Kanzler Werner Faymann (rechts) und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner wollen nicht mehr länger auf EU-Vorschläge warten.

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Innenministerin Mikl-Leitner und Verteidigungsminister Doskozil planen die weiteren Maßnahmen zur Grenzsicherung

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Wien – Den Streit vergangener Wochen und Monate scheint die rot-schwarze Regierung beim Flüchtlingsthema endgültig hinter sich gelassen zu haben. Einig wie selten präsentierten sich Kanzler Werner Faymann und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner am Dienstag nach dem Ministerrat. Sogar beim Wording zur Flüchtlingsaufnahme entkam dem SPÖ-Chef einmal die bisher verpönte "Obergrenze".

Schon vor dem Ministerrat traten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und der neue Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) gemeinsam vor die Presse, um zu verkünden, dass ab kommender Woche Tageskontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen in Kraft treten sollen.

Nachbarstaaten informieren

Wie hoch die genau sein werden, soll erst noch zwischen dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, und dem Generalstabschef im Heer, Othmar Commenda, vereinbart und den Nachbarstaaten Slowenien, Kroatien und Mazedonien mitgeteilt werden. Die "Krone" berichtete zuletzt, dass pro Tag nur mehr 100 Asylanträge angenommen werden sollen und 2.000 Flüchtlinge nach Deutschland weiterreisen dürfen.

In der Praxis sollen die täglichen Obergrenzen sogar auf Stundenwerte runtergebrochen werden. Ähnliches praktiziert Deutschland seit dem Herbst an der österreichischen Grenze. Dort wurden pro Stunde und pro Grenzübergang zwischen 50 und 100 Flüchtlinge übernommen – am Tag zwischen 5.000 und 6.000, was mitunter zu einem Rückstau in Österreich geführt hat. Ganz starr sollen die Tageskontingente aber offenbar auch in Österreich nicht gehandhabt werden. Man werde sich nach dem Andrang richten, erklärte man in Regierungskreisen dem STANDARD.

Gutachten liegen noch nicht vor

Beim Asylgipfel am 20. Jänner hatte man noch vereinbart, zuerst ein Gutachten abwarten zu wollen, ob Obergrenzen überhaupt rechtlich zulässig sind. Zur Erinnerung: Heuer sollen maximal 37.500 Flüchtlinge aufgenommen werden, seit Jahresbeginn gab es bereits 8500 Asylanträge.

Die Expertise wird voraussichtlich erst im März vorliegen. Dass man nun schon vorher mit Tageskontingenten startet, sehen Faymann und Mitterlehner nicht als Problem an. Es handle sich um eine rein technische Maßnahme im Rahmen des Grenzmanagements, meinte Mitterlehner, daher sei das "jedenfalls rechtlich zulässig".

Faymann meinte, dass derzeit ohnehin weniger Flüchtlinge – zuletzt rund 1.000 pro Tag in Spielfeld – kämen und sich die Gutachten vor allem der Frage widmen sollen, wie man vorgehen könne, wenn wieder starke Fluchtbewegungen wie im vergangenen Herbst auftreten.

Automatische Obergrenze

Für Doskozil ergeben sich die täglichen Obergrenzen "automatisch" aus dem neuen Grenzmanagement, das man in Spielfeld schon seit ein paar Wochen testet und das ab Donnerstag nächster Woche nach einem dreitägigen "Einsatztraining" nun tatsächlich in den Vollbetrieb übergehen soll.

Der Verteidigungsminister ist auch überzeugt davon, dass es zu "Ausweichbewegungen" von Flüchtlingen zu anderen Grenzübertritten kommen wird. Daher bereite man sich entsprechend vor. Die einzelnen Maßnahmen für jeden Grenzübergang sollen noch diese Woche verkündet werden. Mikl-Leitner formulierte schon klar: "Ich schließe nicht aus, dass es weitere Zäune geben muss." Genannt wurden von ihr Tirol, Kärnten und die Steiermark.

Kein Verständnis für Kritik aus Südtirol

In Südtirol hatte es zuletzt schon Kritik an einem möglichen Zaun am Brenner gegeben. Mikl-Leitner zeigte sich davon unbeeindruckt. Die Südtiroler sollten sich bei der italienischen Regierung für einen effektiveren Grenzschutz im Süden des Landes starkmachen – dann brauche man am Brenner keine Zäune.

Ob das Bundesheer heuer zusätzliche Mittel bekommt, ist noch nicht geklärt. Finanzminister Hans Jörg Schelling zeigte sich offen, jene 600 Millionen Euro, die bis 2024 für Investitionen zur Verfügung stehen, vorzuziehen. Insgesamt solle sich an der Summe aber nichts ändern.

Fingerprint-Problem aufgeschoben

Das leidige Fingerprint-Thema wurde am Dienstag noch nicht gelöst. Wie berichtet hatte das Innenministerium beklagt, dass man Fingerabdrücke von Flüchtlingen, die keinen Asylantrag in Österreich stellen, nicht speichern dürfe und der SPÖ vorgeworfen, eine Gesetzesänderung blockiert zu haben.

Voraussichtlich nächste Woche soll nun eine entsprechende Reform in den Ministerrat eingebracht werden. Kanzler Faymann zeigte sich auch hier pragmatisch und ganz auf Linie des Koalitionspartners: "Alles, was die an der Grenze Stehenden benötigen, haben wir zu erfüllen." (go, 9.2.2016)