Die Methode der Opposition, das Parlament zu boykottieren und einfach nicht mehr zu erscheinen, wurde in Albanien jahrelang praktiziert, bis vor kurzem auch in Mazedonien. Das Verhalten machte Mode auf dem Balkan. Seit dem Vorjahr boykottiert auch die Opposition in Montenegro das Parlament. Im Kosovo verhindern drei Parteien seit September mit Tränengas-Attacken, dass die Abgeordneten arbeiten können. Die Gewalt im Kosovo ist bisher der Höhepunkt der Erosion demokratischer Werte auf dem Balkan: Wahlergebnisse zählen nicht mehr, der Rechtsstaat ist egal. Die Parteien erheben einfach den Anspruch, einen Platz an der Macht einzunehmen.

Dieses Verhalten hat auch damit zu tun, dass auf demokratische Weise, also durch Wahlen, kaum Machtwechsel möglich sind. Die Regierungsparteien haben in den vergangenen Transitionsjahren die Staaten "gekapert", die Verwaltungen mit ihren Leuten besetzt, den größten Teil der Bevölkerung von sich existenziell abhängig gemacht. Was sollen da Wahlen noch bringen?

EU-Kommissar Johannes Hahn hat es mit viel Engagement geschafft, in Mazedonien diese Strukturen zu durchbrechen. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben dort zumindest wieder eine Chance. Deswegen wird der Ruf immer lauter, dass auch im Kosovo EU-Vermittler aktiv die Selbstzerstörung des jungen Staates unterbinden. Denn die Vision des EU-Beitritts selbst zieht schon lange nicht mehr. (Adelheid Wölfl, 12.1.2016)