustrie.

Die Qualität der Schulen hängt stark von der sozialen Zusammensetzung der Wohngegend und damit des Schulbezirks ab und macht das Gesamtsystem extrem ungerecht. Was übrigens auch zeigt, dass ein gemeinsames Schulsystem bis 18 noch lange kein Garant für mehr soziale Gerechtigkeit ist.