Seit der Silvesternacht verstärkt die Kölner Polizei ihre Präsenz am Bahnhof.

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Köln – Nach den massiven Übergriffen am Silvesterabend in Köln haben die Ermittler nach eigenen Angaben mindestens drei mutmaßliche Täter identifiziert. Zwei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Die Zahl der Anzeigen stieg in Köln unterdessen auf mehr als hundert. In Hamburg lagen 53 Anzeigen von Opfern sexueller Übergriffe oder von Diebstählen vor.

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger sind drei Verdächtige identifiziert, die direkt mit den Übergriffen in Köln zu tun haben sollen. Die Ermittler hätten bisher insgesamt 16 Verdächtige ausgemacht, die mit den Taten in Zusammenhang stehen könnten, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Die meisten Verdächtigen seien zwar noch nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar.

Bei etwa drei Viertel der 121 angezeigten Taten hätten die Opfer angegeben, auch sexuell bedrängt worden zu sein. In zwei Fällen seien Vergewaltigungen angezeigt worden. Augenzeugen und Opfer hatten nach den Übergriffen ausgesagt, die Täter seien dem Aussehen nach größtenteils nordafrikanischer oder arabischer Herkunft. In der Silvesternacht hatten sich aus einer Gruppe von rund 1.000 Männern kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen.

Die Täter in Köln sollen laut Augenzeugenberichten nordafrikanischer oder arabischer Herkunft gewesen sein. Die Polizei bat wiederholt darum, dass sich weitere Opfer melden. Nach Polizeiangaben vom Mittwoch besteht inzwischen in zwei der angezeigten Fälle der Verdacht einer Vergewaltigung.

Verstärkung für Ermittler

Die zuständige Ermittlungskommission ist nach Angaben vom Mittwoch verstärkt worden. Bei der Kölner Staatsanwaltschaft hat die Abteilung für organisierte Kriminalität die Ermittlungen übernommen, da Absprachen für ein gemeinsames Vorgehen der Täter nicht ausgeschlossen werden.

Auch auf der Hamburger Reeperbahn hatte es in der Silvesternacht Übergriffe auf Frauen und Diebstähle gegeben. Bis zum Mittwoch stieg die Zahl der angezeigten Straftaten deutlich auf 53 an, wie die Polizei mitteilte. Ähnliche Taten wurden aus Düsseldorf gemeldet. "Die Art der Delikte ist mit denen in Köln vergleichbar", sagte ein Polizeisprecher dem WDR. Elf Frauen hätten Anzeige wegen sexueller Nötigung oder Diebstahls in der Silvesternacht gestellt.

Rechte Demo in Köln

Auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz demonstrierten am Mittwochnachmittag etwa hundert Menschen gegen eine Mahnwache der rechten Partei Pro NRW an gleicher Stelle. Pro NRW hatte die Veranstaltung unter dem Motto "Zuwanderungsgewalt lässt uns nicht kalt" angemeldet.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es müsse "nun alles getan werden, damit die Wahrheit herauskommt". Gebraucht werde dann eine "klare und harte Antwort des Rechtsstaats". Übergriffe wie diese seien "nicht kleinzureden und durch nichts zu entschuldigen".

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte, "mit aller Konsequenz des Rechtsstaats" gegen die Täter vorzugehen. Zugleich sagte er, die Vorfälle müssten "erst in Ruhe geklärt werden". CDU-Generalsekretär Peter Tauber forderte mehr Videoüberwachung und mehr Licht auf öffentlichen Plätzen von Großstädten.

Fragen zum Polizeieinsatz

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zum Polizeieinsatz: "Die Polizei muss sich die Frage stellen lassen, ob sie die Vorfälle wirklich schon in der Silvesternacht ernst genug genommen hat." Es solle aber keine vorschnellen Schuldzuweisungen geben.

Angesichts von Zeugenaussagen, dass die aggressive Menge in Köln vor allem aus Männern nordafrikanischer Herkunft bestand, geht auch die Debatte über die Abschiebung straffälliger Ausländer weiter. Maas vertrat die Auffassung, falls Asylsuchende unter den Tätern gewesen sein sollten, könnten sie ausgewiesen werden. Das erlaube das Gesetz bei Verurteilungen zu mehr als einem Jahr Haft, die bei Sexualdelikten durchaus möglich seien.

Erste Touristen sagten Reisen ab

Nach den massiven Übergriffen haben erste Touristen ihre Köln-Reisen abgesagt. "Das Image Kölns hat einen Knacks erlitten", sagte der Geschäftsführer von Köln-Tourismus, Josef Sommer, dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Der Hotel- und Gaststättenverband Köln mit rund 1.500 Mitgliedsbetrieben berichtete ebenfalls von einer großen Unsicherheit. Nicht nur Privattouristen, auch Geschäftsreisende hinterfragten die Sicherheitslage, sagte Geschäftsführer Christoph Becker der Zeitung. Die Kleinkriminalität in Köln sei schon immer ein Thema gewesen, nach der Silvesternacht sei nun "das Negativimage potenziert" worden.

"Natürlich haben die Geschehnisse dem guten Ruf Kölns als Messe- und Kongressstandort weltweit weiteren Schaden zugefügt", sagte Messechef Gerald Böse. "Wir erhalten viele Anfragen besorgter Aussteller und Besucher aus dem In- und Ausland." (APA, red, 7.1.2016)