Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht verstärkt die Polizei die Präsenz am Hauptbahnhof.

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Köln/Hamburg –Die Kölner Polizei stockt ihre Ermittlungsgruppe zu den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht auf. Das bestätigte ein Polizeisprecher am Mittwoch, ohne Zahlen zu nennen. Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" sollen künftig 80 Mitarbeiter der Ermittlungsgruppe die Angriffe auf die Frauen aufklären.

Nach den Übergriffen auf Dutzende Frauen in Köln und Hamburg hat die Polizei eine erste Spur. Vier Verdächtige wurden nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger (SPD) ermittelt, zwei sitzen seit Sonntag in Untersuchungshaft. Die Männer könnten zu einer größeren Gruppe gehören, die in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof Frauen belästigt, misshandelt und ausgeraubt haben soll. Details wollte er nicht nennen, weil dies die schwierigen Ermittlungen gefährden könnte.

Unterdessen prüft die Polizei eine mögliche Absprache vor den Übergriffen in Köln und ähnlichen Vorfällen in Hamburg. "Das Ganze scheint abgesprochen gewesen zu sein," sagte Bundesjustizminister Heiko Maas am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Es wäre schön, wenn das keine Organisierte Kriminalität wäre, aber ich würde das gerne mal überprüfen, ob es im Hintergrund Leute gibt, die so etwas organisieren." So etwas geschehe nicht aus dem Nichts, es müsse jemand dahinterstecken.

Nicht nur in Köln Ermittlungen

Nicht nur in Köln wurden etliche Anzeigen registriert, sexuelle Übergriffe gab es an Silvester auch in Hamburg. Auf der Reeperbahn wurden Frauen nach Polizeiangaben jeweils von mehreren Männern umringt und an der Brust oder im Intimbereich begrapscht. Zur Aufklärung der Vorfälle in St. Pauli bildet die Hamburger Polizei eine Sonderermittlungsgruppe. Ermittlungen gegen eine Gruppe von zehn jungen Männern laufen auch in Frankfurt.

Mehr als 100 Anzeigen

Inzwischen gingen nach Polizeiangaben in Köln mehr als 100 Anzeigen von mutmaßlichen Opfern ein, davon haben drei Viertel einen sexuellen Hintergrund. "Viele Frauen geben in den Gesprächen an, dass sie auch angefasst wurden", sagte eine Polizeisprecherin. Zwei Drittel der Opfer seien zum Feiern in die Domstadt gereist, hieß es.

Augenzeugen und Opfer hatten nach den Übergriffen ausgesagt, die Täter seien dem Aussehen nach größtenteils nordafrikanischer oder arabischer Herkunft. Die Polizei spricht von einer sehr schwierigen Beweisführung. Das liege vor allem an der "Gemengelage" in der Silvesternacht.

"So kann die Polizei nicht arbeiten"

Vor allem Polizei und Stadtspitze standen auch am Mittwoch in der Kritik. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bemängelte in den ARD-"Tagesthemen" den Einsatz der Kölner Beamten: "Da wird der Platz geräumt – und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann die Polizei nicht arbeiten."

Die Kölner Polizeiführung räumte zwar ein, am Neujahrsmorgen falsch über die Ereignisse der Nacht berichtet zu haben. In einer Erklärung hatte sie die Lage zunächst als recht entspannt beschrieben und sich selbst gelobt. Kritik am Einsatz wies sie allerdings zurück. "Wir waren nicht überfordert", sagte Polizeipräsident Wolfgang Albers. Das ganze Ausmaß der Vorfälle sei erst später klar geworden. Einen Rücktritt schließt Albers aus. Auf die Frage, ob er im Amt bleibe, sagte er am Mittwoch in einem Interview auf WDR 5: "Aber natürlich. Gerade jetzt bin ich, glaube ich, hier gefragt."

De Maizière für leichtere Abschiebung straffälliger Asylbewerber

Am Mittwoch sagte de Maizière, dass er die Abschiebung straffälliger Asylbewerber erleichtern will. "Wer schwere Straftaten begeht, in welchem Status auch immer er sich befindet, der muss damit rechnen, aus Deutschland abgeschoben zu werden", sagte er in Berlin. Die Genfer Flüchtlingskonvention mache dazu allerdings strenge Vorgaben. In Deutschland gelte bisher die Regel, dass sich erst eine Haftstrafe von drei Jahren auf ein Asylverfahren auswirke. "Wir werden darüber zu reden haben, ob das nicht geändert werden muss", sagte der Minister.

Zugleich forderte de Maizière in der Debatte über die massiven Übergriffe auf Frauen in Köln in der Silvesternacht klare Worte statt Tabus. "Die Wahrheit ist da der beste Maßstab", betonte er. Es dürfe weder einen Generalverdacht gegenüber Flüchtlingen geben noch dürfe die Debatte tabu sein, ob unter den Angreifern Flüchtlinge waren. "Das Verhalten der Täter war empörend, abstoßend und ist nicht hinnehmbar", sagte der Minister. "Diese Bewertung bleibt gleich, egal, welcher Nationalität die Täter sind." (APA, Reuters, 6.1.2016)